Union ist Bundesliga-Leader Urs Fischer wird in Berlin als «Zauberer» gefeiert, bleibt aber bescheiden

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12.9.2022

Urs Fischer zaubert Union Berlin an die Tabellenspitze.
Urs Fischer zaubert Union Berlin an die Tabellenspitze.
Keystone

Nach dem 1:0-Sieg in Köln grüsst Union Berlin von der Tabellenspitze. Während die Fans schon von der ganz grossen Sensation träumen, bleibt Urs Fischer wie gewohnt bescheiden.

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Die Spieler von Union Berlin lassen sich am Sonntag gebührend vor dem Gästeblock feiern. «Spitzenreiter, Spitzenreiter»- und «Deutscher Meister wird nur der FCU»-Gesänge stimmen die Union-Anhänger an, nachdem die Berliner in Köln mit 1:0 gewinnen konnten. Es ist bereits der vierte Sieg im sechsten Saisonspiel, dazu kommen zwei Remis – eines davon gegen Ligakrösus Bayern München. Nach dem sechsten Spieltag führt Union Berlin sensationell die Bundesliga an.

András Schäfer fordert nach dem historischen Sprung an die Tabellenspitze mit einem Zitat von Donald Trump ironisch den Abbruch der Saison. «Stop the count», twittert der Mittelfeldspieler am Sonntagabend. 

Die Freude ist riesig in Berlin, einige Fans werden sich die aktuelle Tabelle mit Sicherheit einrahmen. Doch einer drückt mal wieder stark auf die Euphoriebremse: Urs Fischer. «Die Fans dürfen feiern. Aber ich schaue das Ganze ein bisschen anders an», sagt der Schweizer nach dem Sieg in Köln. «Wenn ich auf die Tabelle sehe, freue ich mich vor allem über die 14 Punkte. Die helfen uns.»

Für den Zürcher ist klar, dass «noch schwierige englische Wochen auf uns warten». Nebst der Bundesliga ist Union in diesem Jahr ja auch international vertreten, am Donnerstag gab es in der Europa League zum Auftakt gegen Saint Gilloise eine 0:1-Niederlage. «Es wird sicher auch Phasen geben, die nicht so gut laufen. Wenn es um die Tabelle geht, bleibt es nach wie vor eine Momentaufnahme», sagt Fischer.

«Fischer ist der Zauberer von Urs!»

Von einer Momentaufnahme will der «Berliner Kurier» allerdings nichts wissen. «Beste Abwehr, zweitbester Angriff. Zwei absolute Ligaschwergewichte mit den Bayern und Leipzig bereits hinter sich, so sind die 14 Zähler umso formidabler. Unbezwingbares Union! Kein Zweifel möglich, Fischer ist der Zauberer von Urs!»

Die Zeitung lobt Fischer in den Himmel: «Er benutzt allein seinen Verstand und seine analytischen Fähigkeiten, um aus einem zusammengewürfelten Haufen von Fussballspielern aus aller Herren Ländern eine homogene Einheit zu formen.»

Die Union-Fans feiern ihre Mannschaft.
Die Union-Fans feiern ihre Mannschaft.
Getty Images

Von Momentaufnahmen könne längst nicht mehr die Rede sein. «Denn dieses Kunststück gelingt dem Zauberer zu Köpenick nunmehr seit über vier Jahren. Alle zwölf Monate muss er das immer wieder mit einem neuen Team machen. Stets steht er jeden Sommer vor einem Neuaufbau. Verzahnt das Alte mit dem Neuen! Und so ganz nebenbei wird auch von Spielzeit zu Spielzeit dabei die Qualität angehoben.»

Ein Höhepunkt jagt den nächsten

2019 brachte Fischer Union Berlin zurück in die Bundesliga und erlangte damals schon Heldenstatus in Deutschlands Hauptstadt. Dann führte der 56-Jährige die Eisernen in den Europacup – und jetzt, etwas mehr als drei Jahre nach dem Aufstieg, sogar an die Tabellenspitze. «Der Wahnsinn ist eigentlich kaum in Worte zu fassen. Ja, Wahnsinn! Schneidet die Tabelle aus. Schlagt die Trommeln und blast die Fanfaren. 13 Ligaspiele in Folge ungeschlagen», beschreibt es der «Berliner Kurier».

Und hört gar nicht auf, den Schweizer Coach zu huldigen: «Zauberermeister Fischer ist es zuzutrauen, dass er auch damit fertig werden würde, wenn Manager Oliver Ruhnert in einem Kaufrauschanfall einmal aus Versehen die ganze Truppe verscherbeln sollte und Fischer einen komplett neuen Kader um einen Löwen, eine Vogelscheuche und einen Blechmann hinstellt.»

Lob gibt es am Sonntag auch vom gegnerischen Trainer. «So gut wie sie in der ersten halben Stunde gespielt haben, habe ich lange keine Mannschaft hier spielen sehen», so Köln-Trainer Steffen Baumgart. «Sie sind viel weiter als wir. Wir waren in allen Belangen unterlegen. Dass sie Tabellenführer sind, ist überraschend. Die grundsätzliche Entwicklung aber nicht. Ein bisschen überraschend ist nur, wie gut die Abläufe funktionieren, obwohl es einen grossen Umbruch gab.»

Auch Kölns Trainer Steffen Baumgart ist voll des Lobes für die Arbeit von Urs Fischer.
Auch Kölns Trainer Steffen Baumgart ist voll des Lobes für die Arbeit von Urs Fischer.
Keystone

Auch wenn Fischer die Euphorie etwas zu bremsen versucht, stehen die Chancen nicht schlecht, dass Union Berlin auch in ein paar Wochen noch von der Tabellenspitze grüsst. Mit Wolfsburg, Frankfurt und Stuttgart warten durchaus lösbare Aufgaben auf die Eisernen. Zunächst ist aber wieder die Europa League an der Reihe. Da trifft Union am Donnerstag auswärts auf den SC Braga (live auf blue Sport).