19 Asylbewerber, welche nach eigenen Angaben aus Tibet stammen, sind beim Kanton Bern mit einem Gesuch um vorläufige Aufnahme als sogenannte Härtefälle abgeblitzt. Als Grund gibt das kantonale Amt für Bevölkerungsdienste (ABEV) an, die Gesuchsteller hätten keine gültigen Beweisdokumente vorgelegt.
Die kantonale Sicherheitsdirektion schreibt in einer Mitteilung vom Dienstag, das ABEV behandle solche Gesuche nach den Vorgaben des Staatssekretariats für Migration (SEM). Zu diesen Vorgaben gehöre, dass die Gesuchsteller ihre Identität offenlegen müssten.
Im Asylverfahren habe das SEM die Angaben der Gesuchsteller zu Herkunft und Identität als nicht glaubhaft eingeschätzt. An diese Beurteilung sei der Kanton Bern gebunden, solange die betroffenen Personen nicht den Gegenbeweis erbrächten.
Das Bundesverwaltungsgericht habe bestätigt, dass die Kriterien für eine Härtefallregelung nicht erfüllt seien, wenn Gesuchsteller bei der Beschaffung von Papieren und der Offenlegung ihrer Identität nicht mithülfen. Der Kanton Bern prüfe Härtefallgesuche. Doch müssten sie die Kriterien «vollumfänglich erfüllen».
Personen, deren Asylgesuch rechtskräftig abgewiesen worden ist oder die einen Nichteintretensentscheid erhalten haben, haben keinen Anspruch mehr auf Sozialhilfe. Sie müssen die Schweiz verlassen. Bei Bedarf können sie jedoch Nothilfe verlangen.
Auslöser: Neues Asylgesetz
Ausgelöst wurden die Gesuche um eine Härtefallregelung nach Angaben des Kantons durch die Neustrukturierung des Asyl- und Flüchtlingswesens im Kanton Bern. Der bernische Grosse Rat beschloss diese Neustrukturierung im vergangenen Jahr. Sie verfolgt zwei Hauptziele: Wer bleiben darf, soll besser integriert werden. Wer gehen muss, soll zügig ausgeschafft werden.
In diesem Frühling wird der Kanton Bern damit beginnen, Personen mit rechtskräftigem negativem Asylentscheid in einem Rückkehrzentrum unterzubringen. Sämtliche Personen mit rechtskräftigem Wegweisungsentscheid im Kanton Bern erhielten dazu ein Informationsschreiben. Dieser Brief hat laut den Behörden dazu geführt, dass die 19 Personen das Härtefallgesuch einreichten.
«Irrsinn»
Dagobert Onigkeit von der Organisation «Free Swiss Tibetans» kritisierte am Dienstag auf Anfrage den Entscheid der Berner Behörden. Er sehe darin «den gleichen Irrsinn wie in anderen Kantonen und beim SEM». Gemeint sei, so Onigkeit, dass Papierlose Papiere vorweisen müssten, um ihre Papierlosigkeit zu beweisen.
Die Tibeter seien schlicht nicht in der Lage, Papiere vorzulegen. Denn bei der Flucht aus China müssten sie ihre Identitätsausweise zurücklassen, um – einmal im Ausland – nicht wieder nach China ausgeliefert zu werden.
300 Tibeter sind nach Angaben Onigkeits derzeit in der Schweiz in derselben Situation wie die Gesuchsteller. Für Onigkeit sollte die Schweiz diesen Menschen den Ausweis F für vorläufig aufgenommene Ausländer aushändigen. Er gehe davon aus, dass die Gesuchsteller tatsächlich Tibeter sind und von dort stammten.
Müller: Bund entscheidet
Der bernische Sicherheitsdirektor Philippe Müller sagte auf Anfrage, es handle sich um 19 Härtefallgesuche. Das Staatssekretariat für Migration weise Asylgesuche nur ab, wenn eine Ausreise als zumutbar, zulässig und möglich gelte. Es prüfe auch, ob die Asylbewerber in der Lage seien, Identitätsausweise zu beschaffen, so Müller.
Wenn das SEM zum Schluss komme, eine Ausreise sei möglich und die Beschaffung von Papieren ebenfalls, müssten die Asylbewerber bei einem negativen Entscheid eben ausreisen. «Wir verlassen uns auf das SEM», so Müller. Man müsse auch mal sagen, dass in der Schweiz mehr als die Hälfte der Asylgesuche gutgeheissen würden.
Wie das SEM Ende Januar mitteilte, erledigte es im Jahr 2019 19'140 Asylgesuche erstinstanzlich. 5551 Personen erhielten Asyl. Die Anerkennungsquote lag damit bei rund 31 Prozent. Das ist etwas höher als im Vorjahr (26 Prozent). Die Schutzquote – der Anteil Asylgewährungen und vorläufige Aufnahmen aufgrund erstinstanzlicher Entscheide – blieb mit 59 Prozent stabil (Vorjahr 61 Prozent).
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