Ana-Maria Crnogorcevic sorgt wieder einmal für positive Schlagzeilen. Und Reto Gertschen zeigt bei seinem Einstand als Interimstrainer des Nationalteams der Frauen Motivationskünste. Die Stimmen zum Coup gegen Schweden.
Ana-Maria Crnogorcevic war in den letzten Monaten immer wieder ein Hauptthema im Nationalteam der Frauen. Vorab dann natürlich, als sie von der damaligen Nationaltrainerin Inka Grings für einen Zusammenzug nicht berücksichtigt wurde. Und in diesem Zusammenhang kurz darauf Missstimmungen zwischen der Rekordnationalspielerin und der deutschen Trainerin an die Öffentlichkeit gelangten.
Am Freitagabend sorgt die 33-Jährige auch für Schlagzeilen, aber für ungemein positive. Crnogorcevic gelingt gegen die Weltnummer 1 aus Schweden das einzige Tor beim 1:0-Erfolg, der die Hoffnungen auf den Ligaerhalt in der Nations League zumindest eine Weile am Leben erhielt. Denn weil Italien überraschend gegen Spanien gewinnt, ist der Abstieg schon vor der Partie gegen Italien (am Dienstag in Parma) besiegelt.
Unter Grings war die Akteurin von Atlético Madrid immer mal wieder auf verschiedenen Positionen eingesetzt worden, vorab auch als Rechtsverteidigerin, von wo aus sie ihre Torgefährlichkeit deutlich weniger ausspielen konnte als in ihrer angestammten Position als Mittelstürmerin.
Mit ihrem 72. Tor im Nationaldress nach sechs Minuten brauchte die Bernerin jedenfalls nicht lange, um ihren Wert für dieses Team im 154. Auftritt unter Beweis zu stellen. Es wäre der optimale Moment für Crnogorcevic, eine Spitze gegen die ehemalige Nationaltrainerin abzufeuern, sie hält sich aber diplomatisch, lobt die Teamleistung und freut sich, dass ihr und ihren Teamkolleginnen endlich wieder einmal ein Sieg gelungen ist. Denn diesen wollten sie unbedingt, «denn dieses Jahr war, sorry für den Ausdruck, beschissen von den Leistungen her». Vielleicht könnte man dies dann doch noch als kleinen Giftpfeil in Richtung ihrer Ex-Trainerin verstehen.
Lia Wälti: «Ich bin ziemlich k.o.»
«Wir haben immer gewusst, dass wir ein riesen Potenzial haben», sagt die völlig ausgepumpte Nati-Kapitänin Lia Wälti nach der Partie. Sie hätten auch gewusst, dass ihnen Schweden liegen könnte.
Motivationskünstler Reto Gertschen
Und Reto Gertschen, der Interimstrainer, der einen optimalen Start in seine Zeit an der Seitenlinie erlebte, sagte, das frühe Tor hätte natürlich geholfen, ins Spiel zu kommen. Aber, sagt der 58-Jährige, natürlich hätten sie auch Glück beansprucht. «Es wäre vermessen gewesen, zu glauben, dass wir Schweden einfach 4:0 aus dem Stadion schiessen.»
Gertschen verrät, dass er dem Team ein Bild des Jungfraujochs gezeigt habe, das in der Aussenbetrachtung so unmöglich zu besteigen scheine, wie ein Sieg der Schweiz gegen Schweden. In der Pause nahm er das Bild wieder hervor und sorgte so für eine extra Motivationsspritze. Aber Gertschen relativiert den unerwarteten Coup: «Wir haben erst den ersten Schritt gemacht.» Der zweite soll am Dienstag in Parma gegen Italien folgen.
Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht klar, dass der Sieg im Kampf gegen den Abstieg letztlich wertlos ist, weil Italien in Spanien überraschend mit 3:2 gewinnt und somit mit vier Punkten Vorsprung uneinholbar bleibt. Dennoch werden die Schweizerinnen alles daran setzen, das Jahr mit einem dritten Sieg positiv abzuschliessen.
Von Patrick Lämmle