Schiri-Chef Wermelinger zum VAR-Ärger Schiri-Chef Wermelinger: «Ich verstehe jeden, der den Kopf schüttelt»

Von Stefan Eggli und Luca Betschart

18.10.2021

Wermelinger: «Kein Videoschiedsrichter kann nach solchen Aktionen gut schlafen»

Wermelinger: «Kein Videoschiedsrichter kann nach solchen Aktionen gut schlafen»

Ex-Spitzenschiedsrichter Dani Wermelinger analysiert gemeinsam mit Stefan Eggli die VAR-Vorfälle der zehnten Super League-Runde.

18.10.2021

Die zehnte Super-League-Runde hat es in sich, gleich mehrere umstrittene VAR-Entscheide lösen heftige Diskussionen aus. Im Gespräch mit blue Sport nimmt Schiedsrichter-Chef Daniel Wermelinger Stellung und gibt Fehler zu.

Von Stefan Eggli und Luca Betschart

Erst wird YBs vermeintlicher Ausgleichstreffer durch Christian Fassnacht am Samstagabend im Wankdorf nicht anerkannt, dann bleibt der VAR auch in Zürich stumm, obwohl der FCZ-Spieler Bledian Krasniqi im gegnerischen Strafraum von Jonathan Sabbatini mit ausgefahrenem Arm niedergestreckt wird. Am Sonntag sorgen im St. Galler Kybunpark gleich zwei Situationen für Kontroverse. Daniel Wermelinger, Präsident der Schweizer Schiedsrichter-Union, nimmt in seiner Analyse mit blue Sport kein Blatt vor den Mund.

Die Panne in Bern

Im Spiel zwischen den Young Boys und Luzern wird der Berner Ausgleichstreffer durch Fassnacht in der 55. nicht anerkannt, weil Nicolas Moumi Ngamaleu zuvor im Abseits steht. Allerdings kommt der Ball vom Luzerner Wehrmann, was dem VAR offensichtlich entgeht. Für YB-Trainer David Wagner ist das «einfach wahnsinnig ärgerlich», wie er nach dem Schlusspfiff im Interview sagt.

Daniel Wermelinger schliesst sich an: «Es ist eine ärgerliche Aktion. Der VAR musste in dieser Situation diverse Szenen prüfen und hat am Schluss nicht die richtigen Bilder zur Hand genommen, um sehen zu können, dass Wehrmann den Ball gespielt hat», erklärt Wermelinger die Panne und hält fest «Das Fazit ist klar und eindeutig: Wir lagen falsch, das Tor hätte zählen sollen.»



Der Ärger der Fans und Spieler ist für Wermelinger in diesem Fall verständlich. «Es ist klar, dass die Zuschauer nicht verstehen, dass wir diesen Fall nicht sauber aufarbeiten konnten. Ich verstehe jeden, der den Kopf schüttelt. Wir müssen hinstehen und sagen: In diesem Moment, in dieser Aktion haben wir versagt.»

Dazu gehöre auch, den Kontakt mit dem betroffenen Klub aufzunehmen. «Wo Menschen arbeiten, kann es auch Fehler geben. Aber wir waren sehr schnell im Austausch mit den Verantwortlichen von YB. Sie haben am gleichen Abend noch gewusst, dass wir einen Fehler gemacht haben. Der tut uns leid, aber das gehört leider zu unserem Business», so der 50-Jährige.

Der St. Galler Siegtreffer

Noch mehr Schiedsrichter-Pech als YB hat an diesem Spieltag aber Servette im Auswärtsspiel in St. Gallen zu beklagen. Besonders bitter: Nach einem höchst grenzwertigen Einsatz von St. Gallens Ousmane Diakité in einem Kopfballduell im Mittelfeld glückt dem Heimteam in der 93. der umstrittene Siegtreffer. Erst nach 2 Minuten und 40 Sekunden hat das Tor von Guillemenot seine Gültigkeit. Für Servette-Trainer Alain Geiger zu Unrecht: «Diakité trifft Schalk mit dem Ellenbogen im Gesicht, für mich ist das ein klares Foul.»

Wermelinger spricht in dieser Szene zwar nicht von einem klaren Fehlentscheid, sagt aber: «Wir sind uns bewusst, am cleversten wäre es gewesen, auf dem Spielfeld das Foul zu pfeifen. Dann wäre alles klar, mehr muss man nicht sagen zu diesem Foul.»



Servettes unterschlagener Penalty

Die Aktion kurz vor Abpfiff ist aber nicht die einzige strittige Szene, die Servette-Coach Geiger verständlicherweise sauer aufstösst. In der 69. Minute klärt St. Gallens Stillhart im eigenen Strafraum und trifft dabei Gegenspieler Rodelin, ein Pfiff von Schiedsrichter Piccolo bleibt aber aus. «Das ist die zweite Szene, in der wir klar falsch liegen. Es ist klar, dass der Servette-Spieler zuerst an den Ball kommt, der St. Galler Spieler trifft danach seinen Fuss. Es wäre ein Foul gewesen», macht Wermelinger klar.

Entsprechend verhalten fällt das Fazit des langjährigen Spitzenschiedsrichters zum 10. Spieltag der obersten Schweizer Liga aus. «Wir müssen aus der Baisse, in der wir momentan drin sind, rauskommen. Das heisst, wir müssen noch härter arbeiten und noch fokussierter sein, dass solche Dinge nicht mehr passieren.»

«Es braucht eine lange Zeit, bis man so etwas verarbeitet»

Zudem unterstreicht Wermelinger: «Selbstverständlich ärgert das uns als Verantwortliche extrem, aber was man auch wissen muss: Es ärgert nicht nur uns oder die Zuschauer. Es ärgert die Leute noch viel mehr, die auf dem Platz aber auch in Volketswil (als Videoschiedsrichter, Anm. d. Red.) in der Verantwortung stehen. Sie wissen genau, solche Fehler dürfen ihnen eigentlich nicht passieren.»

Jeder, der davon ausgehe, die betroffenen Video- und Schiedsrichter würden nach solchen Fällen gut schlafen, liege falsch. Wermelinger: «Es braucht eine lange Zeit, bis man so etwas verarbeitet. Wir sind auch da, um das klar und transparent anzusprechen, damit solche Fehler nicht wieder passieren. Wir sind nicht zufrieden und müssen wieder zurückkommen.»

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