Übersicht WHO empfiehlt erstmals ein Medikament gegen Covid-19

uri/lmy

24.9.2021

Eine Ärztin bereitet in Berlin eine Infusion mit dem Medikament Casirivimab vor.
Eine Ärztin bereitet in Berlin eine Infusion mit dem Medikament Casirivimab vor.
KEYSTONE

Es gibt sie: Medikamente gegen Covid-19 – doch längst nicht alle wirken. Nun hat auch die Weltgesundheitsorganisation erstmals eine Antikörper-Kombination empfohlen.

uri/lmy

24.9.2021

Die Fachleute der Schweizer Covid-19-Taskforce haben Mitte August anhand zahlreicher Studien die Wirksamkeit verschiedener Medikamente gegen Covid-19 ermittelt. Die Expert*innen betonen in ihrem «Policy Brief», die Aussagen stellten keine Behandlungsleitlinien dar. Diese würden von verschiedenen medizinischen Fachgesellschaften aufgestellt.

Ende September hat nun erstmals auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein Medikament als Vorbeugung gegen eine schwere Covid-19-Erkrankung bei infizierten Risikopatienten empfohlen.

Die Schweiz hatte im April 2021 3000 Dosen des Medikaments bestellt und setzt dieses bereits ein, obwohl es noch keine Zulassung erhalten hat. Die zuständige Stelle Swissmedic liess die Verschreibung ausnahmsweise zu. Auch in der EU kommt es zur Anwendung, und die USA hatten bereits im November 2020 eine Notfallzulassung erteilt.

WHO empfiehlt Roche-Medikament

Die WHO verweist auf Studien, wonach die Antikörper-Kombination aus Casirivimab und Imdevimab von der US-Firma Regeneron und dem Basler Pharmakonzern Roche die Überlebenschancen von infizierten Risikopatienten verbessern kann. Die WHO veröffentlichte diese Empfehlung im «British Medical Journal».

Viele Länder, die selbst keine Risikobewertungen machen können, warten auf solche WHO-Empfehlungen. Auch Hilfsorganisationen setzen in der Regel nur von der WHO empfohlene Mittel ein.

Die WHO empfiehlt nun die Gabe der Mittel bei Corona-Patienten mit Vorerkrankungen, die deshalb Gefahr laufen, schwer an Covid-19 zu erkranken und dann auf Intensivstationen behandelt werden müssten. Ebenso sollen bereits schwer Erkrankte damit behandelt werden, die keine Antikörper gegen Covid-19 gebildet haben.



Herausforderungen seien die hohen Kosten und die knappe Produktion, so die WHO. Deshalb werde mit Roche über niedrigere Preise, eine mögliche Schenkung und eine faire Verteilung in aller Welt verhandelt. Die WHO setzte sich dafür ein, dass auch anderen Herstellern die Produktion ermöglicht wird, damit billigere Varianten der Mittel auf den Markt kommen.

Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen berichtete, Regeneron habe bereits in mindestens elf ärmeren Ländern Patentanträge gestellt. Sie forderte das Unternehmen auf, auf die Durchsetzung von Patenten in ärmeren Ländern zu verzichten.

Dexamethason senkt die Sterblichkeitsrate

Für die Taskforce bleibt das Präparat Dexamethason, das ähnlich wie das Hormon Kortison wirkt und eigentlich ein Medikament gegen rheumatoide Arthritis oder Asthma ist, Teil der Standardbehandlung hospitalisierter Personen, «die Sauerstoff benötigen». Das Mittel senke laut grosser Studien die Sterblichkeitsrate im Vergleich zur Standardbehandlung um «schätzungsweise 17 Prozent bei stationär behandelten Patienten und sogar um 34 Prozent bei kritischen Fällen».

Ähnliches gelte laut Studien auch für den monoklonalen Antikörper Tocilizumab, der normalerweise vor allem auch bei rheumatoider Arthritis Verwendung findet. Das Medikament senke demnach die Sterblichkeit um 15 Prozent und werde von der WHO für Patientinnen mit Ateminsuffizienz empfohlen, die auf eine Steroidtherapie mit Mitteln wie Dexamethason nicht rasch genug ansprechen würden.



Remdesivir verkürzt den Spitalaufenthalt

Ebenfalls könnte der antivirale Wirkstoff Remdesivir, ursprünglich gegen das Ebolavirus entwickelt, laut den Experten nutzbringend sein. Das Mittel verkürze offenbar die Dauer der Genesung und des Spitalaufenthalts von Corona-Patienten, so die Taskforce. Allerdings wirke sich Remdesivir nicht auf die Sterblichkeit aus. In der Schweiz werde das Medikament, für das die WHO nur eine bedingte Empfehlung im Corona-Einsatz gebe, auch «nicht routinemässig eingesetzt».

Positive Effekte bei der Behandlung von Corona-Patienten könnten auch durch das Asthma-Medikament Budesonid möglich sein. Hier sei eine Reduzierung von Behandlungen im Spital oder dem Gang in die Notaufnahme laut Studien zwischen 3 Prozent und 15 Prozent zu erwarten. Auch die Immunsuppressoren Baricitinib könnten den Gesundungsprozess geringfügig verbessern.

Von Trumps Hydroxychloroquin rät die WHO ab

Die Gabe von Rekonvaleszenz-Plasma indes scheine nur bei Risikopatienten oder Menschen mit geschwächtem Immunsystem angeraten, um eine schützende Immunantwort zu ermöglichen. Das müsse allerdings recht früh nach dem Ausbruch der Covid-Erkrankung erfolgen, so die Experten. 

Weitere Medikamente und Therapien zeigten bei der Behandlung keine deutlichen Verbesserungen, könnten «aber, in Abhängigkeit von den Ergebnissen demnächst veröffentlichter Studien, in bestimmten Situationen in Betracht gezogen werden».

Keine Verbesserungen wurden etwa beim vom Donald Trump propagierten Hydroxychloroquin festgestellt. Das ursprünglich zur oralen Therapie rheumatoider Arthritis gedachte Mittel solle laut WHO-Richtlinien bei hospitalisierten Patienten mit einer Covid-19-Erkrankung jeglichen Schweregrades nicht eingesetzt werden.

Transparenzhinweis: Eine frühere Version dieses Artikels erschien am 5. September 2021 und wurde aus gegebenem Anlass aktualisiert.