Servus FC Bayern «Danke Uli» – sein Vermächtnis, seine Attacken, seine Geschichte

Von Jan Arnet

15.11.2019

Eine Ära ist zu Ende: Uli Hoeness ist ab heute offiziell nicht mehr Präsident des FC Bayern München. «Bluewin» blickt auf die letzten 50 Jahre zurück und erinnert sich an zehn Dinge, die Hoeness' Leben und Karriere prägten.

1. Mit Willenskraft und Schnelligkeit zum Erfolg

Mit 18 Jahren wechselt Uli Hoeness im Sommer 1970 vom SV Ulm zu Bayern München, er gewinnt mit seiner Mannschaft unter anderem dreimal den Europapokal der Landesmeister und dreimal die Meisterschaft. Als Flügelstürmer avanciert er zum Publikumsliebling. «Ich war nicht der talentierteste Spieler», erinnert sich Hoeness in einer Reportage der ARD. «Aber ich war in der Lage, mit höchstem Tempo zu dribbeln und Gegner auszuspielen und zu überlaufen.»

Auch sein ehemaliger Mitspieler Karl-Heinz Rummenigge – heute Bayern-Vorstandsboss – sagt: «Er war unglaublich schnell. Und er hatte einen grossen Willen.» Auch in der deutschen Nationalmannschaft trumpft der Aussenläufer gross auf, wird 1972 Europa- und 1974 Weltmeister.

Uli Hoeness (l.) schiesst im Mai 1974 im Europapokal-Final gegen Atlético Madrid zwei Tore.
Uli Hoeness (l.) schiesst im Mai 1974 im Europapokal-Final gegen Atlético Madrid zwei Tore.
Bild: Getty

2. Geld regiert schon früh Hoeness' Welt

Geld scheint Hoeness schon in jungem Alter wichtig gewesen zu sein. Rummenigge erzählt, dass sich sein Weggefährte schon als Spieler für Wirtschaft und Finanzen interessiert habe. Geld ist sein Antrieb. Zu seiner Zeit als Bayern-Spieler lädt Hoeness sogar Fans zu sich nach Hause zum Frühstück ein – gegen Bezahlung versteht sich. «Damals hat man ja durch den Fussball noch nicht so viel Geld verdient, um später davon leben zu können», sagt Hoeness heute. «Für Zusatzeinnahmen hat man dann halt solche Dinge gemacht. Dinge, die ich heute vielleicht nicht mehr machen würde.»


3. Schlimme Verletzung und Karriereende mit 27 Jahren

Den 28. Mai 1975 wird Uli Hoeness nie vergessen. Bayern steht zum zweiten Mal in Folge im Europapokal-Final, diesmal gegen Leeds United. Hoeness, damals 23-jährig und auf seinem Zenit, wird Opfer der raubeinigen Engländer. Rummenigge spricht von «Killern auf dem Platz». Nach 42 Minuten muss Hoeness den Platz verletzt verlassen – der Aussenmeniskus im rechten Knie ist gerissen.

Ein halbes Jahr fällt der Stürmer aus, kämpft sich danach aber zurück und gewinnt mit Bayern im Folgejahr noch einmal den Europapokal. Doch Hoeness kann nie mehr an seine besten Leistungen anknüpfen, jahrelang quält er sich mit dem lädierten Knie. Die Leistung leidet, weil er auch nicht richtig trainieren kann. Beim FC Bayern, seinem Herzensklub, wird er ausgemustert. Der HSV ist interessiert, verlangt aber, dass sich Hoeness eine Sonde ins Knie operieren lässt. Das will der Stürmer jedoch nicht. Er sagt: «Dann höre ich lieber auf mit Fussball.» Im November 1978 wagt er dennoch einen Leihwechsel – zum 1. FC Nürnberg. Keine fünf Monate später wird er seine Profikarriere beenden. Mit nur 27 Jahren.

