Die Schweiz steigt am Samstag mit einer erfahrenen Mannschaft in die Eishockey-WM in Riga. Aber trotzdem stehen sieben WM-Neulinge im 28-köpfigen Aufgebot. «blue Sport» stellt sie vor.
Melvin Nyffeler (26, Goalie, Rapperswil-Jona Lakers)
Der Zürcher hat sich sein Aufgebot als Goalie Nummer 3 hinter Leonardo Genoni und Reto Berra mehr als verdient. Mit grandiosen Leistungen war er der Baumeister des Playoff-Halbfinal-Wunders der Rapperswil-Jona Lakers. Bereits als 18-Jähriger debütierte Nyffeler bei seinem Stammclub ZSC Lions in der damaligen NLA. Und stellte mit zwei Shutouts zum Start sogleich einen neuen Debütanten-Rekord auf. Ganz so gut bekamen ihm die vielen Lobeshymnen indes nicht. Nyffeler war ungeduldig, wollte im Schnellzug weiter nach oben und wechselte 2014 zu Fribourg, was im Nachhinein eine schlechte Idee war.
Nach einer enttäuschenden Saison war die Zusammenarbeit nämlich bereits wieder beendet und der Zürcher musste zwei Schritte zurück machen, bei den Rapperswil-Jona Lakers in die NLB nochmals die Reset-Taste drücken. Mit den St. Gallern stieg er auf und wurde zu ihrem wichtigsten Einzelspieler. Seine Sturm-und-Drang-Phase ist der Reife gewichen, Nyffeler hat sich zu einem der Top-Goalies in der Liga entwickelt. In der letzten Saison machte er seine ersten drei Länderspiele und nun also das WM-Aufgebot als neuer Karriere-Höhepunkt.
Santeri Alatalo (31, Verteidiger, Zug)
Im fortgeschrittenen Hockey-Alter von 31 Jahren gab er am vergangenen Wochenende sein Debüt in der Nationalmannschaft und kommt nun nach zwei Länderspielen sogleich zur WM-Premiere. Dass Alatalo ein Spätberufener ist, liegt daran, dass der gebürtige Finne erst seit März 2020 den Schweizer Pass besitzt. Nati-Direktor Lars Weibel und Nati-Trainer Patrick Fischer taten 2019 ihr Interesse an ihm kund und ermunterten ihn dazu, das Einbürgerungsprozedere auf sich zu nehmen. Wäre die Heim-WM in Zürich und Lausanne vor einem Jahr nicht abgesagt worden, hätte der Verteidiger womöglich bereits damals debütiert. So aber musste er sich noch gedulden.
Der in Tampere geborene Santeri Alatalo unternahm in der Schweiz seine ersten Hockey-Gehversuche, als sein Vater Matti Alatalo Assistenztrainer beim ZSC war. Später setzte er seine Hockey-Karriere in Finnland fort und gehörte auch den finnischen Junioren-Nationalteams an. 2012 kehrte er in die Schweiz zurück, heuerte beim HC Davos an, wechselte in der darauffolgenden Saison jedoch zu Zug und entwickelte sich in der Zentralschweiz zu einem der besten Verteidiger in der Liga. Den bisherigen Karriere-Höhepunkt erlebte der perfekt Schweizerdeutsch sprechende Alatalo vor knapp zwei Wochen mit dem ersten Meistertitel, nun folgt mit der WM-Teilnahme das nächste Highlight. Nach der Rückkehr aus Lettland heisst es für ihn dann umziehen – für die nächsten vier Jahre hat er sich an den HC Lugano gebunden.
Tobias Geisser (22, Verteidiger, Zug)
In Engelberg gedeihen üblicherweise Skistars wie Dominique oder Michelle Gisin oder auch Freestyler Fabian Bösch und Biathletin Lena Häcki. Doch nun stellt Engelberg auch einen Eishockey-WM-Spieler, dessen nächster Schritt dann eine NHL-Karriere sein könnte. Denn nichts weniger als sich in der besten Liga der Welt durchzusetzen und in dieser nach Möglichkeit auch noch den Stanley Cup zu gewinnen, ist das Ziel des jungen Obwaldners.
Lanciert hat Geisser seine hoffnungsvolle Karriere beim heimischen EHC Engelberg-Titlis, via SC Luzern fand er schliesslich den Weg in den Nachwuchs des EV Zug, wo der Klosterdörfler schon als 17-Jähriger in der NLA debütierte. Ein Jahr später wurde er in der vierten Runde von den Washington Capitals gedraftet, es folgte der erste Abstecher nach Nordamerika (AHL), ehe er zur Weiterbildung nach Zug ausgeliehen wurde. Ein weiser Entscheid: Denn in dieser Saison hat sich Geisser vom Talent zum Topverteidiger entwickelt. Im Zuger Meisterteam erhielt er viel Verantwortung und zahlte dieses Vertrauen mit erstklassigen Leistungen zurück. Bärenstark trat der Zentralschweizer auch in den zwei Länderspielen vom letzten Wochenende gegen Lettland auf. Das erste WM-Aufgebot ist daher der logische nächste Schritt auf der Karriere-Leiter.
