Fragen und Antworten Ist ein Antikörpertest vor der Booster-Impfung sinnvoll?

von Tom Nebe, dpa

12.11.2021 - 06:18

November 2021: Für einen Antikörpertest wird Blut abgenommen und analysiert.
November 2021: Für einen Antikörpertest wird Blut abgenommen und analysiert.
Marijan Murat/dpa/dpa-tmn

Nach sechs Monaten kann der Corona-Impfschutz aufgefrischt werden. Teils schon früher. Älteren etwa wird das geraten – doch viele zögern. Sind Antikörpertests dann eine nützliche Entscheidungshilfe?

Durch eine «Booster»-Impfung wird der Immunschutz gegen das Coronavirus noch einmal stark verbessert – das ist klar. Dennoch fragen sich viele Menschen gerade: Brauche ich den dritten Piks wirklich, oder reicht die Abwehrkraft der bisherigen Impfungen noch aus?

Wer sich diese Frage stellt, denkt vielleicht über einen Antikörpertest nach, um eine Entscheidung für oder gegen den Booster zu treffen. Doch Fachleute halten das nur bedingt für sinnvoll. Warum? Wir beantworten wichtige Fragen zu diesem Thema.

Was bringt eine Auffrischungsimpfung?

Sie stärkt das Immunsystem nochmals gegen das Sars-CoV-2-Virus. Daher kommt die Bezeichnung Booster, also Verstärker. Eigentlich sei schon der Begriff Auffrischung nicht ganz korrekt, schreibt der Immunologe Carsten Watzl auf Twitter. Dadurch scheine es, dass mit der Impfung etwas wieder hergestellt wird, das verloren gegangen sei. Doch mit dem Booster stelle man nicht nur den Zustand nach der zweiten Impfung wieder her: Die Immunität sei nach dem Booster besser als nach der zweiten Impfung.

Das mache auch Sinn, so der Experte. Denn jedes Mal, wenn das Immunsystem mit dem Erreger oder dem Impfstoff in Kontakt komme, werde die Immunität stärker, besser und dauerhafter.

Wer erhält in der Schweiz eine Auffrischung?

In der Schweiz ist die Booster-Impfung seit dem 26. Oktober zugelassen. Für die breite Bevölkerung ist die Auffrischimpfung aber noch nicht vorgesehen. Der Bund empfiehlt sie derzeit für Personen über 65 Jahren. Besonders gilt das für Bewohner*innen von Alters- und-Pflegeheimen sowie für ältere Personen mit schweren Grunderkrankungen. Auch Personen mit Vorerkrankungen an Herz oder Lunge, aber auch Diabetiker können einen Booster bekommen – ab 12 Jahren.



Bereits davor empfohlen wurde eine dritte Impfdosis für Menschen mit einem geschwächten Immunsystem oder Personen mit schweren Erkrankungen. Bei der dritten Dosis für schwer Immungeschwächte handelt es sich jedoch nicht um eine Auffrischimpfung, sie ist vielmehr Teil der Grundimmunisierung.

Sollte man vor dem Booster einen Antikörpertest machen?

Der Hintergedanke erscheint sinnvoll: Wissen, wie hoch der durch die bisherigen Corona-Schutzimpfungen aufgebaute Immunschutz ist. Und so abschätzen können, ob die Auffrischungsimpfung notwendig oder (noch) verzichtbar ist.

Hier könnten Antikörpertests Klarheit schaffen, sagt Andreas Bobrowski, Vorsitzender des Berufsverbandes Deutscher Laborärzte. Er stellt aber auch klar: Es mache keinen Sinn, diese Tests pauschal zu empfehlen. Wer allerdings etwa anfällig für Infekte oder allgemein immungeschwächt ist, dem gibt so ein Test womöglich eine wichtige Info dazu, wie gut die Impfungen angeschlagen haben.

Das Robert Koch-Institut (RKI) hat indes eine klare Botschaft: Es sei nicht empfohlen, vor der Auffrischungsimpfung einen Antikörpertest zu machen, um zu prüfen, ob weiterhin Schutz vor Covid-19 bestehe. Ein Grund dafür sei, dass man noch gar nicht genau wisse, ab welchem Antikörperwert man von einem ausreichenden Schutz ausgehen kann.

Was sagt einem das Ergebnis eines Antikörpertests?

Bei einem Antikörpertest werden Andreas Bobrowski zufolge in der Regel die sogenannten Anti-Spike-Antikörper (IgG) geprüft, die sich in Folge der Impfung bilden. Wichtig ist, dass so ein Test aussagekräftige und vergleichbare Ergebnisse ergibt. Das geschieht mit einem Standard der Weltgesundheitsorganisation WHO, der in BAU/ml angegeben wird (BAU = Binding Antibody Units).

