Die Diskussionen um eine mögliche Verpflichtung von Jérôme Boateng haben beim FC Bayern für Wirbel gesorgt. Es ging um den Umgang des Rekordmeisters mit den mutmasslichen Straftaten des Fussballers.
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- Der FC Bayern München hat sich gegen ein Comeback von Jérôme Boateng entschieden. Der deutsche Serienchampion erklärte am Freitag, dass der 35 Jahre alte Innenverteidiger nicht in den Kader zurückkehren wird.
- Die Nicht-Verpflichtung sei «nicht nur eine sportliche Entscheidung» gewesen, sagte Trainer Thomas Tuchel über die heikle und in der Öffentlichkeit kontrovers diskutierte Personalie.
- TV-Experte Dietmar Hamann meint, die Münchner hätten den Ärger der Fans unterschätzt.
Es wäre ein spektakulärer Transfer gewesen – doch aus einer Rückkehr von Jérôme Boateng zum FC Bayern wird nichts. Trotz akuten Verletzungssorgen in der dünn besetzten zentralen Abwehr (Matthijs de Ligt, Dayot Upamecano) teilt der deutsche Rekordmeister am Freitagnachmittag mit, von einer Rückholaktion abzusehen.
Boateng, der bereits einige Tage mit der Mannschaft trainierte, dürfe sich aber weiter beim FC Bayern fit halten, wenn er dies wünsche. Seine körperliche Verfassung sei gut, hiess es. Zuletzt war Boateng, der bei Olympique Lyon nach zwei Jahren keinen neuen Vertrag erhalten hatte, vereinslos. Deshalb hätte er auch ausserhalb der Transferperiode verpflichtet werden können. Bei den Münchnern spielte Boateng von 2011 bis 2021, in dieser Zeit gewann er mit dem Klub zweimal das Triple.
Der Verzicht auf den 35-Jährigen sei «nicht nur eine sportliche Entscheidung» gewesen, wie Trainer Thomas Tuchel bestätigte: «Wir haben die Situation analysiert, die Gesamtsituation bei Jérôme, die nicht nur sportlich ist, leider.»
Boateng steht vor einem neuen Strafprozess in Bayern, weil ihm vorgeworfen wird, im Sommer 2018 seine damalige Lebensgefährtin und Mutter seiner Kinder im Urlaub angegriffen zu haben. Ein Urteil gegen Boateng war zuletzt aufgehoben worden. Der Fussballer beklagte ein unfaires Verfahren und eine Vorverurteilung.
Fans reagieren mit Spruchbändern
Angesprochen auf die Causa hatte Bayerns Sportdirektor Christoph Freund vor wenigen Tagen dies als «private Geschichte» Boatengs bezeichnet. Man bewerte den Spieler vor allem nach sportlichen Kriterien. Die Aussagen stiessen bei vielen Bayern-Fans auf grosse Kritik.
«Misogyne Gewalt ist keine Privatsache! Steht zu unseren proklamierten Werten – oder sind Satzung und Awareness doch nur Marketing?!» und «Kein Platz für Charakterschweine im Verein – weder auf dem Feld noch im Vorstand», standen auf Spruchbändern. Wohl eine klare Botschaft gegen Boateng und den als Sportvorstand gehandelten Max Eberl, der bis vor Kurzem bei RB Leipzig tätig war. Trainer Thomas Tuchel äusserte «wenig Verständnis» für diesen Protest, der «nah an der Beleidigung» sei, dazu «anonym und plakativ».
Vereinspräsident Herbert Hainer sprach nach dem 3:0 der Bayern von «Interpretationen», dass Boateng und Eberl gemeint gewesen seien. «Ich kann das nicht kommentieren. Aber prinzipiell ist ganz klar. Wir haben klare Werte beim FC Bayern – und die verfolgen wir auch.» Und zu Boateng sagte der Vereinschef: «Wir haben uns am Ende des Tages entschieden, Jérôme nicht unter Vertrag zu nehmen. Und damit ist das für mich erledigt.»
Hamann: Fans haben Boateng-Rückkehr verhindert
Der frühere Bayern-Profi Dietmar Hamann – und seit Neustem Experte bei blue Sport – sieht die Fankritik im Fall Boateng als Hauptursache für die Entscheidung. «Der einzige Grund, warum er keinen Vertrag bekommt, das sind die Fans», sagte Hamann im TV-Sender Sky.
Die sportlichen Argumente der Bayern, die ihren Verzicht auf Boateng mit der wieder besseren Personallage in der Abwehr begründeten, hält der 50-Jährige für vorgeschoben. «Damit kann ich nichts anfangen und da versuchen die Bayern, die Öffentlichkeit ein Stück weit für blöd zu verkaufen», sagte Hamann.
SB10/DPA