Fast täglich muss sich Hoeness am lädierten Knie behandeln lassen.
Fast täglich muss sich Hoeness am lädierten Knie behandeln lassen.
Bild: Screenshot ARD

4. Vom Spieler zum Manager – von einem Tag auf den anderen

Hoeness weiss schon in seinen letzten Bayern-Jahren, dass er aufgrund der schweren Verletzung nicht mehr lange auf dem Platz wird stehen können. Und deshalb beginnt er früh, dem damaligen Bayern-Manager Robert Schwan über die Schulter zu schauen. Im Frühjahr 1979 sind die Bayern verzweifelt. Der Verein hat zu dieser Zeit einen Jahresumsatz von zwölf Millionen Mark bei Schulden von sieben Millionen. Hoeness, damals noch Spieler von Nürnberg, wird das Amt des Managers angeboten – und der 27-Jährige willigt ein. Er wird zum jüngsten Manager in der Geschichte der Fussball-Bundesliga.

Uli Hoeness (l.) im Aprill 1977 mit dem damailgen Bayern-Manager Robert Schwan (r.).
Uli Hoeness (l.) im Aprill 1977 mit dem damailgen Bayern-Manager Robert Schwan (r.).
Bild: Keystone

5. Hoeness beweist es allen Kritikern

Kaum einer glaubt, dass der Manager-Neuling der grossen Aufgabe gewachsen ist. Von einem Himmelfahrtskommando ist die Rede. Weder die Medien noch die Fans denken, dass Hoeness seine erste Saison «überleben» wird. Doch er zeigt es allen und führt die Bayern gleich in seinem ersten Jahr zum Meistertitel – es ist der erste seit sechs Jahren. In der Folge trägt Hoeness massgeblich zum wirtschaftlichen Aufstieg der Münchner bei. Bayern ist rasch der reichste Klub der Liga.

Der Verein ist unter Hoeness nicht nur erfolgreich, sondern wird auch immer beliebter. Die Dauerkarten-Zahl lag vor Hoeness' Amtsantritt als Manager bei 4'300. Heute besitzen rund 38'000 Bayern-Fans eine Dauerkarte – das Kontingent ist stets ausverkauft.

Beim FC Hollywood ist mit Uli Hoeness immer etwas los.
Beim FC Hollywood ist mit Uli Hoeness immer etwas los.
Bild: Keystone

6. Der Flugzeugabsturz – wie ein zweiter Geburtstag

Am 17. Februar 1982 überlebt der damals 30-jährige Uli Hoeness einen Flugzeugabsturz. Gemeinsam mit drei Freunden, darunter der Pilot und frühere Skirennfahrer Wolfgang Junginger, ist er mit einem zweimotorigen Propellerflugzeug auf dem Weg von München nach Hannover zu einem Länderspiel gegen Portugal. Doch kurz vor der beabsichtigten Landung stürzt das Kleinflugzeug ab.

Rund eine Stunde danach wird Hoeness von einem Förster gefunden, der später sagen wird: «Ohne mich hätte er es wohl nicht geschafft, er wäre an Unterkühlung gestorben.» Der Bayern-Manager steht unter Schock, kriecht orientierungslos und blutüberströmt durch den Wald. Hoeness wird der einzige Überlebende sein. Experten kommen später zum Schluss, dass Hoeness überlebte, weil er nicht angeschnallt war und aus dem Flugzeug geschleudert wurde. Er zieht sich lediglich Brüche an Arm und Knöchel sowie eine Gehirnerschütterung zu.

«Der Tag des Absturzes wurde danach immer wie ein zweiter Geburtstag gefeiert», sagt Rummenigge in der ARD-Reportage. «Uli war einer, der immer ein bisschen Glück gehabt hat. Ich glaube, er wusste auch, dass er ein Sonntagskind ist.» Hoeness selbst meint: «In meinem Leben war schon auch Glück dabei. Aber im Grossen und Ganzen war es auch harte Arbeit und sehr viel Aufwand.»

In diesem Propellerflugzeug sass auch Uli Hoeness.
In diesem Propellerflugzeug sass auch Uli Hoeness.
Bild: Keystone

7. Die Kokain-Affäre um Christoph Daum

Im Jahr 2000 folgt eine Geschichte, die Uli Hoeness buchstäblich um ein Haar den Kopf kostet. Gerüchte kursieren, wonach der designierte Bundestrainer Christoph Daum – damals noch Coach von Bayer Leverkusen – Kokain konsumiere. Hoeness äussert sich, sagt, ein Drogenabhängiger könne nicht Bundestrainer werden. Eine Zeitung zitiert den Bayern-Boss sogar mit den Worten «der verschnupfte Daum». Daum dementiert alle Gerüchte. Die Sache verkommt zu einer veritablen Schlacht und schnell wird klar, dass nur einer der beiden «lebend» aus der Sache rauskommen kann.

