Umfrage der UNOJeder Vierte findet es okay, wenn Männer ihre Frauen schlagen
Von Philipp Dahm
14.6.2023
Kurz vor dem heutigen feministischen Streik hat die UNO einen Index präsentiert, der Vorurteile gegenüber Frauen misst: In der Schweiz haben knapp 55 Prozent mindestens eines – weltweit sind es sogar 90 Prozent.
Von Philipp Dahm
14.06.2023, 07:00
14.06.2023, 13:31
Philipp Dahm
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Am heutigen 14. Juni ist in mehreren Schweizer Städten zum feministischen Streik aufgerufen.
Kurz zuvor präsentiert das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen den neuen Gender Social Norms Index, der Vorurteile gegenüber Frauen bei 85 Prozent der Weltbevölkerung erhebt.
Die Schweiz liegt auf dem 13. Rang: Knapp 55 Prozent der Bevölkerung haben demnach mindestens ein Vorurteil.
Weltweit haben nur 10,3 Prozent keine Vorurteile gegen Frauen. Dagegen halten 25 Prozent Schläge in der Ehe für legitim.
Die Schweiz wähnt sich in Sachen Gleichstellung auf einem guten Weg: Beim Gender Inequality Index (GII) des UNO-Entwicklungsprogramms steht sie noch vor Norwegen und Island ganz oben auf der Liste.
Doch nun hat das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen den Gender Social Norms Index (GSNI) herausgegeben, der 85 Prozent der Weltbevölkerung repräsentieren soll und überraschende Zahlen bereithält.
90 Prozent haben demnach Vorteile gegenüber Frauen. Die Hälfte hält Männer für bessere Politiker. Und ein Viertel glaubt, Schläge in der Ehe seien in Ordnung. Und nur 27 Prozent halten es für eine Demokratie für notwendig, dass Frauen dieselben Rechte haben wie Männer.
Beim GSNI steht die Schweiz deutlich schlechter da als viele europäische Nachbarn. Der Grund: hier werden andere Werte erfasst. Beim GII hingegen schneidet der Bund so viel besser ab, weil die Aspekte Fortpflanzungsgesundheit, Frauen-Anteil in Landesparlamenten, sekundäre Schulbildung und Erwerbsanteil die entscheidenden Faktoren sind.
Der GSNI beleuchtet vielmehr die Vorurteile gegenüber Frauen auf verschiedenen Ebenen: Bei der Bildung geht es etwa um Menschen, die denken, ein Studium sei für Männer wichtiger als für Frauen. In Sachen Wirtschaft um jene, die glauben, Männer seien die besseren Manager. Ähnlich ist es im Bereich Politik bei der Fabel, Männer seien die besseren Volksvertreter.
Schweiz beim GSNI nur Mittelmass
Der Aspekt Physische Integrität erfasst die Einstellung zu Gewalt in einer Partnerschaft oder zum Fortpflanzungsrecht. Das Entwicklungsprogramm der UNO hat dafür Antworten aus 91 Ländern ausgewertet, die in verschiedenen Zeiträumen in den World Values Surveys 5,6 und 7 erhoben worden sind.
Beim GSNI belegt die Schweiz nur Rang 13. 54,86 Prozent der Bevölkerung hat mindestens ein Vorurteil gegenüber Frauen. Der Spitzenplatz geht an Neuseeland mit einem Anteil von 27,39 Prozent. Schweden, Grossbritannien, die Niederlande und Australien runden die Top 5 ab.
Die meisten Vorurteile gibt es demnach in Tadschikistan, dicht gefolgt von Pakistan, Katar, Libyen und Indonesien. Die Werte: 99,92 Prozent, 99,89 Prozent, 99,81 Prozent, 99,72 Prozent und 99,65 Prozent. «Der jüngste GSNI enthüllt, dass es in Sachen Vorurteile gegen Frauen in der letzten Dekade keine Verbesserungen gab», halten die Vereinten Nationen lakonisch fest.
Obwohl es mittlerweile 59 Länder gibt, in denen Frauen gebildeter als Männer sind, verharrt die Zahl von Frauen an der Staatsspitze seit 1995 bei 10 Prozent, heisst es weiter. Nur ein Drittel der Managerposten ist mit Frauen besetzt. Und: sie verdienen durchschnittlich 39 Prozent weniger als die Männer.
Warum die Schweiz so schlecht abschneidet
Es gebe aber auch Hoffnung: In 27 von 38 Ländern habe sich der Anteil jener erhöht, die keine Vorurteile gegenüber Frauen pflegen. Und das erklärt auch ein Stück weit das schlechte Abschneiden der Schweiz: Die entsprechenden Daten sind nämlich von der World Values Survey 5, die zwischen 2005 und 2009 erhoben worden ist.
Was sich hierzulande in den letzten 14 Jahren in den Köpfen der Gesellschaft getan hat, lässt sich nicht beziffern. Ein Fingerzeig ist aber Deutschland, das in dem Index auf Platz 6 liegt. Dort wurden – anders als in der Schweiz – auch die World Values Surveys 6 und 7 durchgeführt. In dieser Zeit bis 2022 ist der Anteil der Voreingenommenen deutlich gesunken.
Die Gegenmassnahmen, die die Vereinten Nationen vorschlagen, decken sich mit den Forderungen des feministischen Streiks, der am heutigen 14. Juni für die Schweiz ausgerufen ist und unter dem Motto «Lohn. Zeit. Respekt» steht. Die Forderungen: «Finanzielle und gesellschaftliche Aufwertung der Arbeit von Frauen», «Mehr Zeit und Geld für Betreuungsarbeit» sowie «Respekt statt Sexismus am Arbeitsplatz».
Die UNO fordert, man müsse die Gleichstellung bei der politischen Partizipation fördern, Massnahmen etwa bei sozialer Absicherung oder der Betreuung hochfahren und die Verbreitung von Stereotypen und patriarchalen Normen verhindern – etwa bei Hass-Nachrichten im Internet. Die Bildung sei dabei ein Schlüsselfaktor.