Valentina Maceri wird ab der kommenden Saison zusammen mit Roman Kilchsperger für blue Sport die Champions-League-Sendungen moderieren. Im Interview erzählt sie, mit welchen Vorurteilen sie zu kämpfen hatte und welches Erlebnis letztendlich dazu führte, Sportjournalistin zu werden.
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
- Die neue blue Sport-Moderation Valentina Maceri verrät im Interview …
- … weshalb ihre Eltern nicht wollten, dass sie beginnt, Fussball zu spielen.
- … warum sie sich entschied, mit 20 Jahren ihre Profikarriere zu beenden, obwohl sie Champions League spielte.
- … mit welchen Vorurteilen sie als Frau im Männerfussball zu kämpfen hat.
- … wie es um ihre Schweizerdeutsch-Kenntnisse steht.
Willkommen bei blue Sport, Valentina. Du wirst in der neuen Champions-League-Saison als Moderatorin zusammen mit Roman Kilchsperger durch die Sendungen führen. Erzähl uns in drei Sätzen, wer du bist.
Valentina Maceri: Ich bin die Tochter italienischer Gastronomen, die wider Erwarten Fussballspielerin wurde. Immer wenn ich Leuten erzähle, dass ich Fussballerin war, sagen die, dass ich ja gar nicht so aussehe. Dann habe ich die Seiten gewechselt, um den Männern mal zu zeigen, wie eine Frau, die gar nicht danach aussieht, in ihrer Welt mitreden und mitspielen kann.
Wie schwer war es, sich als Frau in der Männerdomäne Fussball durchzusetzen?
Anfangs war es nicht einfach. Ich war quasi ein Alien in dem Business. Jung, exotisch, nicht auf den Mund gefallen, weiblich. Hinzu kommt, dass alle Männer, mit denen ich beruflich zu tun habe, sehr erfolgreich sind, meist sehr gut verdienen und viel älter sind als ich. Heisst: Anfangs haben die mich nicht für voll genommen.
Das heisst?
Es waren sicher auch viele Männer dabei, die aus einer Zeit kommen, in der ein klassisches Rollenbild Normalität war. Sprich: Da trafen so viele Faktoren aufeinander, die eigentlich gegen eine Frau wie mich im Fussballbusiness sprachen, dass man zunächst grundsätzlich unterschätzt wurde. Und was noch schwieriger ist: dagegen anzukommen, ohne sich zu verstellen. Zudem komme ich aus einer Gastronomiefamilie, das widerspricht eigentlich auch dem klassischen Werdegang von vielen Journalisten, die entweder schon in eine Journalistenfamilie reingeboren wurden oder schon anderweitige Kontakte in dem Business hatten. Im Prinzip sprach vieles gegen mich im Sportjournalismus. Aber – here I am.
Gab es dabei Vorurteile, mit denen du kämpfen musstest?
Ja, viele. Tausende. Na klar. Ich glaube aber, dass das bei mir kein Alleinstellungsmerkmal ist. Sicherlich musste jede Frau, die in einem männerdominierten Beruf arbeitet, mit Vorurteilen und Gegenwind klarkommen. That’s part of the game. Es hat ja schon vor meiner beruflichen Karriere angefangen. Wenn ich den Leuten erzählt habe, dass ich Fussballerin bin, war deren Antwort prompt: «Ah, hätte ich ja gar nicht gedacht, du siehst gar nicht so aus.» Die Leute denken oft, weil man im Fussballbusiness arbeitet oder Fussballerin war, muss man – überspitzt formuliert – ungeschminkt in Jogging-Hosen und Turnschuhen auftreten. Natürlich ist das nicht so. Ich bin in allererster Linie Frau. Und dann rede ich halt über Fussball.
Wurdest du auch oft unterschätzt?
Ja, und ich finde es aber eigentlich auch ganz cool, unterschätzt zu werden. Ich spiele damit. Aber da muss man auch erst mal hinkommen. Anfangs nimmt man sich vieles sehr zu Herzen, und je erfolgreicher und selbstbewusster man wird, desto einfacher fällt es einem, damit spielerisch umzugehen.
Du hast den Nachteil also in einen Vorteil umgewandelt?