Es ist Hoeness. Denn Daum begeht den entscheidenden Fehler: Auf einer Pressekonferenz sagt der Leverkusen-Trainer, dass er freiwillig eine Haarprobe abgegeben habe, um seine Unschuld zu beweisen («ich tue das, weil ich ein absolut reines Gewissen habe»). Hoeness gerät gewaltig unter Druck, denn jeder rechnet damit, dass Daum sauber ist – doch die Probe ist tatsächlich: positiv. Leverkusen entlässt den Coach fristlos, und der DFB löst den ab Juli 2001 geltenden Vertrag als Bundestrainer auf. «Ich hatte das grosse Glück, dass Daum in einer gewissen Überheblichkeit diese Probe abgegeben hat. Sonst wäre ich höchstwahrscheinlich weg gewesen», sagt Hoeness heute. Einmal mehr geht er als Sieger aus einem Showdown hervor.


8. Hoeness hat immer eine Meinung, eine starke Meinung

Auch in der Folge nimmt Hoeness nur selten ein Blatt vor den Mund. Er hat zu vielen Dingen eine Meinung – und lässt daran auch jeden teilhaben. Auch zu politischen Themen äussert(e) sich Hoeness immer wieder, er gilt als Bewunderer Angela Merkels. Richtig emotional (und laut) wird die Manager-Ikone aber nur, wenn es um seinen FC Bayern geht – auch mit 67 Jahren ist das noch so. Erst letzten Sonntag rief Hoeness in die Livesendung des Sport1-Fussball-Talks «Doppelpass» an und geigte den Studiogästen seine Meinung.

Auf YouTube sind zig Videos zu finden, die zeigen, wie kurz Hoeness' Zündschnur bisweilen ist. Legendär ist seine Wutrede an der Bayern-Jahreshauptversammlung aus dem Jahr 2007, wo er meckernde Fans aus der Südkurve verbal attackiert: «Das ist eine populistische Scheisse! Ihr seid doch für die Scheiss-Stimmung verantwortlich! Was glaubt ihr eigentlich, was wir das ganze Jahr machen, damit wir euch für sieben Euro in die Südkurve gehen lassen können? Was glaubt ihr eigentlich, wer euch finanziert? Es sind die Leute in der Loge, welchen wir das Geld aus der Tasche ziehen. Was glaubt ihr eigentlich, wer ihr seid?»


9. Die Sache mit den Steuern

2013 ist das vermutlich turbulenteste Jahr im Leben des Uli Hoeness. Der «Stern» berichtet von einem Schweizer Nummernkonto eines hochrangigen Bundesliga-Funktionärs. Hoeness, der von 2001 bis 2006 im grossen Stil an der Börse mittels eines geheimen Kontos in der Schweiz spekuliert hatte, wird nervös – und erstattet im Januar beim Finanzamt Selbstanzeige. Sie ist fehlerhaft. Die Staatsanwaltschaft ermittelt – und erhebt im Juli Anklage wegen Steuerhinterziehung. Hoeness, seit 2009 Präsident des Klubs, verabschiedet sich im November auf der Jahreshauptversammlung unter Tränen vom FC Bayern, kündigt aber an, eines Tages zurückzukehren – und wird gefeiert.

Der Prozess geht im Frühling 2014 über die Bühne. Hoeness gesteht, 18,5 Millionen Euro an Steuern hinterzogen zu haben. Die Summe wird schliesslich noch höher sein. Das Landgericht München spricht Hoeness wegen Hinterziehung von mindestens 28,5 Millionen Euro schuldig. Er wird zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Hoeness akzeptiert das Urteil, tritt mit sofortiger Wirkung von seinen Ämtern beim FC Bayern München zurück und tritt im Juni 2014 seinen Gang ins Gefängnis von Landsberg am Lech an.

Eine Zelle im Gefängnis von Landsberg am Lech.
Eine Zelle im Gefängnis von Landsberg am Lech.
Bild: Getty

Knapp 21 Monate verbringt Hoeness im Gefängnis, einen Grossteil davon als Freigänger (er muss nur noch zum Übernachten ins Gefängnis, tagsüber arbeitet er in der Jugendabteilung des FC Bayern). Am 29. Februar 2016 wird Hoeness vorzeitig aus der Haft entlassen. Kürzlich sprach der langjährige Bayern-Funktionär vom «grössten Fehler seines Lebens». Er bereue die Steuersache zutiefst, die Kritik daran sei höchst berechtigt.

