Häberli feiert Abschied als Estland-Coach «Vielleicht singe ich gegen die Nati beide Hymnen und vielleicht kommen Tränen» 

Michael Wegmann

3.6.2024

«Ich denke, das wird sehr emotional» – Häberli vor Spiel gegen die Schweiz

«Ich denke, das wird sehr emotional» – Häberli vor Spiel gegen die Schweiz

YB-Legende und Ex-FCL-Trainer Thomas Häberli (50) gibt am Dienstagabend in Luzern im Spiel gegen die Schweizer Nati seinen Abschied nach dreieinhalb Jahren als Nationaltrainer Estlands.

03.06.2024

Schweiz gegen Estland ist für einmal mehr als ein Testkick: Für Murat Yakin und die Nati ist es der zweitletzte Test vor dem EM-Auftakt. Für Thomas Häberli ist es der Abschied als Estland-Trainer. 

Michael Wegmann

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • YB-Legende und Ex-FCL-Trainer Thomas Häberli (50) gibt am Dienstagabend in Luzern im Spiel gegen die Schweizer Nati seinen Abschied nach dreieinhalb Jahren als Nationaltrainer Estlands.
  • Im Interview mit blue Sport verrät Häberli, weshalb er und seine Familie vorerst dennoch in Tallinn bleiben werden und warum er nach dreieinhalb Jahren noch immer nicht estnisch spricht.
  • Sein Abschiedsspiel werde sicher emotional, sagt er. «Ich weiss nicht, ob es Tränen geben wird und ob ich beide Hymnen singen werde.»

Thomas Häberli, bleiben Sie nach dem Schlusspfiff gerade in der Schweiz?

Thomas Häberli: Nein, geplant ist, dass ich am Mittwoch wieder zurück zu meiner Familie nach Tallinn fliege.

Haben Sie in Estland derart Wurzeln geschlagen, dass Sie und Ihre Familie in Tallinn wohnen bleiben?

Unser Haus in der Schweiz ist vermietet, die Kinder gehen in Tallinn zur Schule. Wir werden bleiben, bis wir sehen, wohin mein neuer Job mich verschlägt. Uns gefällt es gut hier, Tallinn ist eine super Stadt, die Leute sind freundlich und es ist sicher. Derzeit ist das Wetter sogar viel besser als in der Schweiz, wir haben seit zwei Wochen etwa 30 Grad hier und nur Sonnenschein.

Was vermissen Sie aus der Schweiz besonders?

Die Berge. Man kann in Estland dem schlechten Wetter oder dem Nebel nicht ausweichen. Zudem musste ich mich erst an die langen Nächte im Winter und die langen Tage im Sommer gewöhnen. Das Einzige, was uns aber über die ganze Zeit zu schaffen gemacht hat, ist die Sprache. Estnisch ist unglaublich kompliziert.

Sie sprechen auch nach dreieinhalb Jahren kein estnisch?

Ich verstehe ein wenig estnisch. Aber Sprechen? Nein. Die ganze Familie hat es nicht geschafft. Diese Sprache hat 14 Fälle und gehört zu den schwierigsten Sprachen der Welt. Wir hätten dafür wohl in einer estnischen Bubble leben müssen. Was wir aber nicht tun, die Kinder gehen auf eine internationale Schule, sprechen Englisch.

Zum Fussball. Warum hören Sie nach dem Spiel gegen die Schweiz auf?

Im Hinterkopf hatte ich immer das Playoff-Spiel gegen Polen, welches wir im Frühling hatten. Das war wichtig, um zu sehen, wie weit es gehen kann. Wie bekannt ist, haben wir die Qualifikation nicht geschafft. Ich denke, es ist wichtig und richtig, dass nun neue Energie kommt. Ich denke meine Ära, meine Zeit hier ist vorbei. Zudem glaube ich auch, dass mir persönlich etwas Neues auch guttut.

Sie gehen also im Guten?

Absolut. Wir haben immer offen miteinander kommuniziert. Mein Nachfolger sass gerade eben noch neben mir. Er ist für dieses Interview nur kurz rausgegangen. Ich war in meiner Zeit hier ja nicht nur Nati-Trainer, sondern habe beim Verband auch andere Aufgaben übernommen. Wir gehen sehr erwachsen miteinander um.

