Verteidiger Giancarlo Chanton und Stürmer Nicolas Baechler geben am Karjala Cup in Helsinki ihr Debüt im Schweizer Nationalteam. Ein Portrait der beiden.
Es ist Sonntagabend, Nicolas Baechler ist nach dem Heimspiel mit den ZSC Lions gegen Bern im Auto auf dem Weg nach Hause. Deshalb kann er nicht reagieren, als das Telefon klingelt. Die Nummer kennt er nicht. «Zum Glück habe ich zurückgerufen», sagt er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA lachend. Es ist die Nummer von Nationaltrainer Patrick Fischer, der ihm mitteilt, dass er für den Karjala Cup aufgeboten ist. «Ich war ziemlich überrascht und fragte, ob er es ernst meine», erzählt Baechler.
Giancarlo Chanton kam beim Anruf von Fischer «etwas ins Schwitzen. Es war ein spezieller Moment, ein Traum ging in Erfüllung». Der Verteidiger feiert Ende November seinen 22. Geburtstag. Er hat einen Zwillingsbruder, mit dem er als Kind oft zusammen aufs Eis ging, da sie in der Nähe einer Eishalle wohnten. So entwickelte sich die Liebe zum Eishockey. Bereits mit 15 Jahren wechselte Chanton von Basel zu den SCL Tigers. Im Emmental lebte er zwei Jahre bei einer Gastfamilie. Heimweh verspürte er keines.
Lehrreiche Zeit in Kanada
2019 zog er nach Kanada und schloss sich dem Juniorenteam Niagara IceDogs an. «Ich brauchte eine Zeitlang, um mich einzuleben», blickt Chanton zurück. Erschwerend kam hinzu, dass die Mannschaft stark verjüngt worden war und mehrheitlich verlor. Mitte März wurde die Meisterschaft wegen Corona abgebrochen. Chanton erwischte den letzten Flieger und schaffte es noch nach Hause. Die darauffolgende Saison in der OHL wurde abgesagt, womit das Abenteuer in Nordamerika für ihn vorzeitig beendet war.
«Ich konnte sehr viel lernen», sagt Chanton. Beeindruckt hat ihn die Mentalität der Kanadier. «Im Training wird jeder Zweikampf geführt wie im Spiel. Die Intensität ist enorm.» Zudem fehle den Schweizern noch etwas die Selbstüberzeugung der Kanadier. «Wir könnten noch mehr Vertrauen haben in unser Können.»
2021 schloss sich der 1,88 m grosse Chanton dem Genève-Servette HC an. Die ersten zwei Saisons musste er bei den Genfern «unten durch», mittlerweile hat er sich etabliert und erhält mit einer durchschnittlichen Eiszeit von 15:25 Minuten viel Vertrauen. Wo sieht er bei sich das grösste Potenzial? «Ich möchte mir mehr Zeit auf dem Eis verschaffen, indem ich schneller und explosiver werde. Dann kann ich meine Ideen noch besser umsetzen. Auch an meinem offensiven Spiel muss ich noch arbeiten», sagt Chanton, der sich als «eher ruhigen Typ» beschreibt. Die NHL ist für ihn nach wie vor ein Ziel. Er sei aber keiner, der gerne weit vorausschaue. So will er zunächst am Karjala Cup eine gute Visitenkarte abgeben.
Baechler eher ein Spätzünder
Das gilt auch für den 21-jährigen Nicolas Baechler, der aus einer sehr sportlichen Familie stammt. Sein Vater spielte ebenfalls Eishockey, Onkel Matthias war unter anderem beim damaligen Zürcher SC tätig. Die Mutter gehörte zu den besten 15 Tennisspielerinnen der Schweiz. Nicolas Baechler wuchs denn auch polysportiv auf; neben Eishockey spielte er in Effretikon im Verein auch Fussball und Tennis. Die Leidenschaft auf dem Eis teilt er ebenfalls mit der zwei Jahre jüngeren Schwester Alessia, die mit den Lions dreimal den Meistertitel gewann und nun nach Davos weitergezogen ist. Die beiden lieferten sich einige Duelle, auch in der Wohnstube mit Mini-Sticks.
Nicolas Baechler schloss sich 2016 der Organisation der ZSC Lions an, seit dieser Saison ist er fixer Bestandteil der ersten Mannschaft. Er ist eher ein Spätzünder; er wurde erst bei der U20 erstmals für eine nationale Auswahl berücksichtigt. Dies hat auch damit zu tun, dass er noch im ersten Jahr U17 zu den kleineren Spielern gehörte. Nun ist er wie Chanton 1,88 m gross.
«Als ich zulegte, musste ich zuerst herausfinden, wie ich den Körper bestmöglich einsetzen kann», sagt der ebenfalls relativ ruhige Baechler. Mittlerweile gelingt ihm das ziemlich gut. «Ich kann schon unangenehm werden für die Gegner.» Eines seiner Ziele ist, in den Zweikämpfen zu den Topspielern der Liga zu gehören. Zu seinen Stärken gehört auch das Positionsspiel in der Defensive. Verbessern möchte er sich insbesondere in der Chancenauswertung.
Baechler konzentriert sich allerdings nicht nur auf das Eishockey. Kürzlich hat er ein Wirtschaftsstudium an der Fern-Uni Schweiz begonnen, das er flexibel gestalten kann. «Das ist ein guter Ausgleich.» Es tue gut, nicht nur an Eishockey zu denken. Aktuell gibt es für ihn aber nur das Nationalteam. Am Donnerstag trifft die Schweiz auf Gastgeber Finnland, ehe am Samstag und Sonntag Schweden respektive Tschechien die Gegner sind. Baechler will sich in Helsinki für weitere Aufgebot empfehlen. Die Nummer von Patrick Fischer kennt er nun ja.
sda