So düster wie aktuell sah es für den FC Luzern schon lange nicht mehr aus. Nach zehn Punkten aus 16 Spielen sind die Innerschweizer schon mitten im Abstiegskampf. Im Fussball-Talk «Heimspiel» schildert Präsident Stefan Wolf seine Sicht, wieso man in die Negativspirale geriet.
Im letzten Frühling wurde der Alt-Internationale Stefan Wolf beim FC Luzern Präsident. Der Hoffnungsträger einer ganzen Region wurde dabei mit offenen Armen empfangen. «Der Sport sollte wieder ins Zentrum rücken», meint Wolf und erwähnt die langjährigen Streitigkeiten im Aktionariat.
Die in ihn gesteckte Erwartungshaltung konnte er für Journalist Philipp Breit (Sportchef Radio Pilatus/Tele1) «noch nicht zu hundert Prozent erfüllen». Die Innerschweiz habe eigentlich auf so einen Präsidenten wie Wolf gewartet, so der gut vernetzte Insider. Hier sei Wolf auf viele Baustellen getroffen. «Hinter den Kulissen wartet viel Arbeit auf ihn», ist er sich sicher. Zudem fehle die angekündigte Strategie, wie man den Klub voranbringen will, bemängelt Breit. Die versprochene Ruhe sei auch noch nicht eingekehrt.
Heimspiel – Der Fussball-Talk
«Heimspiel» liefert Standpunkte und Argumente und vertieft aus einer schweizerischen Perspektive die wichtigsten Themen des Fussballs: kontrovers, engagiert, humorvoll. Immer donnerstags auf blue Zoom im Free-TV ab 21 Uhr. Oder hier als Podcast.
Wolf hält dagegen und redet von «einem Prozess», der halt seine Zeit brauche. Es sei zudem aufgrund der Corona-Krise auch nicht einfach. «Wir sind mit angezogener Handbremse unterwegs», meint er. Trotzdem versuche er so oft es geht, sich mit den Fans auszutauschen, um sie ins Stadion zu bringen.
«Das kommt sehr gut an, vor allem in der aktuellen Phase, in der wir drinstecken», sagt Wolf. Dennoch findet er klare Worte für die Lage: «Wir sind nicht da, wo wir uns gerne sehen würden.» Die Priorität liege nun darauf, vom Tabellenende wegzukommen.
Hat der Cupsieg die Probleme übertüncht?
Dabei gab es im Sommer noch viel zu feiern. So holte man sich den Cup. «Die Reaktionen darauf waren gewaltig», blickt Wolf wehmütig zurück. «Schade konnten wir nicht das Momentum weiterziehen in die Meisterschaft.» Der 50-Jährige gesteht: «Die Euphorie wurde durch die Negativspirale rasch verdrängt.»
Für blue-Experte Fredy Bickel hat sich die Misere aber schon «früher abgezeichnet». «Im Erfolg ist man unaufmerksamer», gibt er zu bedenken. So habe man wohl bei einem Leistungsträger wie Louis Schaub nicht alles getan, um ihn an Bord zu halten. Auch die Vertragsverhandlungen von YB mit Fabio Celestini – dem inzwischen geschassten Coach in Luzern – habe sicher Störpotential gehabt.
«Louis Schaub wollte zurück nach Köln – wir wollten ihn unbedingt halten», stellt Wolf klar. Man habe gewusst, dass die Liga mit der Rückkehr von GC noch ausgeglichener sei als zuvor. «Wir dachten, wir hätten eine gute Basis mit Celestini, die Euphorie war da», so Wolf. Das Team habe sich an ihn gewöhnt und umgekehrt. Zudem habe man eine gute Vorbereitung absolviert, ehe man in die Negativspirale geraten sei.
Die Resultate in der Vorbereitung werden überschätzt, meint Bickel. «Die wichtige Zeit im Sommer ist die Transferzeit.» Die meisten Zuzüge in Luzern seien Risiko-Transfers gewesen, so Bickel.
Für Wolf ist klar, warum. «Wir hatten nach dem ersten Spiel in der Meisterschaft vier Spieler nicht mehr in der Kabine.» Mit Christian Schwegler und Dave Zibung gaben zwei Routiniers ihren Rücktritt. Zudem fielen gleich nach dem Auftaktspiel mit Marius Müller und Pascal Schürpf zwei Leaderfiguren lange verletzt aus. «Das ist für mich der Hauptgrund», sagt der FCL-Boss. Auch die Zuzüge von zwei gestandenen Bundesliga-Profis Christian Gentner und Holger Badstuber könne das nicht sofort kompensieren. «So ein Team muss sich ja erst auch mal finden», meint Wolf. Nun müsse man etwas dagegen machen, um wieder aus der Talsohle zu kommen.
Schlechte Saisonstarts in Luzern – eine Mentalitätsfrage?
Dass Luzern in der Vorrunde schwächelt, ist nichts Neues. Für Breit kein Zufall: «Man hat von Transfersieger geredet, von Titelambitionen.» Man habe das Gefühl gehabt, es laufe ja. «Fünfmal einen Saisonstart so in den Sand zu setzen, geht nicht. Das hat auch mit Charakter und Mentalität zu tun», kritisiert er.
Wolf will sich nicht darauf verlassen, dass man wie in den letzten Jahren eine bessere Rückrunde hinlegt. «Jetzt müssen wir die Ärmel hochkrempeln, arbeiten und kämpfen.» Wolf ist sich sicher: «Unsere Spieler haben die aktuelle Lage gecheckt.»