Kampf gegen MutantenEine dritte Impfung könnte die Lösung sein
tmxh
17.2.2021
Helfen die Corona-Impfstoffe gegen die mutierten Varianten? Einige Experten erachten eine dritte Impfung als unumgänglich. Doch diese würde auch Risiken bergen.
Weltweit sind die Impfungen gegen das Coronavirus in vollem Gange, vielerorts sinken die Infektionszahlen. Sorgen bereiten der Wissenschaft und Politik derzeit jedoch die mutierten Varianten: Neben der britischen Variante B.1.1.7 und der südafrikanischen Mutante B.1.351 b hat inzwischen auch die dritte, brasilianische Variante P.1 die Schweiz erreicht. Die bange Frage lautet: Helfen die bislang zugelassenen Impfstoffe auch gegen die Mutanten? Die meisten Experten sind guter Dinge – manche bringen nun aber eine Drittimpfung ins Spiel.
Das hiesse, dass nach der bislang üblichen ersten und zweiten Impfdosis noch eine weitere verabreicht würde. Dadurch könnte das Risiko einer verminderten Wirksamkeit verringert werden, wie etwa der deutsche Experte Prof. Michael Hoelscher dem Magazin «Spiegel» sagte. Der Leiter der Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin an der LMU München glaubt, dass gerade die südafrikanische und brasilianische Variante den Immunschutz trotz Impfung reduzieren könnten.
Weitere Impfdosen gegen die Mutanten
«Die Mutanten aus Südafrika und Brasilien haben insbesondere in einer Gesellschaft, in der gegen die Ursprungslinie des Virus geimpft wird, einen evolutionären Vorteil und werden sich durchsetzen», warnt der Forscher im «Spiegel». Dem liesse sich mit einer dritten oder sogar vierten Impfung entgegenwirken. Ähnlich sieht das die Zürcher Virologin Prof. Alexandra Trkola, die vor allen Virusmutationen grossen Respekt habe, wie sie der NZZ erklärte.
«Am meisten Kummer bereitet mir momentan die brasilianische Variante», wird die Leiterin des Instituts für Medizinische Virologie der Universität Zürich zitiert. «Vielleicht braucht es dann nach der ersten und der zweiten noch eine dritte Impfung», richtet auch sie den Blick auf die Drittimpfung. Die Chance, dass die bestehenden Impfstoffe gar nicht gegen die Mutanten wirken, schätzt Trkola laut NZZ als gering ein. Auch könne man sie nachträglich leicht optimieren.
Genau das versuchen aktuell auch die Hersteller der in der Schweiz zugelassenen Impfstoffe: Moderna plane für seinen Impfstoff einen als zusätzliche dritte Dosis verabreichten Booster, der die neutralisierenden Eigenschaften verstärken würde, wie das Unternehmen mitteilte. Biontech/Pfizer nannte die Ergebnisse von Versuchen mit der britischen und südafrikanischen Mutation schon im Januar «sehr ermutigend» – sie würden «nicht auf die Notwendigkeit eines neuen Impfstoffs gegen die neu auftretenden Varianten» hindeuten.
Risiko starker Impfreaktionen
Trotz der relativ einfachen Anpassung an die Mutationen: Eine mögliche dritte Impfung könnte auch Risiken bergen, wie Michael Hoelscher im «Spiegel» vermutet: Bei mRNA-Impfstoffen wie jenen von Biontech/Pfizer und Moderna «könnten die Impfreaktionen nach der dritten Dosis zu stark ausfallen», wird der Wissenschaftler zitiert. Bereits nach der zweiten Dosis fielen Reaktionen wie Kopfschmerzen oder Abgeschlagenheit laut Zulassungsstudien vergleichsweise stark aus.
Erste mRNA-Imfpstoff-Studien in der Krebstherapie liessen Hoelscher zufolge immerhin vermuten, dass mehrere Dosen verträglich seien. Weil dort jedoch in kurzen Abständen geimpft worden sei, seien stärkere Reaktionen bei Impfungen mit grösserem Abstand gut möglich.
Ab wann wirkt der Impfstoff nicht mehr?
Probleme bei möglichen Drittimpfungen könnte es indes auch mit Vektor-Impfstoffen wie jenem von AstraZeneca geben, der in der Schweiz noch nicht zugelassen ist. Hier bestehe laut Hoelscher das Risiko, «dass sie bei der dritten Dosis ihre Wirksamkeit verlieren», zitiert der «Spiegel» den Forscher. Mit jeder Dosis werde wahrscheinlicher, dass das Immunsystem das Vektorvirus bekämpfe – woraufhin der Impfstoff nicht mehr funktioniere.
Zwar könne bei jeder weiteren Impfung ein neuer Vektor genutzt werden, doch müsse der darauf basierende Impfstoff auch neu zugelassen werden. Während der russische Impfstoff bereits von Beginn an mit zwei Vektoren für die erste und zweite Impfung entwickelt worden sei, habe man etwa in Grossbritannien eine andere Möglichkeit in Betracht gezogen: Hier seien in einer Studie verschiedene Impfstoffe als Erst- und Zweitdosis getestet und Astrazeneca mit Biontech kombiniert worden.
Damit derlei Kombinationen weitergetestet werden könnten, bräuchte es mehr Daten. Daran dürften die Hersteller nach Hoelschers Meinung jedoch kein Interesse haben. Immerhin: Der Wissenschaftler sieht eine potenzielle Lösung gegen die Mutanten. Protein-Impfstoffe, etwa jenen des Herstellers Novavax, könne man beliebig oft verimpfen. Die Schweiz hat bereits elf Millionen Dosen dieses Unternehmens bestellt.