Experte zur neuen Gefahr von oben«Kleine Drohnen sind durch Radar kaum erfassbar»
Von Philipp Dahm
3.4.2022
Der Bundesrat äussert sich zum Thema Drohnen und Sicherheit: Einen Paradigmenwechsel bedeuteten sie nicht, obwohl kleine Fluggeräte nicht bekämpft werden könnten. Stimmt das? Ein ETH-Experte gibt Antwort.
Von Philipp Dahm
03.04.2022, 07:45
03.04.2022, 10:07
Philipp Dahm
Der Bundesrat kommt in einem Bericht zu dem Schluss, dass Drohnen zwar «zunehmend die Konfliktführung prägen». Doch andererseits sieht der Bund «keinen Paradigmenwechsel in der Einschätzung von Bedrohungen und Gefahren». Das wirft angesichts des Krieges in der Ukraine natürlich Fragen auf. ETH-Experte Roland Siegwart gibt Auskunft.
Zur Person
Bild: CS
Professor Doktor Roland Siegwart leitet das Autonomous Systems Lab (ASL) am Institut für Robotik und Intelligente Systeme (IRIS) der ETH Zürich. Der gelernte Maschinenbau-Ingenieur ist gleichzeitig Gründer und Mitgründer verschiedener Start-up-Unternehmen und hat das Buch «Introduction to Autonomous Mobile Robots» verfasst.
Laut Bundesrat haben «Drohnen keinen Paradigmenwechsel in der Einschätzung von Bedrohungen und Gefahren zur Folge». Teilen Sie diese Auffassung?
Ich bin kein Militär-Spezialist, aber ich glaube schon, dass Drohnen einen Einfluss haben werden. Man sieht am Krieg in der Ukraine, wie effizient sie sein können, wenn sie kleine Verbände angreifen. Und das wird sich noch verstärken.
Der Bundesrat schreibt, dass es «gegen kleinere Drohnen hingegen heute noch kein wirksames Abwehrsystem» gibt. Stimmt das?
Ja, das kann ich so bestätigen. Kleine Drohnen sind durch Radar kaum erfassbar. Sie fliegen typischerweise sehr tief und sie kommen immer schneller voran. Wenn sie dann über Häuserblöcke hinwegfliegen, kann man sie nur sehr schwer bekämpfen.
Was macht kleine Drohnen gefährlich?
Es besteht die Gefahr, dass jemand – vielleicht auch ohne bösen Willen – in einen Flughafen-Bereich hineinfliegt. Das ist relativ schwierig zu verhindern, wenn man den Piloten nicht findet.
Wie kann man der Gefahr begegnen?
Das Abschiessen wäre natürlich eine Variante, aber über besiedeltem Gebiet kann man wegen einer potenziellen Gefahr, die sich in den meisten Fällen als harmlos herausstellt, nicht einfach irgendeine Drohne abschiessen, die dann auf Leute fällt oder etwas anderes zerstört.
Und was könnte eine andere Variante sein?
Wir haben derzeit ein Studenten-Projekt im Bereich Drohnen-Abwehr, bei dem es darum geht, dass eine Drohne die andere einfängt. Es gibt einige Teams, die an so einer Lösung arbeiten, aber die Sache ist relativ schwierig.
Können Sie das genauer beschreiben?
Unser Projekt dreht sich nicht um einen militärischen Einsatz, sondern zielt darauf ab, Drohnen einzufangen. Wir nehmen eine zwei, drei Kilo schwere Drohne mit einem Netz, die kleinere Drohnen einfangen kann. Es geht darum, da intervenieren zu können, wo es ein gewisses Gefahrenpotenzial geben kann. Das kann ein Flughafen, aber auch ein Gross-Anlass sein. Bei einem Event wie der Streetparade kann man so eine Drohne natürlich nicht einfach über den Köpfen der Leute abschiessen, sondern muss sie einfangen.
Ist das Orten der Drohnen ein ebenso grosses Problem wie ihr Ausschalten?
Genau, auch weil Drohnen typischerweise tief oder nahe an Infrastruktur fliegen, sind sie so schwer zu erfassen. Ein Radar kann den Himmel absuchen, aber keine Drohne finden, die nah über ein Gebäude fliegt. Aber sie dann zu eliminieren, ist ebenfalls sehr schwer.
Woran liegt das?
Wenn sie den Piloten nehmen, der einem Flughafen zu nahekommt, können sie diese Drohne ja nicht einfach abschiessen. Man muss sie einfangen und sicher auf den Boden bringen. Es braucht also eine andere Drohne, die die Drohne erfassen und einfangen kann. Das ist relativ schwierig, weil Drohnen so dynamisch, agil und gerade die kleinen ziemlich flink sind. Eine Race-Drohne beschleunigt in unter zwei Sekunden von 0 auf 100 km/h.
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Wie schützen sich Flughäfen?
Es gibt verschiedenen Ansätze. Neuere Systeme, die versuchen, die Drohne zu fangen, können beispielsweise ein Netz hochschiessen. Andere versuchen, das Signal der Drohnen zu stören, was jedoch das Risiko birgt, dass die Drohne völlig ausser Kontrolle gerät. Zum Glück hat es bisher noch keine grösseren Unfälle gegeben: Meistens haben sich die Leute nicht überlegt, dass sie eine gewisse Gefahr sein können, wenn sie mit ihren Drohnen Aufnahmen machen.
Was gibt es noch für Möglichkeiten?
Auf der Herstellerseite wird auch einiges gemacht. Die Drohnen, die man heute kauft, können typischerweise nicht in der Nähe eines Flughafens fliegen oder starten. Sie haben ein GPS, mit dem solche Gebiete ausgeklammert werden können. Man kann sich zwar selbst eine Drohne bauen, aber sobald sie weiter wegfliegen muss, muss sie GPS-basiert fliegen, weil man sie nicht mehr sehen und steuern kann.
Sind Anti-Drohnen-Gewehre, Elektromagnetischer Impuls (EMP) und elektronische Kriegsführung auch probate Mittel?
Eigentlich schon, aber ein Störsender stört nun mal auch andere Sachen. Die Drohne kann ausser Kontrolle geraten. Und wenn man sie abschiessen will, muss man sie erst einmal erfassen. Das geht beispielsweise über einer Stadt nicht so einfach, weil sie klein sind, kaum Material haben und dadurch einen sehr kleinen Radarquerschnitt haben.
Können internationale Konferenzen in der Schweiz potenzielle Ziele für Einsätze kleiner Drohnen von nicht-staatlichen Akteuren werden?
Ein gewisses Risiko ist da. Aber je kleiner die Drohne, desto weniger Gefahrenpotenzial kann sie haben. Sprengstoff hat ja auch ein bestimmtes Gewicht.