Martin Hinteregger hat genug vom Fussball. Von einem Business, in das der Österreicher nie wirklich gepasst hat, was wiederum seine Popularität ausmachte. Ein Kommentar zu einem Fussballer, den wir noch als «richtigen Typen» bezeichnen konnten.
Mit nur 29 Jahren tritt Martin Hinteregger zurück. Der österreichische Fussballer beendet seine Karriere, obwohl er in Frankfurt noch einen Vertrag bis 2024 hatte. Mit ihm tritt ein Fussballer ab, von dem es nicht mehr viele gibt. Ein Mann, mit Ecken und Kanten. Einer, als hätten ihn die 1980er-Jahre in die Zukunft geschickt, um den modernen, maroden Vorzeige-Fussball aufzumischen. Einer, der die aalglatten Fussballprofis auch mal der Grätsche willen umgesäbelt hat.
Ja, dieser Martin Hinteregger war einer der wenigen Fussballer, die am Stammtisch noch mit gutem Gewissen als «richtiger Typ» bezeichnet werden konnte. Einer, bei dessen Interviews auch ein Mario Basler zuschauen konnte, ohne gleich Würgereiz zu bekommen, weil er nicht immer die gleichen Medienschulungs-Sätze von sich gab.
Die Spielweise des Innenverteidigers war simpel: Kompromisslos, beinhart, ohne Rücksicht auf Verluste. «Mann oder Ball», diese Floskel, die Amateurtrainer inflationär verwenden, sie könnte als Wandtattoo in Hintereggers Wohnzimmer hängen. Wobei es bei ihm oftmals tatsächlich darauf hinausgelaufen ist, dass dann halt der Mann abgeräumt wurde. 79 Gelbe Karten in seiner Karriere zeugen davon.
In Augsburg brannte der Baum
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So wie sich Hinteregger auf dem Feld verhalten hat, so war er auch neben dem Platz. Ein ehrlicher Arbeiter, nicht mit der feinen Klinge ausgestattet und ganz bestimmt nicht fehlerfrei. Und genau das machte ihn so beliebt. Ein Mann vom Volk, nicht sonderlich begabt, weder mit dem Ball am Fuss noch mit seinen Aussagen im Interview.
In der Hinrunde der Saison 2018/19 spielte Hinteregger noch für Augsburg. Nach einer Niederlage hielt er sich mit Kritik an Trainer Manuel Baum allerdings nicht zurück und sagte im Interview nach der Partie: «Ich kann nichts Positives über ihn sagen und werde auch nichts Negatives sagen», und ergänzte: «Ich weiss selber nicht so genau, was heute unsere Taktik war.»
Augsburg suspendierte Hinteregger und verdonnerte ihn zu einer hohen Geldstrafe und Einzeltraining. Im darauf folgenden Transferfenster wechselte der Österreicher zu Eintracht Frankfurt und wurde dort zum absoluten Publikumsliebling.
Die Bilder, wie er im Mai 2019 von den eigenen Fans getröstet wurde, gingen um die Welt. Hinteregger hatte im Halbfinale der Europa-League gegen Chelsea den Finaleinzug auf dem Fuss, verschoss seinen Penalty allerdings. Frankfurt schied aus.
Nur ein bisschen gekloppt
Für Tiefpunkte sorgte Hinteregger während seiner Eintracht-Zeit aber gerne auch mal abseits des Feldes. Als sich rund um die Bundesliga-Partie zwischen Frankfurt und Leverkusen die Fans verprügeln, meint er im Interview nach der Partie: «Die haben sich wahrscheinlich ausgeredet und ein bisschen gekloppt. Wenn es beide gewollt haben, ist es ja okay. Passiert ja öfter, gehört auch irgendwie zum Fussball, oder? Ihr könnt wieder über was berichten, die haben Spass beim Kämpfen, wir müssen Interviews dazu beantworten und jeder hat etwas davon. Ist ja nichts Schlimmes.»
Seine Aussagen sorgten zwar vielerorts für Empörung, bei den meisten Fans macht es den Verteidiger aber nur noch beliebter. Nahbar machte Hinteregger auch die Tatsache, dass er gerne mal feierte. So zum Beispiel als er mit der österreichischen Nationalmannschaft Lettland mit 6:0 besiegte und dann in Flachau bis in die frühen Morgenstunden seinen 27. Geburtstag feierte. Zapfenstreich wäre um 21.30 Uhr gewesen. Als Konsequenz musste Hinteregger beim nächsten Spiel zuschauen.
Dass er durchaus auch mal einen über den Durst trank, zeigten auch Filmaufnahmen, auf denen zu sehen ist, wie Hinteregger an einem Dorffest in Österreich durch die Gegend torkelt. Der Mann, der selbst kaum auf Social Media aktiv ist, erklärte dazu: «Früher musstest du als Profi nicht so sehr aufpassen, was du machst oder was du sagst. Da schwebt heute eine gewisse Unsicherheit oder sogar Angst mit.»
Der Innenverteidiger und der rechte Flügel
Es sind alles Geschichten und Aussagen, die den Verteidiger zu einem Kultspieler machten. Doch der Grat zwischen Kult und Skandal ist ein schmaler. Und der hüftsteife Hinteregger tanzte auf diesem Grat Walzer, letzte Woche tappte er dabei aber mal wieder in ein Fettnäpfchen.
Es wurde nämlich Hintereggers Geschäftsbeziehung zum österreichischen Lokalpolitiker Heinrich Sickl, welcher der Rechtspartei FPÖ angehört, bekannt. Sickl sorgte 2018 für Schlagzeilen, weil er in Graz Räumlichkeiten an die rechtsextreme Identitäre Bewegung vermietet hatte.
Hinteregger brach in der Folge zwar «jegliche Geschäftsbeziehung zur Familie Sickl ab», ein fader Beigeschmack blieb aber, da sich Hinteregger nicht deutlich von Sickl distanzierte: «Ich weiss, dass er FPÖ-Politiker war, was in Österreich ja nichts Schlimmes ist.» Weiter rechtfertige sich Hinteregger, dass er Sickl als «positiven, netten Menschen» kennengelernt habe.
Es war der letzte Misstritt des Fussballers Martin Hinteregger. Denn die Karriere ist nun, bereits mit 29 Jahren vorbei. Der Österreicher tritt damit auf dem Höhepunkt ab. Mit Frankfurt hat er im Mai die Europa League gewonnen und sagt nun: «Den Sieg in der Europa League habe ich deswegen so ausgiebig genossen, weil ich da schon wusste, dass es meine letzte grosse Siegesfeier mit den fantastischen Fans in dieser Stadt sein würde, die meine zweite Heimat geworden ist.»
Die Fussballwelt wird ihn vermissen. Denn Hinteregger war einer der letzten «richtigen Typen» in diesem Fussball-Business, in das er so überhaupt nicht reinpasste.