Dass er nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis wieder Bayern-Präsident wird, habe er den Fans zu verdanken, sagt Hoeness: «Ich hatte mich erst in letzter Sekunde entschieden, im November 2013 zur Versammlung zu gehen, auf der ich mich als Präsident verabschieden musste. Wäre ich nicht hingegangen, wäre ich sicher nicht mehr zurückgekehrt, denn dieser Zuspruch unserer Fans damals hat mir eine ungemeine Kraft gegeben.»


10. Hoeness merkt, dass die Zeit für den Rücktritt reif ist

Den Zuspruch der Fans geniesst Uli Hoeness lange. Und der FC Bayern ohne Uli Hoeness war und ist irgendwie auch kaum vorstellbar. Doch es dürfte die Jahreshauptversammlung des letzten Jahres gewesen sein, die den Präsidenten schliesslich mit dazu bewegte, aufzuhören. Ein Bayern-Mitglied attackiert Hoeness in einer Wutrede und kritisiert den Boss vor gefülltem Saal für sein Verhalten gegenüber ehemaligen Spielern und Trainern. Der Fan hinterfragt, ob dies das Bild eines Weltvereins im Umgang mit seinen ehemaligen Angestellten sei und schliesst mit den Worten: «Der FC Bayern ist keine One-Man-Show.»

Der Bayern-Anhänger erhält für seine deutlichen Worte keine Pfiffe, sondern Applaus. Pfiffe gibt es dann aber für Hoeness, der sich auf keine Diskussion einlassen will. Später sagt der Bayern-Präsident, dass ihm die Reaktion der Mitglieder an diesem Abend sehr nahe gegangen sei. Ende August 2019 gibt Hoeness schliesslich «nach reiflicher Überlegung» bekannt, dass er am 15. November nicht mehr als Bayern-Präsident kandidieren wird.


Zahlen und Fakten zu Hoeness' Arbeit bei den Bayern

Uli Hoeness machte den FC Bayern in seinen fast 40 Jahren als Manager und Präsident zu einem Weltverein. Vor seinem Amtsantritt als Manager im Jahr 1979 hatten die Münchner erst fünfmal den Meistertitel geholt. Mit Hoeness am Steuer kamen bis 2019 unter anderem 26 Ligatitel, 14 Pokalsiege und zwei Triumphe in der Champions League dazu. Hoeness war es auch, der den Bau eines neuen Münchner Fussballstadions vorantrieb. Im Jahr 2005 zügelten die Bayern vom Olympiastadion in die Allianz-Arena.

«Ich darf schon auch mal selbstbewusst feststellen: Ohne mich sähe dieser FC Bayern anders aus», sagte Hoeness kürzlich. «Wenn meine Nachfolger das ähnlich hinbekommen, könnten doch alle recht glücklich sein.» Herbert Hainer wird Hoeness als Bayern-Präsident beerben. Den früheren Vorstandsvorsitzenden von Sportartikelhersteller Adidas hat Hoeness selbst ausgesucht. Genauso wie Oliver Kahn, der ab 2022 als Vorstandschef amten wird. In München wird langfristig geplant.

«Ich habe Leute ausgesucht, denen ich diese Aufgabe zutraue», sagt Hoeness und bestreitet, dass er der Vereinsführung nach seinem Rücktritt reinreden werde. «Das behaupten nur Menschen, die hinter jedem Busch einen Feind sehen. So ticke ich nicht.» Ein kompletter Abgang wird es aber nicht sein. Hoeness wird zwar auch den Vorsitz im Aufsichtsrat niederlegen, aber in dem Kontrollgremium weiterhin Mitglied bleiben. Eines dürfte ohnehin klar sein wie das Amen in der Kirche: Ruhig sein wird Uli Hoeness auch im Ruhestand nicht.

«Danke Uli» – ein Fan (der Redaktion bekannt) vor der Allianz-Arena.
«Danke Uli» – ein Fan (der Redaktion bekannt) vor der Allianz-Arena.
Bild: Teleclub

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