AusstellungSt. Galler Kunstmuseum zeigt «Jeder Spiesser ein Diktator»
ka, sda
7.1.2025 - 15:09
Das Werk der Vorarlberger Künstlerin Anne Marie Jehle kann bis anfangs März im Kunstmuseum St. Gallen wiederentdeckt werden. Sie gehörte mit ihrer Kunst zur feministischen Avantgarde. 1989 wandte sie sich von der Kunst ab, versiegelte ihr Wohn- und Atelierhaus in Feldkirch und wanderte in die USA aus.
Keystone-SDA, ka, sda
07.01.2025, 15:09
SDA
Zwischen 1965 und 1989 schuf Anne Marie Jehle über 1600 Objekte und war Teil einer international vernetzten Kunstszene. Ausstellungen von ihr gab es in Paris oder Berlin – aber auch in St. Gallen und Zürich.
Die 1937 in Feldkirch geborene Künstlerin setzte sich in ihren Werken mit dem katholischen Milieu auseinander, aus dem sie stammte und beschäftigte sich intensiv mit den Machtverhältnissen, mit denen sie als Frau konfrontiert war.
Beeinflusst war ihre Kunst von Dada und Fluxus. Ihre Werke könnten «als bedeutende, subversive und feministische Weiterentwicklung dieser Kunstbewegung gelesen werden», heisst es zur Ausstellung, die bis am 9. März im Kunstmuseum zu sehen ist.
Jehles experimentelle Kunst war bei aller Kritik an den Verhältnissen durchsetzt von Humor. Auf ein Porträtfoto von ihr malte sie eine herausgestreckte Zunge als Herausforderung an die Welt. Das «Ave Maria» schrieb sie in verschiedenen Versionen um. Eine davon: «Gegrüsst seist du Maria voller Falten, Kochlöffel und Allespfleger sind mit dir, gebenedeit bleibst du in deiner Küche...»
Kritik am Kunstinstitutionen
In einer Reihe von Porträtfotos inszenierte sie sich mit einer durchsichtigen Plastiktasche mit dem Aufdruck «Kunsthaus» über dem Kopf. Zu sehen ist, wie sich die Tasche immer enger um den Kopf schnürt. Die Künstlerin droht an der Institution zu ersticken. Auf einen Pappteller druckte sie «Jeder Spiesser ein Diktator», eine Aussage, die nun zum Titel der Titel der Ausstellung wurde.
Der Schlüssel zu ihrem Werk findet sich im zentralen Oberlichtsaal, in dem Fotos aus dem Innern des Wohn- und Atelierhauses in Feldkirch gezeigt werden. Dessen Einrichtung, Wände und Möbel hatte Jehle konsequent künstlerisch umgestaltet, bis sie vielleicht gar nicht mehr darin wohnen konnte.
Ausgewandert in die USA
Das Rätsel, wieso sich Anne Marie Jehle 1989 mit 52 Jahren entschloss, das eigene Haus voller eigener Kunst abzuschliessen und zu versiegeln, wird in der Ausstellung letztlich nicht gelöst.
Als Hinweis dient ein undatiertes Bild. Zu sehen ist sechsmal mit Acrylfarbe per Hand geschrieben «io sono allegra» (ich bin fröhlich"). Doch die Sätze sind durchgestrichen und auf der rechten Bildseite steht in Grossbuchstaben «IO SONO STUFA» ("ich bin es leid").
Es sei unbekannt, in welcher Verfassung sie sich damals befunden habe, heisst es im Begleittext. Jehle wanderte in die USA aus, kehrte 1993 zurück und starb 2000 in Vaduz. In der Ausstellung sind nun erstmals Objekte aus dem lange verschlossenen Wohnhaus zu sehen. Es durfte erst nach ihrem Tod geöffnet werden.
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