Gräber plünderte man zu jeder Zeit. Doch manchmal waren die Diebe nicht auf Grabbeigaben, sondern auf die Leichen selbst aus. Eine kleine Geschichte des Leichendiebstahls – von Sankt Nikolaus bis zu Charlie Chaplin.
Die Leiche des St. Nikolaus liegt nicht am Nordpol, sondern in Italien. Zum Italiener wurde der berühmte Bischof aus dem einstigen Byzanz jedoch durch einen Leichenraub. 1087, Hunderte Jahre nach dem Tod des Heiligen, stahlen Seeleute aus Bari seine Reliquie im heute türkischen Myra. Vor zehn Jahren forderte die Türkei die Auslieferung der Überreste. Erfolglos.
Leichenteile als «spirituelle Walkie-Talkies»
Nikolaus ist kein Einzelfall, im Namen des Glaubens wurden auch zahlreiche andere Leichen gestohlen. Bereits in den Anfängen des Christentums, zwei Jahrhunderte nach Christus, begann man, den Leichenteilen von Märtyrern hohe Bedeutung zuzuschreiben.
Leichenteile von Heiligen galten, so schrieb es die amerikanische Leichenhistorikerin Bess Lovejoy, als so etwas wie «spirituelle Walkie-Talkies» – über sie liess sich mit höheren Mächten in Kontakt treten. Über eine Reliquie mit Gott zu kommunizieren, war um einiges effizienter als ein normales Gebet. Das machte sie so wertvoll – und was wertvoll ist, wird auch entwendet.
Gläubige knapsten toten Heiligen Nägel, Ohren, Haare, sogar Brustwarzen ab, um nur näher beim Himmel zu sein. Erst 2005 hat jemand ein Läppchen mit Blut von Papst Johannes Paul II. gestohlen. Doch die Kirche betrachtete den Reliquiendiebstahl stets mit milder Nachsicht: Sie sah darin eine «sacra rapina», einen gottgefälligen Raub, der nur durch ein Übermass an Frommheit motiviert sein könne.
Aber das ist nur die halbe Wahrheit: Reliquien wurden immer auch aus Gewinnsucht gehandelt. Europa war arm an eigenen Märtyrern – darum mussten die Leichenteile oft im Nahen Osten beschafft werden. Körperteile von Heiligen waren deswegen teure Importware mit einer attraktiven Marge. Auch wenn Reliquienhandel laut der Kirche verboten war, existierte ein reger Schwarzmarkt für Leichenteile.
Leichendiebstahl
Wer jedoch meint, mit dem Zurückdrängen religiösen Wunderglaubens nach der Aufklärung habe das Klauen von Leichen aufgehört, der irrt. Es änderten sich nur die Gründe. Einer davon war die Nachfrage für Leichen zur medizinischen Forschung, sie stieg in der Neuzeit an. Leichen für diesen Zweck waren knapp, da man oft das Einverständnis der Angehörigen benötigte, um Obduktionen durchzuführen. So entstand ein florierender Geschäftszweig. Die Diebe waren wenig wählerisch und scharrten Hinz und Kunz aus – nun halt für anatomische Experimente. Im England des 19. Jahrhunderts bezeichnete man Menschen, die Leichen ausbuddelten, um sie an Mediziner zu verkaufen, zynisch als «Auferstehungsmänner».
Ein weiteres Geschäftsmodell, das sich in neuerer Zeit entwickelt hat, war das Kidnappen berühmter Leichen. Um «sacra rapina» handelte es sich dabei selten: Geschichten von Fans, die in heiligem Eifer ihr Poster-Idol in ihren Keller schleppten, sind wenige bekannt. Nur den (gescheiterten) Dieben von Elvis Presley hielten einige zugute, sie hätten mit ihrem Einbruch in die Gruft bloss beweisen wollen, dass der Sarg leer und der King am Leben sei. Die Polizei sah das aber anders: Auch um Lösegeld sei's gegangen.
Untote Macht
Wenn Mächtige sterben, betreibt man immer einen grösseren Aufwand, um sie zu verabschieden. Für Lady Di wurden beispielsweise 10'000 Tonnen Blumen niedergelegt. Aber manche Mächtige gelten als so unentbehrlich, dass man sie gar nicht gehen lassen will. Sie werden mumifiziert, in Mausoleen verehrt und beschäftigen noch als Tote die Nachwelt. Um Anekdoten aus der Geschichte dieser untoten Macht dreht sich diese Reihe.
Versuche, auf diese Weise Geld mit der Trauer der Hinterbliebenen zu machen, gibt es bis heute: Erst vor zwei Jahren versuchte eine Gruppe moderner Auferstehungs-Männer Enzo Ferrari, den Gründer der gleichnamigen Automarke, aus seinem Grab zu holen, um seine Familie zu erpressen. Und Abraham Lincolns Leiche wurde regelrecht diebstahlgesichert, nachdem eine Gruppe von Falschmünzern versucht hatte, den Körper des ermordeten Präsidenten zu stehlen. Aus Vorsicht wurde die Leiche danach bis Ende des 19. Jahrhunderts über ein Dutzend Mal verschoben. Irgendwann wurde seinem Sohn dieses Hütchenspiel mit der Leiche seines Vaters zu bunt, weshalb er einen massiven Käfig installieren liess, der Abraham Lincoln vor Diebstahl schützen sollte.
