Hitlers Flaggschiff Stapellauf in den Untergang

Philipp Dahm

14.2.2019

Vor 80 Jahren wird in Hamburg das grösste und mächstigste Kriegsschiff seiner Zeit getauft: Die Versenkung der Bismarck nur zwei Jahre später ist für die Briten eine Frage der nationalen Ehre. 

«Rule, Britannia! Britannia rule the waves» – nicht umsonst gilt das Lied als inoffizielle Hymne der Insel: Die Marine war und ist der ganze Stolz Grossbritanniens. Im 19. und 20. Jahrhundert sichert sie Londons Aufstieg zur Weltmacht ab – und keiner kann sich mit der Royal Navy messen. 1814 verliert sie zuletzt ein Seegefecht, weil US-Schiffe in der Schlacht von Plattsburgh Oberwasser haben. Danach wird es in 100 Jahren niemand mehr wagen, der Navy zu nahe zu kommen.

Als die britische Admiralität dann doch mal wieder herausgefordert und im Seegefecht bei Coronel dann auch noch geschlagen wird, kocht die britische Volksseele: Das Ostasiengeschwader der kaiserlichen Marine überrascht 1914 Londons Flotte in den Gewässern des neutralen Chile und versenkt zwei Panzerkreuzer. Die Navy sinnt auf Rache – jedes einzelne Schiff der Deutschen, das an der schmachvollen Niederlage beteiligt war, soll auf den Grund des Meeres geschickt werden.

Maritime Vergeltung

Die Vendetta gelingt wenige Wochen später: Im Gefecht bei den Falklandinseln im Dezember 1914 werden die beiden schweren Kreuzer, zwei Transporter und zwei leichte Kreuzer des Ostasiengeschwaders zerstört. Nur der leichte Kreuzer SMS Dresden kann entkommen – was britische Admiräle aber nicht hinnehmen wollen. Weil die Dresden bei der Coronel-Niederlage dabei gewesen ist, ist es für London jedoch eine Frage des Prestiges, auch sie zu beseitigen. Drei Monate kann sich das deutsche Schiff der Rache entziehen, bevor sie im März 1915 in neutralem Gewässer angegriffen und versenkt wird.

Die SMS Dresden 1909 in New York.
Die SMS Dresden 1909 in New York.
Bild: Gemeinfrei

24 Jahre später gibt es keine kaiserliche Marine mehr. Das Deutsche Reich ist in der eisernen Hand Adolf Hitlers, der die Nation auf direktem Kurs in den Krieg steuert. Die Marine spielt in den Plänen des Führers eigentlich keine grosse Rolle, doch Hitler macht sich am 13. Februar 1939 dennoch auf den Weg von Berlin nach Hamburg, um ein Schiff zu taufen. Zuvor macht sein Sonderzug Halt in Friedrichsruh unweit der Hansestadt, wo der Namensgeber besagten Schiffes in einem Mausoleum aufgebahrt ist: Bismarck.

Nachkoloriertes Bild der Bismarck vom September 1940.
Nachkoloriertes Bild der Bismarck vom September 1940.
Bild:  Dt. Bundesarchiv/Gemeinfrei

Grösser, stärker, besser

Der Diktator beruft sich gern auf den beliebten Politiker – kein Wunder, denn Otto von Bismarck hat als Kanzler mit kluger Aussenpolitik die Geschichte Deutschlands nachhaltig geprägt. Nach Kranz-Niederlegung und Schloss-Besichtigung reist der Österreicher weiter nach Hamburg, quartiert sich im noblen «Hotel Atlantic» an der Alster ein und lässt sich am Morgen des  14. Februar zur Werft Blohm & Voss bringen.

Stapellauf der Bismarck.

Im Trockendock liegt das grösste und mächtigste Schlachtschiff seiner Zeit, das auf seine Taufe wartet. Bis dato waren stets die Briten diejenigen, die mit innovativen Neubauten in neue Dimensionen vorgerückt sind – wie mit der HMS Dreadnought 1906. Die HMS Hood, die 1918 vom Stapel lief, ist das grösste Kriegsschiff der Welt, doch diesen Rekord gibt sie am 14. Februar 1939 an die Bismarck ab. An jenem Tag tauft Dorothea von Loewenfeld das Schlachtschiff, die eine Enkelin Bismarcks ist. 

Kosten von knapp eine Milliarde Franken

Das Datum des Stapellaufs konnten sich Hitler und Co nicht aussuchen: Weil der 20'000 Tonnen schwere Rumpf drohte, beim Stapellauf auf den Grund der Elbe zu stossen, ist die Zeremonie nur bei Flut möglich. Mit gewohnt grossem Tamtam inszenieren die Nazis die Taufe des «stolzen Riesen», der mehr als zehn Meter Tiefgang hat und inflationsbereinigt circa 960 Millionen Franken gekostet hat.

