Forscher der ETH Zürich Klimawandel macht die Tage ein bisschen länger

SDA

15.7.2024 - 21:00

Schmilzt das Eis an den Polen, verlagert sich die Erdmasse und die Erdrotation wird minim langsamer. 
Schmilzt das Eis an den Polen, verlagert sich die Erdmasse und die Erdrotation wird minim langsamer. 
Symbolbild: Keystone

Der Klimawandel lässt die Tage auf der Erde einer Studie zufolge minimal länger werden. Grund dafür ist schmelzendes Polar-Eis, das sich auf die Weltmeere verteilt, so für eine andere Massenverteilung auf der Erde sorgt und damit die Erdrotation verlangsamt.

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  • Durch den Klimawandel verlängern sich die Tage minimal.
  • Ein Forschungsteam um Mostafa Kiani Shahvandi von der ETH Zürich hat den Effekt herausgefunden.
  • Derzeit liegt der klimabedingte Effekt auf die Tageslänge demnach bei etwa 1,33 Millisekunden pro Jahrhundert.

Das berichtet ein Forschungsteam um Mostafa Kiani Shahvandi von der ETH Zürich im Fachmagazin «Proceedings» der US-nationalen Akademie der Wissenschaften («PNAS»).

Derzeit liegt der klimabedingte Effekt auf die Tageslänge demnach bei etwa 1,33 Millisekunden pro Jahrhundert. Wenn der Klimawandel nicht eingedämmt wird, könnte der Effekt grösser werden als der Einfluss des Mondes auf die Erdrotation, erklärt die Gruppe. Dieser Effekt des Mondes beträgt derzeit 2,40 Millisekunden pro Jahrhundert.

Gezerre am Planeten

Die Schwerkraft des Mondes bringt auf der Erde Gezeitenkräfte hervor, die hauptsächlich in Ebbe und Flut sichtbar werden. Das «Gezerre» des Mondes an der Erde verlangsamt minimal die Rotation der Erde und verlängert damit den Tag.

Auch das Klima hat einen winzigen Einfluss auf die Erdrotation, der mit modernen Satelliten gemessen werden kann. Neben Satellitendaten verwendeten Shahvandi und sein Team Computermodelle, um den Einfluss des Klimas für die Zeit seit 1900 zu ermitteln und die Zeit bis 2100 zu prognostizieren.

Für die ersten zwei Jahrzehnte des 21. Jahrhunderts errechneten die Forscher eine durchschnittliche klimabedingte Zunahme der Tageslänge um 1,33 Millisekunden pro Jahrhundert. Zwischen 1960 und 1980 betrug die klimabedingte Zunahme der Tageslänge 0,32 Millisekunden, zwischen 1920 und 1940 1,00 Millisekunden. Diese Zunahme schwankte also erheblich im Laufe des 20. Jahrhunderts.

«Diese Schwankungen spiegeln die variablen Anteile der globalen Oberflächentemperatur-Änderung, der Eisschmelze, der Änderung der terrestrischen Wasserspeicherung und des Meeresspiegelanstiegs wider, die im 20. Jahrhundert aufgetreten sind», schreiben die Autoren.

Ihnen zufolge zeigen die Zahlen auch auf, dass der Massentransport von den Polen zum Äquator infolge des Klimawandels in den letzten zwei Jahrzehnten im Vergleich zu den vorhergehenden 100 Jahren beispiellos war.

Berücksichtigt haben die Forscher auch einen Effekt, der der Verlagerung der Wassermassen im Zuge der Eisschmelze entgegenwirkt: Massenverlagerungen im Erdmantel. Kilometerdickes Eis drückt die Landmassen Grönlands und der Antarktis in den zähflüssigen Teil des Erdmantels, auf dem sich die Erdplatten bewegen.

Wenn das Eis schmilzt, werden die Landmassen leichter und heben sich, weil zähflüssige Erdmantelmasse darunter fliesst. Der Effekt beträgt den Berechnungen zufolge derzeit minus 0,8 Millisekunden pro Jahrhundert, verkürzt also die Tageslänge.

Klimakrise übertrumpft Mond?

Bei der Prognose für das Jahr 2100 verwendete das Team um Shahvandi einerseits ein günstiges Szenario mit einem starken Rückgang der Treibhausgas-Emissionen: Das brachte kaum Veränderungen der klimabedingten Tageslänge mit sich. Beim Szenario RCP8.5 war das anders: Wenn ein weiterer Anstieg des Treibhausgas-Ausstosses das Klima anheizt und die Polkappen immer stärker schmelzen, ergibt sich eine klimabedingte Verlängerung des Tages um 2,62 Millisekunden pro Jahrhundert.

SDA