SteuergesetzZürcher Kantonsrat fordert Ausgleich der «warmen Progression»
fn, sda
4.11.2024 - 12:08
Der Zürcher Kantonsrat hat am Montag eine Motion von FDP, SVP und GLP an den Regierungsrat überwiesen, die einen Ausgleich der «warmen Progression» fordert. Die linke Ratsseite lehnte das Vorhaben ab. Bis vor kurzem war die «warme Progression» in der Schweiz noch kein Begriff. Ein Ausgleich dieses Effekts würde das Steuersystem umpflügen.
Keystone-SDA, fn, sda
04.11.2024, 12:08
04.11.2024, 14:12
SDA
Für die Motion stimmten die Bürgerlichen inklusive der GLP. Dagegen waren die linken Parteien mitsamt der EVP. Der Vorstoss wurde schliesslich mit 100 zu 76 Stimmen überwiesen. Der Regierungsrat muss nun innert zweier Jahren eine Vorlage dazu ausarbeiten.
Dann kommt das Anliegen wieder ins Parlament und – im Falle eines Referendums – auch noch vors Stimmvolk.
Der Begriff der «warmen Progression» wurde in der Schweiz von bürgerlicher Seite lanciert, genauer von «Avenir Suisse». Die wirtschaftsfreundliche Denkfabrik kritisierte diesen Effekt erstmals im Sommer 2023. Zuvor war er erst in Skandinavien ein Thema.
«Lohnerhöhungen gehören nicht dem Fiskus»
«Warme Progression» bedeutet, dass die Steuerpflichtigen wegen des Wirtschaftswachstums und der steigenden Löhne laufend in höhere Progressionsstufen kommen. Dies hat gemäss «Avenir Suisse» zur Folge, dass die Steuerlast stärker steigt als die Einkommen.
FDP, SVP und GLP reichten im Kantonsrat daraufhin eine Motion ein, welche einen Ausgleich dieses Effekts verlangt. Die Parteien fordern, dass die Abzüge und Tarifstufen künftig am Nominallohnindex angepasst werden, nicht mehr am Landesindex der Konsumentenpreise.
Vor allem der Mittelstand würde so entlastet, sagte Mario Senn (Adliswil). Die GLP betonte, dass der Effekt der «warmen Progression» real sei. «Lohnerhöhungen gehören der Bevölkerung. Nicht dem Fiskus», sagte Gabriel Mäder (Adliswil).
«Ein potemkinsches Dorf»
Die linke Ratsseite inklusive der EVP runzelte die Stirn. Er habe wirklich viel Zeit investiert, um «das Teil zu verstehen», sagte EVP-Kantonsrat Donato Scognamiglio (Teufen). Er habe es aber nur knapp verstanden, räumte er ein.
Die SP bezeichnete den Vorstoss als «potemkinsches Dorf», also die Vorspiegelung falscher Tatsachen. Hier werde gefordert, dass eine vermeintliche Ungerechtigkeit beseitigt werde, dabei «beruht unser Steuersystem ja darauf, dass jene mit mehr Einkommen mehr zahlen», sagte Stefan Feldmann (Uster).
Die AL kritisierte, dass die FDP Unwahrheiten verbreite. Es würden keinesfalls die Steuerpflichtigen des Mittelstands profitieren, sondern «vor allem die hohen Einkommen», sagte Judith Stofer (Dübendorf). Für den Staat würde dieses neue System zudem einen Kahlschlag bei den Steuereinnahmen bedeuten.
Fast eine halbe Milliarde Steuerausfälle
Die Gegnerinnen und Gegner der Motion befürchten Steuerausfälle von 240 Millionen Franken für den Kanton sowie 240 Millionen Franken für die Gemeinden, insgesamt also fast eine halbe Milliarde.
Regierungsrat Ernst Stocker (SVP) war eigentlich bereit, den «kreativen Vorschlag» in Form eines Postulats zu prüfen. Die Motion, die ihn nun zur Ausarbeitung einer Vorlage verpflichtet, lehnte er aber ab. Das Parlament gehe mit Steuergeldern offenbar leichtfertiger um als sein Enkel mit dem Sackgeld, sagte er.
Im Gegensatz zur «warmen Progression» ist die «kalte Progression» ein unbestrittener Effekt, der mittlerweile von allen Kantonen zumindest teilweise ausgeglichen wird. Bei der «kalten Progression» sinkt für die Steuerpflichtigen die Kaufkraft, weil sie wegen eines Teuerungsausgleichs mehr Steuern zahlen müssen.
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