Silvere Ganvoula verhilft den Young Boys mit seinem Tor zum 1:1 bei Sporting Lissabon zu einem Achtungserfolg. Der Kongolese ärgert mit seinem Verhalten aber auch Trainer und Mitspieler.
Als im Estádio José Alvalade XXI von Lissabon am Donnerstag die 82. Minute läuft, kombinieren sich die Young Boys für einmal gefällig vor das gegnerische Tor. Viele solcher Kombinationen haben die Berner in diesem Rückspiel der Sechzehntelfinals der Europa League gegen Sporting Lissabon bis dahin nicht gezeigt. Diesmal aber kommt Silvere Ganvoula auf der linken Seite zum Abschluss, und weil der Versuch des eingewechselten Kongolesen von Sportings Marcus Edwards mit dem Arm geblockt wird, entscheidet Schiedsrichter Ivan Kruzliak auf Penalty für YB.
Wenig später verwertet Ganvoula souverän zum Ausgleich. Dass die Young Boys trotzdem aus dem zweithöchsten europäischen Wettbewerb ausscheiden werden, ist zu diesem Zeitpunkt auch kühnsten gelb-schwarzen Optimisten bewusst. Dennoch liefern dieses Tor und dieses 1:1 gegen eine der formstärksten Mannschaften Europas ein Erfolgserlebnis, das bei YB-Trainer Raphael Wicky ein «gutes Gefühl» hinterlässt. Einerseits.
«Keine schöne Sache»
Andererseits eröffnet sich im Zusammenhang mit Ganvoulas Penalty eine Baustelle für den 46-Jährigen, die ihn im ersten Moment nur kopfschüttelnd an der Seitenlinie stehen lässt: Als sich der Stürmer den Ball schnappt und auf dem Penaltypunkt platziert, diskutiert er intensiv mit Darian Males. Später geht Captain Fabian Lustenberger zu Ganvoula hin und dreht sich dann sichtlich genervt ab.
Wicky erklärt den Hintergrund der Diskussionen: «Es ist relativ einfach. Ich erstelle eine Liste mit drei Spielern, die anlaufen sollen, wenn wir einen Penalty zugesprochen erhalten. Darian war auf dieser Liste drauf, Silvere nicht.» Ergo wollte Wicky, dass Males anstelle von Ganvoula zum Penalty antritt. «Ich bin froh, hat er getroffen, aber es ist keine schöne Sache, wenn sich ein Spieler über die Mannschaft stellt.» Und: «Es gibt Regeln und es ist klar, dass ich erwarte, dass sich alle daran halten.»
Ganvoulas Entschuldigung
Es ist eine Episode, die aufhorchen lässt. Weil sie Dinge offenbart, die eigentlich nicht an die Öffentlichkeit sollten. Die Young Boys treten gerne als geschlossene Einheit auf, als Gruppe, in der alle füreinander durchs Feuer gehen würden, in der sich alle gegenseitig pushen und ein Tor des Teamkollegen einen genauso freut wie ein eigenes Erfolgserlebnis. Dieser Teamgeist und das funktionierende Teamgefüge waren wichtige Bestandteile auf dem Weg zu den Titeln, welche YB unter Adi Hütter, Gerardo Seoane und in der letzten Saison unter Raphael Wicky gewinnen konnte.
Vorkommnisse wie jene mit Ganvoula lassen erahnen, dass es um diese zwischenmenschlichen Faktoren im Team der Young Boys schon besser bestellt gewesen sein dürfte. Was aufgrund der Dynamik und der Wechsel ein Stück weit erklärbar ist, aber dennoch nicht ausser Acht gelassen werden darf. Gegenüber «Blick» entschuldigt sich Ganvoula noch am Donnerstag bei seinem Team und meint, er hätte sich anders verhalten müssen. Aber die Emotionen seien auch Teil des Spiels.
Sandro Lauper ist bemüht, dem Verhalten seines Teamkollegen nicht zu viel Bedeutung beizumessen. Der Mittelfeldspieler sagt: «Es passiert sehr selten, dass solche Regeln nicht eingehalten werden. Wir müssen es jetzt nicht grösser machen, als es ist. Silvere würde sich im Nachhinein sicher anders entscheiden und Darian schiessen lassen.» Auch der 27-jährige Konolfinger wäre auf Wickys Liste gestanden, zum Zeitpunkt des Penaltys war Lauper aber bereits ausgewechselt worden. Der Dritte im Bunde der potenziellen Penaltyschützen dürfte Stürmer Cedric Itten sein. Auch er hatte seinen Arbeitstag bereits beendet.
Lustenbergers Lernprozess
«Solche Dinge passieren in den Emotionen», sagt Fabian Lustenberger. «Wir werden das intern ansprechen.» Der Captain wirkt nach seinem potenziell letzten Europacup-Auftritt als Profifussballer leicht angesäuert. Eigentlich spricht er lieber über das ganze Spiel gegen Sporting und sagt, dass die Portugiesen verdient weitergekommen seien und den Young Boys die Grenzen aufgezeigt hätten. Und er erwähnt den Lernprozess, den YB durchmachen müsse, damit es beim nächsten Auftritt auf europäischer Bühne besser gewappnet sei.
Stattdessen muss er versuchen, die Spannungen im Berner Teamgefüge zu entkräften. Am Freitagmorgen reiste die Delegation zurück nach Bern, am Sonntag steht bereits der Spitzenkampf im Wankdorf gegen Servette an. Der Spielplan bleibt eng getaktet, auch wenn aus der Dreifachbelastung für YB nun nach dem Ausscheiden in der Europa League eine Doppelbelastung aus Meisterschaft und Cup wird. Auch deshalb will sich Lustenberger nicht ewig mit Listen und Regeln aufhalten. Er sagt: «Das Tagesgeschäft wartet. Wir haben gar keine Zeit, über solche Sachen lange zu diskutieren.»
sda