Doe Propaganda-Sendung «Deutsche Wochenschau» erklärt das Schiff.

Mit der Bismarck hat das Deutsche Reich die maritime Messlatte höher gehängt: Ihre starke Panzerung gegen feindliche Schiffsartillerie und die Zielgenauigkeit ihrer Geschütze machen sie zu einem tödlichen Gegner. Es dauert jedoch bis zum August 1941, bis das Schiff voll ausgestattet und die Mannschaft einsatzbereit ist. Die erste Feindfahrt scheint zunächst ein voller Erfolg: Die Bismarck soll in der «Operation Rheinübung» mit ihrem Geschwader die englische Seeblockade durchbrechen und im Atlantik Schiffe versenken.

«Egal wie: Versenken Sie die Bismarck!»

Die deutsche Flotte wird jedoch entdeckt, gestellt – und die Bismarck zeigt Mitte Mai 1941, welches Potenzial sie hat: Zusammen mit dem schweren Kreuzer Prinz Eugen beschiesst sie die HMS Hood, bis diese während einer Explosion in drei Teile zerrissen wird und über 1'400 Matrosen mit in den Tod reisst. Nach der Schlacht soll die Bismarck eine Werft in Frankreich anlaufen, um leichte Schäden ausbessern zu lassen.

Hood versenkt: Die Bismarck im Gefecht in der Dänemarkstrasse.
Hood versenkt: Die Bismarck im Gefecht in der Dänemarkstrasse.
Bild: Dt. Bundesarchiv

Nun setzt London alle Hebel in Bewegung, um sein Flaggschiff zu rächen und die Schmach der Seekriegsniederlage vergessen zu machen. Verantwortlich ist einer, der auch schon zur unerbittlichen Jagd auf die Dresden geblasen hat: Winston Churchill. Sein Befehl: «Egal, wie Sie es anstellen: Versenken Sie die Bismarck!» Nahezu die gesamte Home Fleet sucht fortan nach der Bismarck, bis sie am 24. Mai entdeckt wird.

Filmaufnahmen von 1941.

Als «unsinkbar» haben die Nazis ihr Flaggschiff gepriesen, doch wegen der Treffer, die die Bismarck zuvor kassiert hat, kann sie nicht mehr volle Kraft voraus laufen. Die starke seitliche Panzerung schützt sie gut, doch bei Horizontaltreffern durch Flugzeuge ist sie verwundbar. Und ohnehin nützt auch die stärkste Verteidigung nichts, wenn der Gegner zahlenmässig haushoch überlegen ist. Am 27. Mai 1941 sinkt die Bismarck im Nordatlantik – rund 1'000 Kilometer westlich von Brest.

Nur Bordkatze unsinkbar

Nach dem Stapellauf am 14. Februar 1939 dauert es bis zum Frühjahr 1940, bis das Schlachtschiff einsatzbereit ist: Die Bismarck stand also nur knapp ein Jahr im Dienst der Kriegsmarine. Die Royal Navy hat wieder einmal erfolgreich Rache dafür genommen, dass sie auf See besiegt worden ist. Ihr Gegner war nicht unsinkbar – im Gegensatz zur Bordkatze Oscar. Diese soll der Legende nach gerettet worden sein – neben 115 von 2'219 Matrosen.

Oscar wird übrigens von der Besatzung der HMS Cossack adoptiert, doch der Zerstörer sinkt nach einem U-Boot-Treffer im Oktober 1941. Der Flugzeugträger HMS Ark Royal nimmt daraufhin Oscar auf, doch auch dieses Schiff fängt sich einen Torpedo-Treffer von einem deutschen U-Boot und geht im November 1941 unter. Bei den Briten firmiert Oscar fortan als «unsinkable Sam», doch weil das Tier Booten kein Glück zu bringen scheint, verbringt die Bordkatze der Bismarck ihre letzten Jahre an Land.

Das Wrack der Bismarck.

Die Briten behaupten zwar ihre Alleinherrschaft auf See, doch während sie argwöhnisch den deutschen Flottenbau beobachten, entgeht ihnen, dass sie quasi rechts überholt werden: Die USA übernehmen die führende Rolle auf den Weltmeeren. Vorbei ist es also mit «Rule, Britannia» – aber London bleibt ja noch «God Save the Queen».

Zur einzigen Schlacht des Zweiten Weltkriegs auf US-Territorium:

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