Die Wut der gekränkten Katalanen entlud sich noch in der Nacht. Etliche Fans des FC Barcelona zogen am späten Dienstagabend vor das Camp Nou und forderten lautstark den Rücktritt von Club-Präsident Josep Bartomeu.
Die Ankündigung von Lionel Messi, dem Weltfussballer, dem Idol, seinen Verein nach 20 Jahren zu verlassen, sorgte für Entsetzen in der Küstenmetropole – und der Schuldige war schnell ausgemacht.
Messis Verhältnis zu Bartomeu gilt seit Monaten als gestört. In der Coronakrise hatte es wegen Gehaltskürzungen Zoff zwischen den Stars und dem Clubchef gegeben. Messi hatte das Vorgehen des Vereins öffentlich kritisiert, fühlte sich und seine Mitspieler als Sündenböcke. «Verdorbenes Ende einer Ära», schreibt die Zeitung «El Mundo» am Mittwoch. Medienberichten zufolge wollen einige Direktoren des FC Barcelona alsbald zurücktreten, andere schlagen einen Misstrauensantrag gegen Bartomeu vor.
Der Betroffene macht, was er oft tut: schweigen
Und Messi? Noch hat sich der sechsmalige Weltfussballer, der mit Barcelona so viele Titel gewonnen hat und Vorbild von Millionen ist, nicht persönlich geäussert. Dass er intern mit einer Art dringlichem Einschreiben die Absicht zum Abschied geäussert hat, bestätigte der FC Barcelona selbst. Ein Grund soll der neue Trainer Ronald Koeman sein.
Nach seinem Amtsantritt soll der 57 Jahre alte Niederländer im Gespräch mit dem argentinischen Superstar dessen Sonderstellung infrage gestellt haben. «Die Privilegien im Kader sind vorbei, alles muss für die Mannschaft getan werden», soll Koeman laut einem Bericht des argentinischen Online-Portals «Diario Olé» gesagt haben: «Ich werde unflexibel sein, man muss an das Team denken.» Zuvor hiess es noch, Koeman wolle um Messi ein neues Team aufbauen. Die aktuelle Mannschaft gilt als satt und teils überaltert.
Puyol: «Respekt und Bewunderung»
Derweil erhielt Messi Zuspruch von ehemaligen und aktiven Spielern. Der ehemalige Barça- und Real-Star Luis Figo twitterte: «Wow!! Ein weiterer historischer Moment!!!» Auch Barça-Legende Carles Puyol schrieb auf Twitter: «Respekt und Bewunderung, Leo. Meine ganze Unterstützung, mein Freund.» Messis Freund und Teamkollege Luis Suárez reagierte auf Twitter mit klatschenden Händen. Er soll laut des katalanischen Radiosenders RAC1 als einer der ersten einen Anruf von Koeman erhalten haben, in dem ihm der neue Coach mitgeteilt haben soll, nicht mehr mit ihm zu planen. Vielleicht ist auch das ein Grund für den Wechselwunsch des Argentiniers.
Messi (33) will laut Medienberichten eine Klausel in seinem Vertrag ziehen, durch die er am Ende jeder Saison einseitig kündigen könne. Ein Giganten-Streit droht, denn es gibt ein Problem: Die Frist zur Aktivierung der Klausel ist aus Sicht des Vereins für die vergangene Spielzeit bereits im Juni abgelaufen, schreiben «Mundo Deportivo» und auch andere Medien. Messi sei derweil der Ansicht, die Frist müsse verlängert werden, weil auch die Saison wegen der Corona-Zwangspause verlängert worden sei.
Der Anruf von Guardiola?
Messi ist seit zwei Jahrzehnten im Club. Dem Profiteam des FC Barcelona gehört er bereits seit 2004 an, er ist der dienstälteste Spieler. Sein Vertrag läuft bis zum 30. Juni nächsten Jahres. Die im Vertrag festgeschriebene Ablöseklausel beträgt laut Medien 700 Millionen Euro. Ob diese von den angeblich interessierten europäischen Top-Clubs wie Manchester City, Juventus Turin, Paris Saint-Germain, Manchester United oder Inter Mailand bezahlt werden kann, ist – zumal in Pandemie-Zeiten – mehr als zweifelhaft.
Laut «ESPN» soll es in der vergangenen Woche ein Telefonat zwischen City-Trainer Pep Guardiola und Messi gegeben haben. Beide kennen sich aus der erfolgreichen Zeit mit dem FC Barcelona und schätzen sich sehr. Dem Bericht zufolge halte man es in Manchester für möglich, Messi zu finanzieren.
Barcelona erlebte die erste Saison ohne jeden Titelgewinn seit der Spielzeit 2007/08. In Katalonien spricht man von einer der schlimmsten Krisen der Vereinsgeschichte. Tiefpunkt nach der verspielten Meisterschaft war die sensationelle 2:8-Pleite gegen den FC Bayern München im Viertelfinale der Champions League.
«Marca»: Messi-Abgang wäre schlimmer als das 2:8
«Leo Messi hat dem Club gerade mitgeteilt, dass er den Verein verlassen will, dass er sich im Camp Nou nicht mehr wohlfühlt, das von klein auf sein Kindergarten war – und das ist schlimmer als jedes 2:8», schrieb die «Marca».