Wenn man das dann einmal geschafft hat, kann es auch ein Vorteil sein, eine Frau zu sein. Frauen sollen ja durchaus empathischer sein als Männer – das kommt einem in einem Interview natürlich zugute, weil es einer Frau einfacher fällt, sich in gewisse Gefühlslagen hineinzuversetzen. Und auch grundsätzlich ist die Gesprächsebene zwischen Mann und Frau und Mann und Mann doch unterschiedlich. Die Fachkompetenz muss natürlich die Basis sein – sowohl bei Mann als auch bei Frau. Aber wenn das gegeben ist, glaube ich, hat eine Frau bessere Karten bei der Gesprächsführung mit Männern.
Woher kommt deine Liebe zum Fussball?
Mein Cousin ist der Schuldige. Er ist vier Jahre älter als ich und unsere Eltern sind Gastronomen, also waren sie selten zu Hause. Da mein Cousin keinen Bruder hatte, mit dem er Fussball spielen konnte, hat er immer mich mitgenommen in den Hinterhof des Hauses. Er brauchte halt jemanden, den er ins Tor stellen kann. Gott sei Dank bin ich keine Torhüterin geworden, sondern Angreiferin – weil ich allem nachgeeifert habe, was mein Cousin gemacht hat. Er war mein Vorbild früher. Und so ist meine Liebe zum Fussball entstanden, zum Leidwesen meiner Eltern …
Deine Eltern wollten nicht, dass du Fussball spielst?
Vor über 20 Jahren war das für eine Frau überhaupt nicht gewöhnlich, Fussball zu spielen, und schon gar nicht für italienische Frauen. Meine Eltern hatten befürchtet, dass ich vom Fussballspielen krumme Beine bekommen könnte und es sich für ein Mädchen nicht gehöre. Deswegen waren sie eigentlich immer dagegen, dass ich Fussball spiele, aber meine Leidenschaft wurde immer grösser und ich hatte auch wirklich Talent, sodass mich ein Jugend-Trainer am Schulhof hat spielen sehen, auf mich zukam und fragte, ob ich in seinem Team spielen will. Damals war ich 10 Jahre alt. Er überzeugte meine Eltern, mich in einer Mädchenmannschaft spielen zu lassen, und so nahm alles seinen Lauf. Ein bisschen wie im Film «Bend it like Beckham».
Du hast es geschafft, dich als Profi durchgesetzt, Champions League gespielt. Und dann mit 20 Jahren deine Karriere beendet. Weshalb?
Als ich nach Italien gewechselt bin, hatte ich gerade mein Abitur frisch in der Tasche. Ich habe mir dann gesagt, ich gönne mir jetzt erst mal ein Jahr, indem ich nur Fussball spiele. Als Frau ist es aber nun so, dass du deinen Lebensunterhalt in den meisten Fällen nicht ausschliesslich durch Fussball verdienen kannst. Bei einem Top-Team der Liga kannst du mit dem Lohn gut leben. Aber es ist nicht so viel, dass du sagst, du kannst jetzt wie die Männer danach dein Leben sorgenfrei geniessen. Noch heute arbeitet ein Grossteil der Fussballerinnen in der Frauen-Bundesliga mindestens Teilzeit, damit sie sich ein normales Leben leisten können, obwohl sie Fussballprofis sind.
Du hast also keine Zukunft gesehen als Fussball-Profi?
Du musst dir schon Gedanken machen, was du als Frau willst. Es gab damals Spielerinnen in meinem Team in Verona, die hatten Traumkarrieren, denen ich nacheiferte. Erfolgreiche Spielerinnen auf höchstem Niveau, die um jeden Titel national und international mitspielten. Spielerinnen, die Welt- und Europameisterschaften bestritten und individuelle Auszeichnungen gewonnen haben. Mit 30, 35 Jahren aber wurde ihr Vertrag in Verona nicht verlängert. Und sie standen plötzlich mit nichts da. Ich habe das alles so hautnah mitbekommen und das hat mir die Augen geöffnet.
Du wolltest nicht das gleiche Schicksal erleiden?
Genau, ich hatte eine andere Vision von mir als Frau. Ich habe mich eher in der Rolle der Business-Frau vorgestellt in diesem Alter. Es war eigentlich das erste Mal in meinem Leben gewesen, dass ich mir ernsthaft über meine Zukunft Gedanken gemacht habe. Vorher war ich auf einer Sportschule. Ich war mit den Jugendnationalmannschaften unterwegs. Ich hatte überhaupt keine Zeit, mir um irgendetwas Gedanken zu machen, weil meine Tage zwischen Schule und Fussball so tight getaktet waren.
Wie bist du dann auf die Idee gekommen, die Seite zu wechseln?
