Urs Fischer führte Union Berlin aus der zweiten Liga in die Königsklasse. Doch nach einer langen Negativserie muss der Schweizer nun gehen.
Urs Fischer ist nicht mehr Trainer des 1. FC Union Berlin. Nach 14 Spielen ohne Sieg und dem Abrutschen auf den letzten Platz in der Bundesliga trennten sich Verein und Coach am Mittwoch nach mehr als fünf Jahren meist sehr erfolgreicher Zusammenarbeit. Drei Tage nach dem 0:4 (0:1) in der Bundesliga gegen Tabellenführer Bayer Leverkusen am Sonntag zog der Club damit die Konsequenzen aus der sportlichen Krise.
Als Interimstrainer wird vorerst Unions U19-Trainer Marco Grote die Mannschaft betreuen, das nächste Bundesliga-Spiel steht am 25. November gegen den FC Augsburg an.
«Für mich persönlich und sicherlich für die gesamte Union-Familie ist das ein sehr trauriger Moment. Es tut weh, dass es uns nicht gelungen ist, den Negativlauf der letzten Wochen zu durchbrechen. Mit Blick auf die gemeinsame Zeit und die Erfolge, die wir zusammen gefeiert haben, bin ich dankbar und stolz. So schmerzhaft diese Trennung ist – Urs Fischer geht als Freund, der jederzeit mit offenen Armen von uns empfangen werden wird», sagte Club-Präsident Dirk Zingler.
Es ist das Ende einer Ära, die bis zum Sommer die erfolgreichste der Vereinsgeschichte war und die Bundesliga-Konkurrenz wie Fussball-Fans immer wieder staunen liess. Nach fünf Jahren, die mit dem Einzug in die Champions League gekrönt wurden, stecken die Köpenicker nun aber plötzlich tief im Abstiegskampf.
Seit August sieglos
«Wir haben viel versucht, die Mannschaft hat viel aufgewendet, aber es hat sich nicht in Ergebnissen ausgezahlt. Für das Vertrauen, das ich hier jederzeit gespürt habe, bin ich sehr dankbar. Trotzdem fühlt es sich richtig an, wenn jetzt eine Veränderung passiert: Manchmal hilft einer Mannschaft eben doch ein anderes Gesicht, eine andere Art der Ansprache, um eine Entwicklung auszulösen», sagte Urs Fischer.
Nun soll erstmal Grote die Trendwende einleiten. Ungewöhnlich für die Bundesliga: In Marie-Louise Eta assistiert ihm eine Frau.
Die Berliner haben seit August kein Pflichtspiel mehr gewonnen. In der ersten Pokalrunde und in den ersten beiden Bundesliga-Spielen gab es noch Erfolge für den Champions-League-Starter. Die Mannschaft war nach dem zweiten Spieltag sogar noch Tabellenführer. Dann rutschten die Köpenicker ungebremst ab.
Auch das 1:1 in der vergangenen Woche bei der SSC Neapel brachte nicht die erhoffte Trendwende. «Wenn du im Abstiegskampf spielst, brauchst du eine andere Körpersprache, eine andere Mentalität», sagte Fischer nach dem Spiel in Leverkusen, in dem seine Mannschaft chancenlos war.
Der Schweizer hatte sich in vergangenen Jahren bei Club und Umfeld einen grossen Kredit erarbeitet. Ungewöhnlich lange gab es keine Trainerdiskussion. Ruhnert hatte ihm wiederholt den Rücken gestärkt. Präsident Dirk Zingler sprach sich vor der Heimniederlage gegen Frankfurt Anfang November im Stadionheft unmissverständlich für Fischer aus. Die Fans und die Führungsspieler hielten zu ihm.
Der Abschied des 57-Jährigen ist eine Zäsur für die Eisernen. Fischer kam 2018 als früherer Schweizer Meistertrainer zu einem ambitionierter werdenden Zweitligisten, der eine enttäuschende Saison hinter sich hatte. Schon in der ersten Spielzeit gelang den Berlinern der erstmalige Aufstieg in die Bundesliga. Es sollte nur der erste Schritt in einem rasanten Aufschwung bleiben.
Nach dem Klassenerhalt 2020 schafften es die Berliner erst in die Conference League und dann in die Europa League. In der vergangenen Spielzeit führte Union dann länger die Tabelle der Liga an und qualifizierte sich am Ende sensationell für die Königsklasse. Der grösste Erfolg der Vereinsgeschichte.
Mit seiner bodenständigen und sachlichen Art passte Fischer perfekt zum Arbeiterclub aus dem Ost-Berliner Bezirk. Auch eigenwilligere, aber hochtalentierte Charaktere wie Max Kruse oder Sheraldo Becker brachte er dazu, sich voll in den Dienst der Mannschaft zu stellen.
Ohne die ganz grossen Stars und durch eine hohe Fluktuation im Kader war der Schweizer oft das Gesicht des Erfolgs, gestützt durch die gute Zusammenarbeit mit Ruhnert und Zingler. Die zahlreichen Umbrüche meisterte der Club immer wieder fast reibungslos – bis zu dieser Saison.
Mit Nationalspieler Robin Gosens und Italiens Europameister Leonardo Bonucci kamen vor der Saison grosse Namen nach Köpenick. Doch Verletzungen von Rani Khedira und Robin Knoche, ungewöhnlich viele individuelle Fehler sowie eine zunehmende Verunsicherung liessen die Köpenicker ins Wanken geraten.