Spurensuche auf verbrannter Erde Wie lässt sich der Auslöser für einen Waldbrand bloss finden?

gbi

23.7.2023

Der Waldbrand oberhalb der Walliser Gemeinde Bitsch hält die Feuerwehr seit Tagen in Atem.
Der Waldbrand oberhalb der Walliser Gemeinde Bitsch hält die Feuerwehr seit Tagen in Atem.
Bild: Keystone

Was hat einen Waldbrand ausgelöst – oder wer? Das herauszufinden, ist eine denkbar schwierige Aufgabe. Denn die Zeit, die Flammen, ja selbst das Löschwasser: Alles arbeitet gegen die Brandermittler.

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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Der Auslöser des verheerenden Waldbrands bei Bitsch VS liegt weiterhin im Dunkeln.
  • Solange das Feuer nicht gelöscht ist, kommen die Einsatzkräfte kaum voran – und ebenso wenig die Brandermittler.
  • Ist die Ursache eines Brands geklärt, stellt sich ausserdem die Frage nach der Haftung: Wenn Personen involviert waren, sind sie für den entstandenen Schaden auch haftbar?

War es Unachtsamkeit bei einem Grillplausch? Absicht? Oder doch die Natur? Noch ist unklar, was genau den verheerenden Waldbrand ausgelöst hat, der seit Tagen bei Bitsch im Oberwallis wütet. Die Einsatzkräfte ringen immer noch darum, die Flammen unter Kontrolle zu bringen. 

Doch wie lässt sich überhaupt feststellen, was einen Brand konkret ausgelöst hat? Immerhin wird bei einer Feuersbrunst ja alles, was nicht feuerfest ist, zerstört.

Die Zeit arbeitet gegen die Ermittler

Einblick in diese anspruchsvolle Arbeit gibt Jürg Ritter, Brandermittler im Kanton Graubünden. Er erklärte diese Woche bei SRF, dass es von Fall zu Fall grosse Unterschiede gebe. Nur schon bei der Frage, welche Akteure involviert seien.

Immer dabei ist naturgemäss aber die Feuerwehr. Diese «informiert uns darüber, was sie vorgefunden hat». Auch die Polizei halte die Brandermittler über ihre Ermittlungen auf dem Laufenden.

Die lokalen Gegebenheiten eines Brandschauplatzes würden natürlich ebenso berücksichtigt. «Wir schauen, ob es beispielsweise eine Alpgenossenschaft oder Hochspannungsleitungen in der Nähe hat», erklärte Ritter. Doch die Zeit arbeite gegen sie: Je länger ein Brand dauere, desto schwieriger gestalte sich die Suche nach den Ursachen.

Am Anfang ist die Suche nach dem Ausbruchsort

Allzu tief in die Karten ihres Handwerks lassen sich Brandermittler nicht schauen. Christen Marcel, Leiter Brand und Spezialfälle der Kantonspolizei St. Gallen verrät in einem Blog-Beitrag der Beratungsstelle für Brandverhütung immerhin, dass er zuerst nach dem Ort suche, an dem der Brand ausgebrochen sei. Dafür nutze er oder seine Kolleginnen auch Fotos und Videos aus der frühen Phase eines Brands. 

Die Brandausbruchszone versuche er, so gut es geht, einzugrenzen. Dort sucher er dann nach möglichen Zündquellen. «Bei der Brandursachenabklärung arbeiten wir stets nach dem Eliminationsverfahren, das bedeutet, dass wir alle möglichen Brandursachen durchgehen und dann ausschliessen, was sicher nicht in Frage kommt», erklärt Marcel. 

Nach Möglichkeit arbeiteten sie zu zweit, da vier Augen mehr sähen als zwei und die Gefahr kleiner sei, voreilige Schlüsse zu ziehen.

Waldboden auf über 200 Grad aufgeheizt

Das zeigt sich gerade auch in Bitsch: Glutnester und Schwelbrände erschwerten auch am Freitag das Vorankommen für die Einsatzkräfte – und damit die Brandermittler. Der Waldboden hatte sich auf teils bis auf über 200 Grad aufgeheizt, erklärte Gemeindepräsident Edgar Kuonen dem «Blick». Ohne Spezialschuhe sei an ein Betreten nicht zu denken.

Hinzu kommt, dass die Löschhelikopter weiterhin Wasser abwerfen. «Auch die Brandermittler der Behörden können nur mit grosser Mühe und Vorsicht ins Brandgebiet vordringen. Alles ist sehr kompliziert», erklärte Gesamteinsatzleiter Mario Schaller.

Und das Wasser kann die Aufklärung einer Brandursache sogar noch behindern: «Es kann sein, dass Löschwasser die Spuren vernichtet», erklärte Brandermittler Jürg Ritter bei SRF.

Wonach aber suchen die Ermittler? Als mögliche Ansatzpunkte für die Ermittlerteams nennt die Regierung der kanadischen Provinz British Columbia – die häufig Schauplatz immenser Waldbrände wird – Brandmuster, die Wetterbedingungen beim Ausbruch des Feuers und Aussagen von Augenzeug*innen. Mit Glück – und falls es einen menschlichen Auslöser für das Feuer gibt – finden sich auch noch physische Beweismittel. 

Und was ist mit der Schuldfrage?

Eine weitere Frage, die sich den Ermittlern stellt: Ist jemand für den Ausbruch des Feuers verantwortlich?

Je nach konkretem Einzelfall kann nicht festgestellt werden, dass jemand den Brand verursacht hat. Dann wird das Verfahren eingestellt, wie die Beratungsstelle für Brandverhütung auf ihrer Website festhält. Sie ist der Vereinigung der Kantonalen Gebäudeversicherungen angegliedert.

Stehen dagegen Personen in direkter Beziehung zum Brand, stellt sich die Frage, ob ein Straftatbestand erfüllt ist. Denkbar seien hierbei etwa Brandstiftung oder die sogenannte fahrlässige Verursachung einer Feuersbrunst. Im Fall einer Verurteilung drohen bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe, hält die Beratungsstelle fest.

Waldbrand – Oberhalb der Walliser Gemeinde Bitsch brennt der Wald

Waldbrand – Oberhalb der Walliser Gemeinde Bitsch brennt der Wald

Oberhalb der Walliser Gemeinde Bitsch ist am frühen Montagabend ein Waldbrand ausgebrochen. Einsatzkräfte sind vor Ort, Löscharbeiten im Gange, wie die Polizei Wallis am Montagabend auf Twitter mitteilte.

17.07.2023

«Unter einer Feuersbrunst versteht der Gesetzgeber jedes Feuer, das von seinem Urheber nicht mehr kontrolliert, also selbst gelöscht, werden kann.» Auf die konkrete Brandursache – ob es zum Beispiel eine Kerze oder ein Grillfeuer war – komme es dabei nicht an.

Die Ermittlungsbehörden klären dann zum Beispiel mittels Befragungen ab, ob ein Tatbestand erfüllt ist oder nicht.

Doch bevor auch sie überhaupt an die Arbeit können, müssen die Flammen erst unter Kontrolle gebracht werden. Das hat in dieser Phase absoluten Vorrang, wie die Walliser Kantonspolizei auf Anfrage verdeutlicht. Die Frage nach der Ursache muss also warten. Und lässt sich gemäss SRF ohnehin nur in rund der Hälfte aller Fälle klären.