Fabian Heldner (24, Verteidiger, Lausanne)
Der kräftige Defensivspezialist ist das beste Beispiel dafür, dass sich Beharrlichkeit lohnt. Früh zog der in Eyholz geborene Heldner aus dem heimischen Wallis aus. Mit 18 wechselte er vom EHC Visp zum HC Davos und Trainer Arno Del Curto fand von Anfang an Gefallen an ihm, stellte ihm zumeist mit Beat Forster einen routinierten Lehrmeister an die Seite. Heldner wusste zu überzeugen. Später musste er aber auch mit Rückschlägen umgehen. Etwa in der Saison 2018/19, als der HCD am Tabellenende herumturnte, Heldner die Saison mit einer desaströsen persönlichen -14-Bilanz abschloss, in seinen Aktionen schwerfällig wirkte und oft das richtige Timing vermissen liess.
Für seine persönliche Entwicklung tat es dem Oberwalliser gut, dass er den HCD verliess und vor zwei Jahren zu Lausanne wechselte. Die aktuelle Saison war seine mit Abstand beste. Körperlich konnte es Heldner schon immer mit allen aufnehmen, doch inzwischen sorgt er auch mit seiner sauberen Verteidigungsarbeit und seiner guten Spieleröffnung für Ruhe vor dem eigenen Tor. Vor vier Jahren absolvierte Heldner bei der Nati seine ersten Schnuppereinsätze, nun ist er auf dem WM-Level angelangt.
Jonas Siegenthaler (24, Verteidiger, New Jersey Devils)
Er hat immerhin schon 112 NHL-Spiele auf dem Buckel, aber in der Schweiz fliegt er noch immer ein wenig unter dem Radar. Das mag daran liegen, dass der Zürcher als 20-Jähriger nach Nordamerika auszog und bislang auch erst drei Länderspiele für die Nationalmannschaft bestritten hat. In den kommenden zweieinhalb Wochen soll sich das ändern, erstmals vertritt Siegenthaler die Schweiz in Riga an einer A-Weltmeisterschaft.
Siegenthaler ist als Sohn eines Schweizers und einer Thailänderin in Zürich Affoltern aufgewachsen und spielte bei den ZSC Lions, ehe er sich anschickte, die NHL zu erobern. 2018 debütierte er schliesslich bei den Washington Capitals, die ihn drei Jahre zuvor in der zweiten Runde auch gedraftet hatten, in der besten Liga der Welt. In der aktuellen Saison verlor der Zürcher bei den Capitals jedoch seinen Stammplatz, den er sich im Vorjahr erkämpft hatte. Zum Ausweg wurde ein Wechsel zu den New Jersey Devils, bei denen er nun nicht nur der Teamkollege von Nico Hischier ist, sondern auch dessen WG-Partner. Nun will die Schweizer Devils-WG mithelfen, die Nati an der WM in Riga zu Höhenflügen zu führen.
Killian Mottet (30, Stürmer, Fribourg)
Der Freiburger kann seine überragende Saison mit seiner ersten WM-Teilnahme krönen. Grandiose 48 Skorerpunkte (23 Tore, 25 Assists) hat der Stürmer eingespielt, nun soll er mit seinem Torinstinkt auch für die Nati zur Option im Offensivspiel werden.
Mottet musste in seiner Karriere einige Umwege gehen, ehe er die WM-Stufe erklimmen konnte. Auf Junioren-Ebene schaffte er dies beispielsweise nie und sein erstes Betätigungsfeld im Erwachsenen-Hockey war während drei Jahren die NLB. Als Mottet dann als 22-Jähriger bei Ajoie 60 Skorerpunkte hinbretterte, holte ihn Fribourg zurück. Der Romand entwickelte sich auch eine Stufe höher zum beständigen Skorer und Teamleader. Und nun, fünf Jahre nach seinem ersten Länderspiel, hält Killian Mottet als 30-Jähriger doch tatsächlich erstmals ein WM-Ticket in seinen Händen.
Dario Simion (26, Stürmer, Zug)
«Dieser Simion, das ist ein NHL-Spieler», sagte Marc Crawford vor rund fünf Jahren nach einem Spiel gegen den HC Davos schwer beeindruckt. Crawford war damals Trainer der ZSC Lions, abgesehen von seinem Engagement in der Schweiz war aber stets die NHL seine berufliche Heimat. Er müsste das Potenzial von Spielern daher eigentlich beurteilen können. Nun, ein NHL-Spieler ist Dario Simion bis heute nicht geworden, aber der Tessiner hat soeben eine phantastische Saison gespielt und wesentlichen Anteil daran, dass der EV Zug seinen zweiten Meistertitel feiern konnte.
Das Potenzial von Simion war schon immer gross. Bereits als er mit 17 Jahren beim HC Lugano – als Junior lief er von Ambri zum Kantonsrivalen über – in der NLA debütierte. Nur fehlte es ihm lange an der Konstanz. Doch diese ist inzwischen, in seiner mittlerweile dritten Saison in Zug, seine grosse Stärke geworden. Dass er nun auch gedenkt, der Nati seinen Stempel aufzudrücken, bewies der Stürmer in den beiden Testländerspielen am Wochenende gegen Lettland eindrücklich. Drei der fünf Schweizer Tore erzielte Dario Simon und harmonierte mit seinen Linienpartnern Gregory Hofmann und Enzo Corvi prächtig. Auf diese Formation darf man sich als Schweizer Fan besonders freuen. Und wer weiss, vielleicht bekommt dann ja Marc Crawford doch noch recht.
Sa 22.05. 19:00 - 21:50 ∙ SRF zwei ∙ LETT 2021 ∙ 170 Min
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