Bei der WM in Katar erlebte die überwiegende Mehrheit der Bayern-Spieler ein persönliches Debakel. Die Nachwirkungen dürften sich auch auf ihren Arbeitgeber auswirken.
Die erste Hiobsbotschaft gab es schon vor dem WM-Start. Stürmer-Star Sadio Mané musste wegen einer Blessur am rechten Wadenbeinköpfchen Forfait geben. Afrikas Fussballer des Jahres und Zweitplatzierter beim Ballon d'Or fällt voraussichtlich bis im Frühling aus. Der 30-jährige Senegalese hat seit seinem Wechsel im Sommer aus Liverpool noch nicht restlos überzeugen können.
Die Pechsträhne des deutschen Rekordmeisters ging weiter. Gleich im Startspiel der Franzosen erlitt Abwehrspieler Lucas Hernandez einen Kreuzbandriss. Der formstarke Profi und Rekord-Einkauf – 2019 flossen 80 Millionen Euro an Atlético – wird dem Klub wohl erst in der neuen Saison zur Verfügung stehen.
Nach dem Auftaktspiel fand sich Rechtsverteidiger Benjamin Pavard bei der l'Équipe Tricolore auf der Bank wieder – an seiner Rolle änderte sich bis ins Finale nichts mehr. Der 26-Jährige, dessen Vertrag bis 2024 läuft, will sowieso weg und hat bereits öffentlich seinen Wunsch nach einer Luftveränderung angekündigt.
Immanente Absturzgefähr
An der Säbener Strasse bleiben will Matthijs de Ligt. Kein Wunder, der Holländer kam erst im Sommer aus Turin. Doch der Abwehrspieler spielte in der Elftal heuer unter Coach Louis van Gaal nur eine Nebenrolle. Auch der 23-Jährige wurde aus der Startelf verbannt.
Mehr auf dem Platz als Pavard und de Ligt standen Serge Gnabry, Jamal Musiala Thomas Müller, Leon Goretzka, Joshua Kimmich und Leroy Sané. Doch die Bayern-Stars enttäuschten mit ihren Teamkollegen auf ganzer Linie und mussten nach der Vorrunde bereits wieder die Heimreise antreten. Genau wie Alphonso Davies, der mit seinem verschossenen Elfmeter im Startspiel gegen Belgien am Ursprung von Kanadas Ausscheiden stand. Ebenfalls frühzeitig abreisen musste der Kameruner Eric Maxim Choupo-Moting.
Ein enttäuschter Kimmich meinte nach dem Ausscheiden: «Wir fahren wieder nach Hause. Dementsprechend habe ich ein bisschen Angst davor, echt in ein Loch zu fallen.»
Länger im Turnier blieb die verbliebene Franzosen-Fraktion der Bayern. Doch Ersatzmann Pavard, Dayot Upamecano und Kingsley Coman erlitten im dramatischen Endspiel gegen Argentinien eine bittere Pleite. Coman war mit seinem Fehlschuss im Elfmeterschiessen eine der tragischen Figuren. In den sozialen Medien wurde Coman dafür rassistisch beleidigt. Während Pavard aus sportlicher Sicht immerhin 2018 den Pokal holen konnte, dürfte Abwehrkollege Upamecano und Flügelspieler Coman der verpassten Chance noch länger nachtrauern.
Trainingslager an einem speziellen Ort
Am schlimmsten erwischte es natürlich Manuel Neuer. Eigentlich wollte die Goalie-Legende nur «den Kopf freibekommen». Doch die unternommene Ski-Tour endet für den 36-Jährigen im Spital, Unterschenkel-Bruch, gleichbedeutend mit dem vorzeitigen Saison-Ende. Nun steht der FC Bayern ohne eine echte Nummer 1 da. Ersatz muss her zwischen den Pfosten – mit Yann Sommer steht ein Schweizer weit oben auf der Kandidatenliste.
Immerhin haben mit Marokkos Noussair Mazraoui und Kroatiens Josip Stanisic zwei Bayern-Profis auch positive Erinnerungen an Katar. Doch die beiden waren bisher keine Leistungsträger in München. So liegt am Ende die Hauptverantwortung an Trainer Julian Nagelsmann, die gekränkten Egos seiner Spieler zu heilen. Neben taktischen Fragen muss der 35-Jährige in den kommenden Monaten sein psychologische Geschick beweisen.
Die Vorbereitung auf den zweiten Saisonteil beginnt am 3. Januar. An diesem Tag stehen die medizinischen Untersuchungen und die Leistungsdiagnostik auf dem Programm. Drei Tage später geht es zu einem sechstägigen Trainingslager ... nach Doha. Ob Katar für die Psyche der WM-Profis der richtige Ort ist, darf man stark anzweifeln.