Die Entführung von Chaplins Leiche
Auch hierzulande liegt ein Prominenter zu seinem eigenen Schutz unter Tonnen von Beton begraben: Charlie Chaplin. Als sich der Schauspieler in den 1950er Jahren in den USA als Kommunist verunglimpft sah, zog er mit seiner Familie in die Schweiz – nach Corsier-sur-Vevey im Kanton Waadt, in eine Villa mit Sicht auf den Genfersee. Hier starb er im Dezember 1977 im Alter von 88 Jahren. Doch drei Monate später, im März 1978, kam der Schock: Sein Grab war geöffnet und der Sarg offenbar abtransportiert worden, neben dem Grab waren Reifenspuren zu sehen.
Lösegeld wurde noch keines gefordert, und in den nächsten Tagen übertraf sich die internationale Presse mit Spekulationen, warum Chaplins Grab geschändet worden wäre. Einige vermuteten, es seien verrückte englische Fans des Tramps, die seine Leiche in Grossbritannien beerdigen wollten. Andere aber glaubten im Gegenteil dazu Nazis dahinter, die dem Schauspieler die Veräppelung Hitlers in «Der Grosse Diktator» nie verziehen hätten.
Dilettantische Leichenräuber
Chaplins Witwe erreichten in den Tagen nach dem Grabraub massenweise Anrufe – vor allem von Trittbrettfahrern. Selbst eine Wahrsagerin schaltete sich ein. Sie behauptete, Botschaften aus dem Jenseits erhalten zu haben, wonach die Leiche in einem Haus im deutschen Bitburg zu finden und die Entführung aus deutschem Hass gegenüber den Amerikanern geschehen sei.
Doch die beiden Grabräuber, die Chaplin entführt hatten, machten dem König des melancholischen Slapsticks alle Ehre: Nicht Verehrung oder weltpolitische Ambitionen machten sie zu Verbrechern, sondern der Wunsch, eine eigenen Autowerkstatt zu eröffnen. Von der Entführung von lebenden Menschen wollten sie absehen, zu gefährlich und vor allem zu teuer erschien es ihnen: Mussten Lebende doch regelmässig essen, sonst verloren sie an Wert.
Nach einigen Tagen schickten sie Oona Chaplin ein Foto, auf dem man Chaplins Sarg neben einem Loch auf einem Acker sah. Am Telefon nannten sie sich mysteriös «Monsieur Cohat» und forderten 600'000 Franken. Doch die Witwe dachte nicht daran zu zahlen, das alles erschien ihr wie ein alberner Scherz. Dennoch handelte ihr Anwalt die Lösegeldsumme in den nächsten Wochen zum Schein herunter, bis die Polizei die beiden Ganoven in einer Telefonzelle in Lausanne schnappen konnte.
Als sie die Polizei zu jenem Ort führten, wo sie den Sarg vergraben glaubten, mussten Metalldetektoren eingesetzt werden – die beiden hatten vergessen, wo Chaplin wirklich lag. Als dieser endlich gefunden worden war, wurde er zurückgebracht und sein Grab versiegelt. Der Anwalt der Familie Chaplin meinte später – fast mit Bedauern – mit ein wenig mehr Zeit hätten sie den Preis der Leiche auf 50 Franken gedrückt.
Ein Friedhof in Manila: Tausende Menschen haben hier, inmitten von Gräbern, ein Zuhause gefunden.
Bild: Keystone / EPA / Francis R. Malasig
Ligaya Garcia (links) wohnt auf dem Grab ihres Mannes. Eine richtige Wohnung kann sich die Frau nicht leisten.
Bild: Keystone / EPA / Francis R. Malasig
Die Dächer von grösseren Grabstätten dienen vielen Bewohnern als Nachtlager.
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Andere haben sich unter Plastikplanen eingerichtet, um sich ein klein wenig vor den Unbilden des Wetters zu schützen.
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Unter den vielen Tausend Friedhofsbewohnern befindet sich auch dieses junge Mädchen.
Bild: Keystone / EPA / Francis R. Malasig
Viele Kinder, die auf dem Friedhof leben, wurden hier geboren. Sie kennen nur dieses Leben in Armut.
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Auf dem Friedhof gibt es kaum sanitäre Einrichtungen, auch gekocht wird inmitten von Toten.
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Wenn eine Beerdigung ansteht, gibt es für manche der Friedhofsbewohner Arbeit.
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Sie helfen etwa als Sargträger aus oder kümmern sich gegen ein geringes Entgelt um die Grabpflege. Andere verkaufen Blumen an die Angehörigen der Verstorbenen.
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Wie viele Menschen insgeamt auf den Friedhöfen der Millionenstadt Manila leben, ist nicht bekannt.
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