6 Spiele, 4 Niederlagen, 0 Siege: So lautet die Bilanz der Schweiz nach dem 1:2 im Test gegen Belgien. Vor allem die defensiven Werte sind jetzt schon deutlich schlechter als in den letzten Jahren.
Die Zahlen dokumentieren das Problem. In den sechs Spielen in diesem Jahr hat die Schweiz elf Gegentore kassiert. Das sind fast zwei Treffer pro Partie – und damit deutlich mehr als in den vorangegangenen Jahren. Seit 2014 musste die Schweiz unter Nationalcoach Vladimir Petkovic in einem einzelnen Jahr im Schnitt nie mehr als ein Gegentor hinnehmen. Nie war sie diesbezüglich besser als 2017 mit nur vier kassierten Toren in neun Partien (0,44 pro Spiel). Der Wert ist 2020 also rund vier Mal schlechter als vor drei Jahren.
Am Ursprung der Probleme stehen in diesem Herbst fast immer krasse individuelle Fehler. Admir Mehmedi, der Schweizer Torschütze bei der 1:2-Niederlage in Belgien, sagte dazu: «Wir verlieren aus eigenem Verschulden.» In den letzten vier Spielen kassierte die SFV-Auswahl acht Tore, sechs davon fielen unmittelbar nach einem Fehler eines Schweizers.
Ganz eklatant war es in Spanien, als Torhüter Yann Sommer einen unpräzisen Pass auf Granit Xhaka spielte und dieser im dümmsten Moment auch noch ausrutschte. Oder beim zweiten Gegentor in Deutschland, als Fabian Schär den Ball unbedrängt auf den Fuss des deutschen Stürmers Kai Havertz schlug. Das letzte Beispiel in dieser Auflistung lieferte Loris Benito in Belgien mit seinem Fehlpass in der Angriffsauslösung. Es folgte der Ausgleich der Belgier, es war der Anfang vom Ende für die Schweizer.
Vladimir Petkovic sprach nach der Niederlage in Leuven daher von «etwas Frustration». Ein Fehler könne immer passieren, so der Coach. «Aber in der Summe stimmt es in den letzten Spielen ganz klar nicht.» Wenn man gegen Spanien, Deutschland oder Belgien spielt, dürfe man solche Fehler nicht machen, so Petkovic. «Gegen diese Teams bezahlt man dafür einen besonders hohen Preis.»
Belgien und Spanien sind nicht Färöer und Andorra
Die Statistik weist auf ein defensives Problem der Schweiz hin. Doch in die Analyse muss auch die Qualität der Gegner miteinbezogen werden. Petkovics Team spielte gegen Kroatien, den WM-Zweiten. Gegen Spanien, noch immer das erfolgreichste Team Europas in den letzten 15 Jahren. Gegen Deutschland, den vierfachen Weltmeister sowie gegen Belgien, den WM-Halbfinalisten und die Nummer 1 im FIFA-Ranking.
Diese Widersacher sind für jede Defensive eine härtere Prüfung als es zum Beispiel die Färöer, Lettland, Weissrussland oder Andorra waren, gegen die das Schweizer Team 2017 in sechs Spielen in Folge und insgesamt fast 600 Minuten lang ohne Gegentreffer blieb.
Ballbesitz – um jeden Preis
Aber die Schweiz kassiert im Moment eben auch so viele Tore, weil sie ihr Spiel und ihren gepflegten Stil in jeder Situation, in jeder Partie und gegen jeden Gegner perfektionieren will. Sie will stets den Ball in den eigenen Reihen behalten, auch in Bedrängnis und auch nahe am eigenen Tor. Fast wie ein Mantra erwähnt es Petkovic vor jedem Spiel: «Wir wollen unseren Stil durchbringen.»
Doch dieses konsequente Streben nach Ballbesitz und Kontrolle birgt Risiken. Ein Ballverlust in der eigenen Zone führt eher zu einem Gegentor, als wenn man den Ball nach vorne schlägt und ihn 70 Meter vom eigenen Tor entfernt in einem Kopfballduell verliert. «Ich entschied mich für einen Pass, aber ich sah nicht, dass ein Gegner den Ball ablaufen konnte», beschrieb Benito die Szene, welche zum belgischen Ausgleich führte.
Die Schweiz will den Ballbesitz – im Wortsinn um jeden Preis. Im Moment ist der Preis gerade ziemlich hoch. Denn kann die Auswahl von Petkovic am Samstag in Basel gegen Spanien die defensiven Mängel nicht beheben, dürfte der Abstieg in der Nations League in die Liga B besiegelt sein. Und dann gehörte die Schweiz nicht mehr zu den Top 16 von Europa.
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