Ruben Vargas ist beim 2:0 gegen Italien an beiden Toren der Schweiz beteiligt. Und Trainer Murat Yakin kann ein weiteres Mal konstatieren, dass seine Taktik perfekt aufgegangen ist.
Ruben Vargas ist offensichtlich ein exzellenter Zuhörer. Und wenn ihm sein Captain Granit Xhaka etwas sagt, beherzigt es der 25-Jährige umso mehr. Wie in der Pause des EM-Achtelfinals gegen Italien. Es wäre gut, wenn er ein Tor schiessen würde, meint Xhaka da im Bauch des altehrwürdigen Olympiastadions von Berlin zu Vargas. Und als in der zweiten Halbzeit noch keine Minute verstrichen ist, Vargas den Ball am Strafraum von Michel Aebischer erhält und Xhaka in seinem Rücken ruft: «Schiess», tut der Luzerner genau das. Und jubelt Sekunden später nach einem wunderbaren Schlenzer über sein achtes Tor im Trikot des Nationalteams.
Yakins Fokus aufs Team
Vargas sitzt auf dem Podium im riesigen Presseraum im Untergrund des Stadions, als er die Episode mit Xhaka erzählt. «Ist ja noch lustig», sagt er, und schmunzelt. Vargas hat in diesem Moment gut lachen. Beim 2:0 gegen Italien ist er nicht nur Torschütze, sondern auch Vorbereiter. Remo Freuler setzte er vor dem 1:0 perfekt ein im Strafraum. Entsprechend ist der Offensivakteur des FC Augsburg der «Man of the Match».
Wobei es diesem Schweizer Team nicht gerecht werden würde, einen einzelnen Spieler aus dem Kollektiv hervorzuheben. Das ist auch Trainer Murat Yakin wichtig, als er kurz zuvor in Vargas' Stuhl sitzt. «Diese Mannschaft zelebriert den Fussball», sagt er einmal. Oder: «Die Stimmung in diesem Team ist so gut – das spürt und sieht man auch auf dem Platz.»
Zufriedenheit statt Genugtuung
Yakin hätte bei diesem Turnier schon mehrmals die Möglichkeit gehabt, mit einem Gefühl der Genugtuung vor die Medien zu treten. Nach dem ersten Sieg gegen die Ungarn, beispielsweise, als seine Nominationen von Michel Aebischer und Kwadwo Duah erst für Stirnrunzeln sorgte. Nach dem 1:1 gegen Schottland, als er mit Xherdan Shaqiri den späteren Torschützen in die Mannschaft beorderte, oder eben nach diesem 2:0 gegen Italien, als er aufgrund der Sperre von Silvan Widmer auf der rechten Seite wieder zu Umstellungen gezwungen war. Fabian Rieder und Dan Ndoye diese Aufgabe aber gut lösten.
Aber der Nationaltrainer ist im Erfolg nicht darauf aus, mit dem Finger auf Kritiker zu zeigen und sie eines Besseren zu belehren. «Es geht nicht um Genugtuung.», sagt er. «Ich spüre eine Zufriedenheit. Und solche Momente muss man geniessen.» Der 49-Jährige weiss, dass die Resultate dieser Europameisterschaft längst wieder für ihn sprechen. Dass alle die, die noch vor dem Ende der Qualifikation eifrig darüber spekuliert hatten, ob Yakin noch vor der Endrunde ersetzt werden müsste, mittlerweile eine dünne Argumentationslage haben.
Flexible Aussenpositionen
«Das System funktioniert», sagt Yakin, und führt aus, dass auf den Aussenpositionen nicht zwingend gelernte Aussenverteidiger auflaufen müssten, sondern eben auch mal Ndoye oder Rieder dort agieren könnten. «Es kommt immer auch auf den Gegner an, wer am besten passt.» Der nächste Gegner wird entweder England oder Slowakei heissen. Und dann?
Sowohl Vargas als auch Yakin werden mehrmals gefragt, wie weit es diesem Schweizer Team denn reichen könne. Yakin sagt: «Wir müssen auf dem Boden bleiben. In einem Spiel kann so viel passieren. Aber unsere Reise ist noch nicht fertig.» Und Vargas meint: «Wir wollen noch viel weiter kommen.»
Haben sie einen viel zitierten Ratschlag von Granit Xhaka beherzigt, haben sie ihre Koffer sowieso bis zum Final gepackt.
SDA (Text), Manu Rothmund und Ronja Zeller (Videos)