Ihre Statistik mit 10 Siegen, 7 Unentschieden und 18 Niederlagen als Nationaltrainer von Estland kann sich sehen lassen …

Ja. Wenn man wie wir viermal gegen Belgien, dreimal gegen Tschechien, gegen Argentinien, Schweden, Wales oder Österreich spielt, muss man als Estland mit Niederlagen umgehen und einfach auch akzeptieren, dass man mal ein, zwei Tore kassiert. Aber wir konnten mit zehn Siegen schöne Erfolge feiern, die nicht alltäglich sind.

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Alexander Hassenstein/Getty-POOL/dpa

Estland hat rund 1,4 Millionen Einwohner. Welchen Stellenwert nimmt der Fussball im Land ein?

Mittlerweile einen grossen. Wir haben zuletzt viel in die Infrastruktur investiert und Fussballhallen gebaut wie in Island. Sie müssen wissen, dass die Nationalsportarten hier im Baltikum nicht natürlich gewachsen sind. Zur Zeit der russischen Okkupation haben die Russen bestimmt, welche Sportarten in welchen Ländern ausgeübt werden. Deshalb spielt man zum Beispiel in Lettland Eishockey und in Estland nicht. Die Russen haben damals bestimmt, dass wir in Estland Langlauf betreiben sollen.

Was kann man von Estland in Ihrem Abschiedsspiel erwarten?

Partien gegen Mannschaften vom Kaliber der Schweiz sind für uns immer schwierig. Die Schweizer sind stark, egal, welche Spieler auf dem Platz stehen. Bei uns werden einige Spieler fehlen, da unsere Meisterschaft noch läuft. Ich kann aber versprechen, dass die Spieler, die in Luzern auf dem Platz stehen werden, ihr Bestes geben und unsere Haut so teuer wie möglich verkaufen werden. Diese Partie wurde bereits abgemacht, bevor wir das Playoff bestritten haben.

Estland-Coach Häberli muss gegen die Schweiz auf einige Akteure verzichten

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Werden Sie gegen die Nati hinten reinstehen?

Selbstverständlich versuchen wir anzugreifen. Aber wenn der Druck und die Qualität der Schweiz zu gross wird, sind wir irgendwann gezwungen, unser Goal zu verteidigen und zu kontern. Unser Ziel ist: Wenn wir den Ball haben, dass wir ihn möglichst lange halten. Das sind unsere Möglichkeiten gegen Teams, die so stark sind wie die Schweiz.

Für Sie persönlich dürfte es am Dienstabend sehr emotional werden. Werden Ihnen Tränen kommen?

Vielleicht, ich weiss es nicht. Aber ich denke, dass es sehr emotional wird. Mein Abschiedsspiel von der estnischen Nati gegen die Schweizer Nati und dann noch in Luzern, wo ich vor meinem Estland-Engagement Trainer war, wo ich viele Leute kenne. Das wird sehr speziell, ich freue mich sehr. Bereits die Hymne wird speziell.

Werden Sie diese mitsingen?

Die ersten beiden Strophen der estnischen Hymne habe ich auswendig gelernt. Wenn ich von meinen Spielern verlange, dass sie mitsingen, dann tu’ ich das auch. Michi Müller, mein Schweizer Kollege und Fitness-Coach, hat nun gemeint, dass wir für einmal die beiden Hymnen mitsingen sollten oder gar keine. Mal schauen, wie es dann kommt.

Und dann gehen Sie nach dem Spiel mit der Schweizer Delegation Essen?

Nein (lacht). Ich habe die Kollegen vom Schweizer Verband bei den Auslosungen schon oft gesehen, es war immer angenehm. Aber ich konzentriere mich auf meine Aufgaben auf dem Platz.

Haben Sie schon eine Ahnung, wie es danach beruflich für Sie weitergeht?

Es kann, muss aber nicht unbedingt ein Trainerjob in der Schweiz sein. Meine Familie und ich sind offen und gespannt, wohin es uns verschlägt. Wir freuen uns auf die Zukunft. Und diese beginnt am Dienstagabend nach Schlusspfiff.

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