Asperger-AutismusWas Greta Thunbergs Krankheit bedeutet
Vanessa Köneke, DPA/tjb
19.10.2019
Asperger-Autisten gelten oft als besonders begabte Wunderkinder – so wie Greta Thunberg. Doch viele haben eine falsche Vorstellung von der Krankheit. Genau genommen gibt es Asperger-Autismus nicht einmal.
Als Greta Thunberg auf dem Uno-Klimagipfel in New York eine Wutrede hielt, waren manche Zuschauer überrascht. Ist Greta nicht Autistin? Und haben die überhaupt Gefühle?
Bei Twitter beschreibt sich Thunberg selbst als «16-jährige Klima- und Umweltaktivistin mit Asperger». Tatsächlich wirkte sie zuvor fast immer rational kühl.
Für Millionen Menschen ist die Schwedin zu einem Vorbild geworden. Für andere zu einer Hassfigur. Gegner beleidigen sie auch wegen ihrem Autismus. Greta sei ein Roboter, gehöre in die Psychiatrie, projiziere ihre Probleme auf den Klimawandel.
Viele Mythen um Asperger-Syndrom
Das öffentliche Bild von Greta schwankt zwischen «Wunderkind» und «krankhaft». Um Autismus und das Asperger-Syndrom ranken sich einige Mythen. In manchen Aspekten sind sich sogar Wissenschaftler noch nicht einig.
Autismus bedeutet laut den diagnostischen Kriterien zum einen, dass Betroffene in sozialen und kommunikativen Fähigkeiten eingeschränkt sind. Ihnen fällt es beispielsweise schwer, Gesichtsausdrücke zu deuten oder Ironie zu verstehen. Greta Thunberg nennt bei Facebook ihre mangelnden Fähigkeiten im «Socializing» als entscheidenden Grund dafür, anfangs alleine protestieren gegangen zu sein. «Wenn ich «normal» und gesellig gewesen wäre, hätte ich mich einer Organisation angeschlossen oder selbst eine gestartet.»
Das zweite entscheidende Merkmal für Autismus ist, dass Betroffene zu Monotonie neigen. Sie haben etwa den Wunsch nach Ritualen, den immer gleichen Speisen oder Themen. Meist leiden sie auch unter starken Sinneseindrücken: Licht und Geräusche erscheinen ihnen extrem hell beziehungsweise laut.
Betroffenen sind nicht empathielos
Autisten wird nachgesagt, sich nicht in andere Menschen hineinfühlen zu können. «Dass autistische Menschen keine Empathie haben, ist nicht der Fall», widerspricht der Autismusforscher
Simon Baron-Cohen von der Universität Cambridge. Viele hätten zwar Schwierigkeiten, sich gedanklich in Mitmenschen hineinzuversetzen. Aber Empathie habe – neben diesem kognitiven – auch einen affektiven Teil, das heisst eine emotionale Reaktion auf andere Menschen.
Während Autisten in sozialen Bereichen meist Probleme haben, gelten sie in anderen manchmal als wahre Genies. Speziell Asperger-Autisten werden häufig als hochintelligent porträtiert. Etwa im Film Rain Man, in dem Dustin Hoffman einen Autisten spielt, dessen enorm gutes Gedächtnis sich beim Kartenspiel auszahlt.
Manche
Unternehmen beschäftigen sogar speziell Autisten, weil sie als besonders detailorientiert gelten. Das kann etwa bei Fehleranalysen im IT-Bereich hilfreich sein. «Autistische Talente können in allen Bereichen auftauchen, in denen Muster analysiert werden können», so Baron-Cohen. Also zum Beispiel auch in der Musik.
Doch Menschen mit Autismus sind längst nicht immer hochbegabt – auch nicht alle Asperger-Autisten. Aussergewöhnliches Können ist meist eine Savant-Fähigkeit, das heisst eine Inselfähigkeit, die sich nur auf einen Bereich auswirkt. Und nur wenige Autisten sind Savants.
