Von der Reha ins YB-Tor Der plötzliche Aufstieg von Aaraus Ersatzgoalie Ammeter

Von Luca Betschart

15.12.2021

Zwei Youngster, die YB helfen können, unter sich: der ausgeliehene Goalie Nicholas Ammeter (21, links) und der derzeit formstarke Fabian Rieder (19).
Zwei Youngster, die YB helfen können, unter sich: der ausgeliehene Goalie Nicholas Ammeter (21, links) und der derzeit formstarke Fabian Rieder (19).
Bild: Keystone

Das Verletzungspech hält den Young Boys weiter die Treue, seit Sonntag fehlen dem Schweizer Meister gar beide Stammtorhüter. Immerhin könnte dadurch eine ins Stocken geratene Karriere neu lanciert werden.

Von Luca Betschart

Nicht weniger als zehn verletzte Spieler hat YB derzeit zu beklagen, darunter vier Schweizer Internationale. Zu allem Übel aber fehlt Trainer David Wagner seit dem letzten Sonntag nebst Stammgoalie David von Ballmoos auch Guillaume Faivre. Der Ersatztorwart verletzte sich im Spiel gegen den FC Sion an der Wade und fällt bis zu sechs Wochen aus.

Notnagel Abdullah Laidani, der in der laufenden Spielzeit im Cup in Lugano zum Einsatz kam, laboriert derzeit an einer Verletzung am Handgelenk. Und so lautet YBs dringendste Personalfrage vor dem Spitzenspiel gegen Basel: Wer hütet den Kasten?



Zum einen ist da Leandro Zbinden, der nach der Verletzung von von Ballmoos lange als Back-up von Faivre figuriert. Gespielt hat der 19-Jährige in der Super League aber noch keine einzige Minute, die nötige Spielpraxis sammelt er stattdessen mit regelmässigen Einsätzen im Nachwuchs. Selbst in Bern scheint man sich aber nicht sicher, ob Zbinden bereits für Pflichtspiele mit der 1. Mannschaft bereit ist.

Denn Ende November leiht der Schweizer Meister überraschend Nicholas Ammeter vom FC Aarau aus. Prompt kommt nicht Zbinden, sondern der 21-jährige Neuzugang zum Handkuss, als Faivre gegen Sion vorzeitig vom Platz muss. Steht Ammeter nun am Mittwoch von Beginn weg im YB-Tor, wäre das die Pointe einer unglaublichen Geschichte.

Von Hundert auf Null

Nach der dramatisch verlorenen Barrage gegen Xamax schenkt ein gewisser Patrick Rahmen dem erst 18-jährigen Nicholas Ammeter volles Vertrauen. Als gesetzte Nummer 1 verpasst er in der Saison 2019/20 keine Pflichtspielminute. Nach starkem Beginn geht es für Ammeter und den FC Aarau aber steil bergab. 80 Gegentore resultieren im enttäuschenden 8. Schlussrang. Trainer Rahmen muss seinen Platz räumen.

Das gilt wenig später auch für Ammeter. Keine einzige Minute darf Ammeter in der Saison 2020/21 ran. Hinter Simon Enzler ist er unter Neotrainer Stephan Keller nur zweite Wahl. Lichtblick ist ein Aufgebot für ein Trainingscamp der Schweizer U21-Nati.

Von der Reha zum Schweizer Meister

Ammeter schmort beim Challenge-Ligisten auch in der laufenden Spielzeit auf der Ersatzbank. 378 Tage vergehen ohne Ernstkampf, ehe er im Cup gegen FC Someo seine Chance kriegt. Gegen die Hobbykicker aus der 4. Liga ist das Spielfeld von einem elektrischen Zaun umgeben – um Wildschweine aus dem angrenzenden Wald abzuschrecken. Der FCA gewinnt 7:0, ohne dass sich Ammeter aufdrängen könnte. Es soll bis heute sein letzter FCA-Einsatz bleiben.

Mitte September folgt der nächste Rückschlag. Ein im Training erlittener Handbruch soll ihn bis zum Jahresende ausser Gefecht setzen. Dank optimalen Heilungsverlaufs kehrt Ammeter aber früher als gedacht auf den Platz zurück. Nur vier Tage nach dem Trainingseinstieg wird er vom Schweizer Meister kontaktiert. Kurz darauf verkündet er selbst etwas ungläubig seinen Abschied mit den Worten: «Kein Witz jetzt – ich trainiere ab morgen bei YB.»



Ein kurzes Abenteuer?

Von der Reha geht es für Ammeter auf direktem Weg zum amtierenden Schweizer Meister, wo der junge Goalie im «Theatre of Dreams» sogar Champions-League-Luft schnuppert. Weil er aber keine Spielberechtigung erhält, erlebt er die Partie im Old Trafford aber nur als zusätzlich mitgereistes Mitglied der YB-Mannschaft. Ersatzgoalie ist in Manchester Zbinden. Nur vier Tage später steht Ammeter aber nach Faivres Ausfall bereits selbst zwischen den Pfosten.

Mit dem möglichen Startelf-Einsatz im Spitzenspiel am Mittwoch geht für Ammeter womöglich ein Traum in Erfüllung. Insbesondere, wenn er seinem einstigen Förderer und heutigen Basel-Trainer Patrick Rahmen ein Bein stellen könnte. Läuft allerdings alles nach Plan, kommt das böse Erwachen bereits im Januar mit der Rückkehr auf die Ersatzbank des FC Aarau. Von Hundert auf Null.