Es hat mich immer gestört, dass ich zu dem Zeitpunkt Reporterinnen oder Reporter am Spielfeldrand gesehen habe, die Fragen gestellt haben, bei denen ich als Fussballerin gemerkt habe, dass diese Fragen einfach auswendig gelernt sind. Also habe ich gedacht, wie cool es eigentlich wäre, wenn es mal eine Frau gäbe, die wirklich Ahnung hat, die weiss, wie man in welchen Situationen als Fussballerin oder Fussballer tickt und die dann auch richtige Fragen stellen kann. Eine, die auch mitdiskutieren und dieses verstaubte Männerbusiness aufmischen kann.
Du hast einen Beschluss gefasst. Wie ging es weiter?
Ich habe mich gefragt, was ich eigentlich brauche, um Sportjournalistin zu werden. Fussball-Know-how habe ich, aber wie wird man Sportjournalistin, wie wird man Reporterin? Ich habe mich gründlich informiert und schliesslich beschlossen, Top oder Flop. Also habe ich angefangen zu studieren und nebenbei zu arbeiten, um mir mein Studium zu finanzieren – mit dem Ziel, Sportmoderatorin zu werden.
Hattest du damals Inspirationen?
Zu dem Zeitpunkt gab es zwei, zu denen ich immer noch aufschaue. Die eine ist Kate Abdo und die andere ist Esther Sedlaczek, die mittlerweile auch eine gute Bekannte von mir ist. Diese beiden finde ich richtig, richtig gut. Aber ich versuche nie jemanden zu kopieren, sondern ich fand einfach deren Gesamtbild, das sie als Frau und als Sportjournalistin repräsentiert haben, toll. Also habe ich auf meine Art und Weise versucht, genau den gleichen Weg zu gehen.
Deine Eltern besitzen ein Restaurant, bei dem du früher ausgeholfen hast. Inwiefern hat dich das geprägt?
Sehr, Kellnern ist die Schule fürs Leben, weil du da mit so vielen Situationen konfrontiert wirst, die dich eigentlich dein Leben lang begleiten. Du musst zum Beispiel mit super vielen unterschiedlichen Kunden umgehen können. Das heisst, du musst auch in gewissen Situationen, weil der Kunde ist ja König, versuchen, immer ruhig und freundlich zu bleiben, egal was passiert. Und der Stresspegel in einem vollen Restaurant, wenn man den übersteht, dann übersteht man jegliche stressige Situation im Leben. Ich habe auch allerhöchsten Respekt, wie meine Eltern das seit Jahrzehnten durchziehen. Das muss man schon lieben, wenn man diesen Job macht.
Jetzt kommen wir nicht um diese Frage rum: Welches ist dein Lieblingsmenü?
Also mein absolutes Lieblingsessen, aber nur wenn es gut gemacht ist, sind Spaghetti Pomodoro. Ganz einfach, mit ein bisschen Basilikum, frisch gemachte Pomodorini. Aber nicht mit den ganz dünnen Spaghetti, sondern mit den etwas dickeren Spaghettoni – lecker!
Wenn du nicht an deiner Karriere arbeitest – wie beschäftigst du dich?
Ich mache sehr viel Sport, noch immer. Von Pilates über Fitness-Boxing und Pole-Dance bis zu klassischem Personal Training für Bauch, Beine und Po. Ich gehe ab und zu auch joggen. Ich habe sogar mal einen Marathon bestritten – in Berlin, 2017 war es. Ich wollte es unbedingt schaffen, einmal in meinem Leben diese 42 km zu rennen. Eine unglaubliche Erfahrung – aber einmal und nie wieder. Ansonsten verbringe ich gerne viel Zeit mit meiner Familie und meinem Hund und habe die gleichen Interessen wie andere junge Frauen auch.
Du sprichst bereits fünf Sprachen. Wie sieht es mit Schweizerdeutsch aus?
Ich kann ja bald – hoffentlich in einem halben Jahr – noch hinzufügen, dass ich Schweizerdeutsch spreche. Aber bis dahin verstehe ich es zumindest. Ich glaube, es kommt sehr stark auch auf den Dialekt an oder auf die Region, wurde mir zumindest gesagt. Aber die Experten und das Team, das ich bei Blue kennengelernt habe, verstehe ich zum Glück alle.
Was kommt dir als Erstes in den Sinn, wenn du an den Schweizer Fussball denkst?
Überraschungstüte. Man kann die Schweizer nicht so gut einschätzen und deswegen, glaube ich, wird es für die Gegner von YB in der Königsklasse ganz schwierig, sich auf dieses Team vorzubereiten.