David Degen darf auf eine erfolgreiche Karriere als Spieler zurückblicken, vor allem mit dem FC Basel feierte er grosse Erfolge. Und doch konnte er sein Potenzial nicht restlos ausschöpfen. Vor allem deshalb, weil er seine Meinung stets ungeschminkt kundtat und so immer wieder aneckte.
Dass Degen den Machtkampf mit Burgener in die Öffentlichkeit trägt, wirkt von aussen betrachtet nicht professionell. Doch es passt zu seinem Wesen. Degen hat nie ein Blatt vor den Mund genommen, das prägte schon seine Karriere als Spieler.
Ausgebildet beim FC Basel wechselt David Degen 1999 auf Leihbasis zum FC Aarau, um seine ersten Schritte im Profifussball zu machen. Ein Schritt zurück, um später zwei Schritte nach vorne zu machen. Ein Weg, den viele gutberatene junge Spieler einschlagen. Als 17-Jähriger debütiert er in der obersten Spielklasse, meist steht er aber nicht im Kader der ersten Mannschaft. Erst in seiner dritten Saison tastet er sich ans Team heran. In Basel wird das registriert und so kehrt er im Dezember 2003 zu seinem Stammklub zurück. Dort kommt er oft zum Einsatz, doch erst in seiner dritten Saison (2005/06) reift er zum unumstrittenen Stammspieler und leistet so einen wichtigen Beitrag auf dem Weg zum Meistertitel und dem Erreichen der Viertelfinals im UEFA-Cup.
Den im Sommer 2007 auslaufenden Vertrag beim FC Basel löst er dann vorzeitig auf, dem Lockruf aus dem Ausland kann der eben erst zum Nationalspieler gereifte Degen nicht widerstehen. Nach der WM 2006, bei der er nicht zum Einsatz kam, unterschreibt er im Juli 2006 bei Borussia Mönchengladbach einen Vertrag bis 2009.
«Einen solchen Charakter kann ich hier nicht brauchen.»
Der damalige Gladbach-Coach Jos Luhukay über David Degen
Bei seinem Zehn-Minuten-Debüt in der Bundesliga am 14. Oktober reiht er sich prompt unter die Torschützen. Der finale Durchbruch will ihm aber nicht gelingen, nur fünfmal steht er in der Liga in den kommenden Monaten in der Startelf. Noch vor dem Saisonende bahnt sich Ungemach an. Trainer Jos Luhukay streicht ihn aus dem Profi-Kader und parkiert ihn im Nachwuchs. Der Trainer begründet damals mit den Worten: «Einen solchen Charakter kann ich hier nicht brauchen.» In einem 2018 erschienenen Interview mit «Transfermarkt» erinnert sich Degen: «Das Problem war, dass ich mitgedacht habe. Ich bin ins Büro vom Coach und habe da meine Meinung kundgetan. Ich habe mich nie für irgendeine Person verstellt.»
Rückkehr, Abgang, Rückkehr
Und so kehrt er im Sommer 2007 auf Leihbasis zum FC Basel zurück. Als Meister und Cup-Sieger verabschiedet er sich nach dem Leihende ablösefrei zu Ligarivale YB, für die er in vier titellosen Saisons 137 Spiele bestreitet. Zur Saison 2012/13 kehrt Degen ein weiteres Mal zurück zum FC Basel, er unterschreibt einen Dreijahresvertrag. In der ersten Saison kommt er wettbewerbsübergreifend in 45 Pflichtspielen zum Einsatz und darf sich Ende Saison vierfacher Schweizer Meister nennen. In der Europa League stösst Basel bis ins Halbfinale vor, dort kommt Degen gegen Chelsea aber nur zu zwei Teileinsätzen.
Frühzeitiges Karriereende nach Zerwürfnis
2014 wird er zum fünften und letzten Mal Schweizer Meister, kommt aber in der Liga nur noch selten zum Zug. Das Verhältnis zu Trainer Murat Yakin ist inzwischen arg angekratzt. Nach der Saison beendet er trotz Vertrag bis 2015 seine Karriere. Erstaunlich, weil Degen damit auf viel Geld verzichtet – und weil sich Yakin und der FCB zu diesem Zeitpunkt bereits getrennt hatten. Degen erklärt damals im «Tagblatt», dass sein Entscheid nichts mit Yakin zu tun habe. «Im Profifussball muss man immer 100 Prozent geben, da reichen auch 95 Prozent nicht aus. Dieses Feuer kann auch ein neuer Trainer nicht wieder entfachen, denn ich lasse mich nicht von anderen leiten.»
«Ich bin dankbar, weil ich viel gelernt habe. Zum Beispiel aufs Maul zu hocken.»
Das Jahr habe ihm viel abverlangt, aber auch viel gebracht. «Das nehme ich für meinen weiteren Lebensweg mit. Ich bin dankbar, weil ich viel gelernt habe. Zum Beispiel aufs Maul zu hocken. Philipp (Zwillingsbruder) und ich haben uns sehr zurückgehalten, keine Interviews gegeben, obwohl ständig auf uns geschossen wurde und wir allen Grund gehabt hätten, uns zu wehren.»
Er sei ein ehrlicher und offener Mensch, der geradeaus sage, was er denke. «Ich verbiege mich nie. Damit ecke ich an, das kam mir in meiner Karriere oft in den Weg. Denn das wird möglicherweise als Arroganz interpretiert. Aber jeder, der Philipp und mich kennt, weiss, wie wir ticken: Wir sind fröhliche, aber ehrgeizige Typen, die ein Ziel haben. Das ist unsere Lebenseinstellung», führte Degen weiter aus.
David Degen verstrickt sich in Widersprüche
Davon, dass er gelernt hat, aufs Maul zu hocken, ist heute nicht mehr viel übrig geblieben, wie sich ganz besonders in den letzten Tagen gezeigt hat. Aber dies stünde ja auch im Gegensatz zu seinen damals fast im selben Atemzug getätigten Aussagen, dass er sich nicht von anderen leiten lasse und seinen Gedanken immer freien Lauf lasse. Es sind auch diese Widersprüche sowie David Degens Charaktereigenschaften, die manch einen zweifeln lassen, ob er tatsächlich der geeignete Typ ist, um den FC Basel als starker Mann an der Spitze des Vereins in ruhigere Gewässer zu führen.
Dass er für YB in 137 Spielen mehr Tore und Assists geliefert hat (27/34) als für den FC Basel in 208 Spielen (26/24), dürften ihm die Fans angesichts fünf gewonnener Meistertitel mit dem FCB (keinen mit YB) allerdings verzeihen. Kritischer dürfte da beäugt werden, dass er angeblich nach seiner Karriere auch schon bei GC einsteigen wollte. Das propagierte «Für immer Rot-Blau»-Image hat zumindest Gelb-Schwarze Kratzer und kleinere Heuschrecken-Flecken. Dass er im FCB-Shirt «Blut und Schweiss geschwitzt und grosse Erfolge gefeiert» hat, wird ihm aber niemand absprechen. David Degen und der FC Basel, das hat auch etwas von einer leidenschaftlich geführten On-Off-Liebesbeziehung.