Sichere Grenzwerte, ab welchem BAU/ml-Wert man noch als geschützt gilt, gibt es aber eben keine. Man kenne sie (noch) nicht, schreibt Watzl auf Twitter. Die Frage, ob man vor der Booster-Impfung die Antikörper bestimmen müsse, beantwortet er wie das RKI: «Nein.»

Gibt es denn Schätzungen zu den Grenzwerten?

Ja, das schon. Mit Blick auf Daten seines Labors und unter anderem aus Israel sagt etwa Bobrowski: Unter einem Wert von 21,8 BAU/ml sei kein messbarer Schutz durch Anti-Spike-Antikörper gegeben. Darüber folge jedoch ein grosser Graubereich, wo man noch nicht so richtig wisse, wann der Schutz ausreichend gut ist.

«Nach meiner Einschätzung ist ein Wert von 500 so hoch, dass man nicht sofort eine Drittimpfung benötigt», so der Laborarzt. Bei allem über 1000 BAU/ml könne man von einem guten Schutz sprechen. Das deckt sich mit dem, was Carsten Watzl auf Twitter nach einem Blick auf die Studienlage zum Thema schreibt: «Antikörperwerte über 1000 BAU/ml scheinen mit recht gutem Schutz vor symptomatischer Infektion zu korrelieren.» Korrelieren meint: In Beziehung stehen.

Ist es schlimm, wenn man trotz hohem Antikörperspiegel auffrischt?

Nein, stellt das deutsche RKI klar. Doch «fälschlicherweise» nähmen viele Menschen an, dass bei einem hohen Antikörperspiegel im Körper durch die Grundimmunisierung keine Auffrischung verabreicht werden sollte. Auch bei noch bestehender Immunität gebe es aber keine Sicherheitsbedenken mit Blick auf die Auffrischung. Der Schutz wird nur noch besser.

Und wenn die Werte des Tests sehr niedrig sind?

Bei der Diskussion um diese Grenzwerte gehe es um einen Schutz vor der symptomatischen Infektion, schreibt Immunologe Watzl. «Der Schutz vor schwerer Erkrankung kann immer noch hoch sein.» Deshalb sein Rat: Keine Panik bei geringen Antikörperwerten, aber besser einen Booster-Termin vereinbaren.

Was kostet der Antikörpertest und befähigt er für ein Zertifikat?

Antikörper-Tests sind selbst zu bezahlen und kosten derzeit in der Apotheke zwischen 50 und 100 Franken. Ab 16. November 2021 können Personen, die mit einem aktuellen positiven Antikörpertest belegen können, dass sie genesen sind und über ausreichend Antikörper verfügen, auch ein Covid-Zertifikat bekommen. Dieses ist dann aber lediglich 90 Tage lang und nur in der Schweiz gültig.

Sollte man beim dritten Pieks auf den anderen Hersteller wechseln?

Hier zeigen Daten aus den USA, die als Preprint veröffentlicht wurden: Eine Mischung – etwa Grundimmunisierung mit Biontech und Auffrischung mit Moderna – bringt tatsächlich kleine Unterschiede bei der Booster-Wirkung.

Aber sie sind eben klein: So lagen die Effekte auf den Antikörperspiegel bei der Kombination Biontech/Moderna im Mittel beim Faktor 17,3. Bei Biontech/Biontech waren es 14,9. Umgekehrt lagen sie bei Moderna/Biontech bei 9,7, bei Moderna/Moderna bei 7,9.

Es sei daher unerheblich, welchen mRNA-Impfstoff man für die Auffrischung nehme, ordnet der deutsche Immunologe Carsten Watzl mit Blick auf diese Daten ein. Zumal in dieser Studie Booster-Impfungen mit der vollen Dosis Moderna (100 Mikrogramm) gemacht worden seien. Für die Auffrischung solle aber die halbe Dosis (50 Mikrogramm) verwendet werden.

Kann man den Corona-Booster mit einer Grippeimpfung kombinieren? 

Wie die Experten des Bundes auf ihrer Medienkonferenz am 9. November 2021 erklärten, lässt sich Grippe- und Coronaimpfung problemlos kombinieren. Josef Widler, Hausarzt und Präsident der Ärztegesellschaft des Kantons Zürich, sagte dem SRF: «Wir verimpfen beides, wenn das die Leute wollen». Demnach hätten sich auch mehr als die Hälfte jener, die für die Booster-Impfung bei ihm vorbeikämen, auch gleich für eine Grippeschutzimpfung angemeldet.

von Tom Nebe, dpa