Lasse ich mich impfen? Die Frage, die sich praktisch jeder Bürger während der Pandemie gestellt hat, hat Joshua Kimmich für sich erstmal mit Nein beantwortet. Das sorgt für heftige Debatten.
Der deutsche Nationalspieler Joshua Kimmich vom FC Bayern München hat mit seinen Aussagen zum Impfverzicht eine heftige Diskussion ausgelöst.
Die Debatte weitet sich inmitten stark steigender Infektionszahlen und angesichts einer gesellschaftlichen Vorbildfunktion Kimmichs über die Fussball-Bundesliga und den Sport hinaus aus. «Ja, das stimmt», sagte der 26-Jährige am Samstag nach dem 4:0-Erfolg gegen die TSG Hoffenheim auf die Frage des Sky-Reporters, ob er noch ungeimpft sei.
Er habe «persönlich noch ein paar Bedenken, gerade, was fehlende Langzeitstudien angeht», hielt Kimmich fest. Die «Bild» hatte zuvor berichtet, dass beim deutschen Rekordmeister fünf Profis nicht gegen Covid-19 geimpft seien, einer von ihnen sei Kimmich.
Immunologe: «Missverständnis» beim Thema Langzeitfolgen von Impfungen
«Was man bei Impfungen unter Langzeitfolgen versteht, sind Nebenwirkungen, die zwar innerhalb von wenigen Wochen nach der Impfung auftreten, die aber so selten sind, dass es manchmal Jahre braucht, bis man sie mit der Impfung in Zusammenhang gebracht hat», hält der Immunologe Carsten Watzl gegenüber der Deutschen Presse-Agentur fest.
Watzl verwies nun darauf, dass Nebenwirkungen einer Impfung immer innerhalb von wenigen Wochen nach der Impfung auftreten. «Danach ist die Immunreaktion abgeschlossen und der Impfstoff ist aus dem Körper verschwunden. Was offensichtlich viele Menschen unter Langzeitfolgen verstehen, nämlich dass ich heute geimpft werde und nächstes Jahr eine Nebenwirkung auftritt, das gibt es nicht, hat es noch nie gegeben und wird auch bei der Covid-19 Impfung nicht auftreten», erläuterte der Experte.
Aktuell fällt Bayern-Coach Julian Nagelsmann aufgrund einer Corona-Infektion aus. Der 34-Jährige ist aber vollständig geimpft und soll auf dem Weg zur Besserung sein.
Thomas Müller: ein schmaler Grat
«Die Diskussion gibt es ja im ganzen Land, das ist ja unabhängig von Personalien und wie die Menschen heissen, die geimpft oder ungeimpft sind», sagte Teamkollege Thomas Müller. Die wissenschaftliche und auch seine Meinung sei, dass «das Impfen besser wäre», so der 32-Jährige. Es sei ein schmaler Grat und auch eine «ethische, eine moralische Diskussion», sagte der Münchner Nationalspieler und betonte: «Ich bin Impffreund und hoffe, dass die Spieler, die jetzt noch nicht geimpft sind, sich das vielleicht anders überlegen.»
Öffentlich sorgt der Impfverzicht Kimmichs nicht nur im Lichte der von ihm und seinem Nationalmannschafts- und Bayern-Kollegen Leon Goretzka ins Leben gerufenen Aktion «We Kick Corona» (#wekickcorona), mit der sie Spenden für soziale Einrichtungen sammeln, für Erstaunen. Gegründet wurde die Hilfs-Vereinigung allerdings auch weit vor den ersten Impfungen.
«Bei «We Kick Corona» ging’s ja darum, karitative Einrichtungen und gemeinnützige Zwecke zu unterstützen, die Personen unterstützen, die durch Corona in Not geraten sind. Wir haben ja auch an die Unicef Geld gespendet, die dann Impfstoff zur Verfügung stellen», führte Kimmich bei Sky aus. «Da geht es ja darum, dass es Länder gibt, die keinen Zugang zum Impfstoff haben. Ich denke, jeder sollte für sich die Entscheidung treffen.»
Strenge Corona-Auflagen für Zuschauer
Auch die Tatsache, dass Zuschauer nur unter strengen Corona-Auflagen in die Bundesliga-Stadien dürfen, dass die Bayern ihren Spielern eine Impfung empfehlen oder dass in anderen Sportarten wie der nordamerikanischen Basketball-Profiliga NBA ungeimpfte Sportler in bestimmten Städten nicht am Trainings- und Spielbetrieb teilnehmen dürfen, befeuert die kontroverse Debatte.
«Der FC Bayern empfiehlt, sich impfen zu lassen, genauso wie ich persönlich, um unter anderem vielleicht allen ein normaleres Leben zu ermöglichen», sagte Sportvorstand Hasan Salihamidzic über den Rat des Vereins. Aber weil es in Deutschland keine Impfpflicht gebe, habe der Verein «die Empfehlung ausgesprochen und jeder darf das selber entscheiden».
Der langjährige Münchner Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge meinte: «Ich bin überzeugt, das hat er ja auch angekündigt, dass er möglicherweise zeitnah sich jetzt impfen lässt.Als Vorbild, aber auch als Fakt wäre es besser, er wäre geimpft.»
Er finde es schade, dass es in der Auseinandersetzung mit der Thematik «nur noch geimpft oder nicht geimpft» gebe, so Kimmich bei seiner Positionierung am Sky-Mikrofon. «Und nicht geimpft bedeutet dann oftmals gleich, dass man Corona-Leugner oder Impfgegner ist. Aber ich glaube, es gibt auch ein paar andere Menschen zu Hause, die einfach ein paar Bedenken haben, was auch immer die für Gründe haben. Und ich finde, auch das sollte man respektieren. Vor allem, so lange man sich an die Massnahmen hält», sagte Kimmich.
Er sage nicht kategorisch, dass er sich «überhaupt nicht impfen lasse». Es sei «auch sehr gut möglich, dass ich mich in Zukunft impfen lasse», betonte Kimmich. Für den Moment jedoch bietet das hochemotionale Thema Gesprächsstoff.
dpa