Kommentar Nati ohne Doppelbürger? Das ist tatsächlich eine Schnapsidee

Patrick Lämmle

6.7.2018

Wollen wir wirklich eine Nati ohne Doppelbürger?
Wollen wir wirklich eine Nati ohne Doppelbürger?
Bild: SFV (bearbeitet von Teleclub)

SFV-Generalsekretär Alex Miescher sorgt mit seinen brisanten Aussagen zum Thema Doppelbürger für viel Wirbel. Doch er setzt den Hebel am falschen Ort an und redet um den heissen Brei herum.

Der Verband könne sagen, dass die Türen in die Förderprogramme nur jenen Nachwuchsspielern offenstünden, die auf eine Doppelstaatsbürgerschaft verzichten würden, sagt SFV-Generalsekretär Alex Miescher. Damit will er verhindern, dass die Schweiz Spieler ausbildet, die sich dann für andere Nationen entscheiden. Der Verband höre von Jungtalenten viele Versprechungen, dann würden sich diese im Alter von 21 Jahren aber trotzdem für ein anderes Land entscheiden, weil sie dort grössere Chancen auf internationale Einsätze sehen würden. «Ich finde es stossend, dass wir da keinen Hebel haben», sagt Miescher. Ein solcher Spieler nehme schliesslich einem anderen einen sehr wertvollen, teuren Ausbildungsplatz weg.

Dass Miescher das Ganze mit dem Doppeladler-Jubel in Verbindung bringt, ergibt aber überhaupt keinen Sinn. Denn Xhaka und Shaqiri wurden zwar in der Schweiz ausgebildet, aber sie spielen ja bekanntermassen auch für die Schweiz. Sprich: Hier hat der Schweizerische Fussball Verband keinen einzigen Rappen «verloren» und es wurden auch keine Versprechungen getätigt, die dann nicht eingehalten wurden.

Wie gross ist das Problem wirklich?

WM 2018 in Russland: 15* der 23 Schweizer WM-Fahrer sind Doppelbürger. Sie alle haben etwas gemeinsam: Sie haben sich FÜR die Schweiz und GEGEN ihre Wurzeln entschieden. Verlust für den Verband: 0 Rappen!

Es gibt aber auch eine handvoll Spieler, die vom hervorragenden und teuren Ausbildungssystem in der Schweiz profitiert haben, um später der Nati einen Korb zu geben. Die prominentesten Spieler sind Ivan Rakitic und Mladen Petric (beide Kroatien) sowie Izet Hajrovic (Bosnien) und Zdravko Kuzmanovic (Serbien). Für diese potenziellen Nati-Spieler hat der Verband also gewissermassen Geld in den Sand gesetzt. Man wird es verkraften können.

Hauptsächlich ist der Balkan betroffen

Miescher geht es wohl viel eher um die Grundsatzfrage, ob Spieler mit zwei Herzen in der Brust für die Schweiz spielen sollten. Doch auch wenn Spieler den einen Pass abgeben und nur noch das rote Büchlein mit dem weissen Kreuz auf sich tragen, die Heimat vergessen sie deswegen nicht. Den Doppeladler-Jubel hätte es wohl trotzdem gegeben.

Man sollte die ganze Thematik aber auch nicht runterspielen. Die Fangemeinde ist gespalten, viele können oder wollen sich mit der jetzigen Mannschaft nicht identifizieren – zumindest dann, wenn der Erfolg ausbleibt, wie zuletzt im Achtelfinal gegen Schweden. Allerdings ist auch klar zu beobachten, dass nicht grundsätzlich die Secondos als solche ein «Problem» darstellen. Denn bei der ganzen Diskussion dreht sich immer alles nur um die Spieler mit Wurzeln im Balkan. Oder haben sie schon mal jemanden gehört, der Breel Embolo, Manuel Akanji oder Gelson Fernandes aus dem Nati-Kader streichen möchte?

Eine Nati ohne Doppelbürger macht keinen Spass

Klar ist ja auch, dass eine Nati ohne Doppelbürger zum jetzigen Zeitpunkt kaum eine Chance hätte, sich für eine EM oder WM zu qualifizieren, geschweige denn einen Achtelfinal (aktuell ja eine riesen Enttäuschung) zu erreichen. Die Leistungsdichte jener Spieler, die nur einen Schweizer Pass besitzen, ist schlichtweg zu tief. Ob eine solche Nati mehr Spass macht und ob man sich dann besser mit der Mannschaft identifizieren kann als heute? Mehr als fraglich. Viel eher hätte die Nati dann einfach gar keine Fans mehr, respektive nur noch ein paar hartgesottene.

Einer Frage sollte man deshalb vielleicht auch einmal auf den Grund gehen: Warum sind eigentlich die Doppelbürger besser als die Ur-Schweizer? Sollte man nicht hier den Hebel ansetzen? Ist unser Förderprogramm vielleicht nicht das Richtige? Oder liegt es einfach daran, dass der Fussball in der Schweiz nicht den gleichen Stellenwert hat wie in den Herkunftsländern unserer Secondos? Letzteres dürfte der entscheidende Punkt sein. In ganz vielen Schweizer Familien hat die Ausbildung höchste Priorität, während für viele Secondos eine Fussballkarriere grössere Karriere-Chancen vermittelt.

Der Fussballverband will mit der im Interview vorgebrachten Idee für ein Verbot der Doppelstaatsbürger in der Nati nach eigenen Angaben «die Resonanz prüfen». Wenn alle der Meinung seien, dass es eine Schnapsidee sei, dann sei das auch okay, erklärte Miescher. Ja, Herr Miescher, das ist wohl tatsächlich eine Schnapsidee. Wir stimmen Ihnen aber zu, dass es bei dem Thema eine Beruhigung braucht.

Doppelbürger im Schweizer WM-Kader

* Ivon Mvogo, Manuel Akanji, Johan Djourou, Ricardo Rodriguez, François Moubandje, Granit Xhaka, Denis Zakaria, Gelson Fernandes, Valon Behrami, Blerim Dzemaili, Xherdan Shaqiri, Breel Embolo, Haris Seferovic, Josip Drmic und Mario Gavranovic

Zurück zur Startseite