Die Intelligenz kann sehr unterschiedlich sein. Ärzte und Psychologen unterschieden lange verschiedene Autismus-Varianten anhand des Intelligenzgrades. Menschen mit Asperger oder sogenanntem hochfunktionierendem Autismus haben eine höhere Intelligenz als Menschen mit «klassischem» Autismus, dem Kanner-Autismus. Leo Kanner hatte das Autismus-Krankheitsbild 1943 erstmals beschrieben. Ein Jahr später veröffentlichte Hans Asperger seine Habilitation, die der anderen Autismusvariante einen Namen gab. Doch höhere Intelligenz bedeutet nicht gleich hochbegabt.
Gibt es Asperger überhaupt?
Inzwischen ist sogar umstritten, ob es das Asperger-Syndrom überhaupt gibt. Im aktuellen Diagnostikkatalog, nach dem Psychiater Erkrankungen einteilen, taucht das Syndrom nicht mehr auf. In dem sogenannten DSM V (der fünften Ausgabe des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) wurden 2013 die bisher getrennten Krankheitsbilder zur sogenannten Autismusspektrumsstörung zusammengefasst. Seitdem gilt Autismus als ein Kontinuum.
Die Geschichte des Asperger-Syndroms wäre damit kurz: Erst 1980 war es in den Diagnosekatalog aufgenommen worden. Doch die Diskussionen dauern an. Wissenschaftler untersuchen weiter, ob Unterschiede zwischen Autisten nur Nuancen sind oder auf separate Krankheiten hinweisen. Autismus-Experte Simon Baron-Cohen rät, einen Oberbegriff mit Subtypen zu haben – wie bei Diabetes Typ-1 und Typ-2. So liesse sich unter anderem besser verstehen, welche Hilfsangebote wem helfen.
Auch Betroffene sind sich nicht einig. Manche sehen Autismus als Behinderung. Andere sprechen sich unter dem Stichwort Neurodiversität dafür aus, dass sie nur eine andere Art der Wahrnehmung hätten. Wo Autismus anfängt, ist in der Tat unklar. Nach den neuen Diagnose-Kriterien würden viele Asperger-Autisten gar nicht mehr als Autisten gelten – laut einer Meta-Analyse träfe das auf jeden Vierten zu.
Für viele Autisten ist die Diagnose Teil ihrer Identität. Auch Greta Thunberg schrieb bei Twitter: «Ich habe Asperger und das bedeutet, dass ich manchmal ein bisschen anders als die Norm bin. Und – unter den richtigen Umständen – kann Anderssein eine Superkraft sein.»
Ob Autismus Fluch oder Segen ist, dürfte noch länger umstritten bleiben. Der Begriff Asperger-Autismus ist aber aus einem anderen Grund in Ungnade gefallen:
Hans Asperger (1906-1980) soll am Euthanasie-Programm der Nazis beteiligt gewesen sein. Wissenschaftler raten schon länger, Erkrankungen nicht nach Personen zu benennen.
Greta Thunberg und Co.: Diese Teenager verändern die Welt
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Politisch verdrossen? Ich-bezogen? Die «Jugend von heute» ist besser als ihr Ruf. Die Galerie zeigt 21 junge Menschen, die die Welt verändern.
Bild: Maja Hitij/Getty Images
Flint in Michigan steht oft stellvertretend für den vergessenen mittleren Westen der USA. Die abgewanderte Automobilindustrie hinterliess nur Arbeitslosigkeit und verseuchtes Wasser. 2016 schrieb Mari Copeny mit acht Jahren Barack Obama einen Brief, es folgte ein Besuch des Präsidenten. Seitdem sammelt Mari (11) erfolgreich Spenden für ihre Stadt.
Bild: www.instagram.com/littlemissflint
In ihren Schulbüchern gehe es immer nur um weisse Jungs und deren Hunde. Deshalb rief Marley Dias 2015 als Zehnjährige mit #1000BlackGirlBooks auf, Bücher mit einer grösseren Diversität zu spenden. Tausende kamen für Schulen in den USA und der Karibik zusammen, weitere überarbeiteten ihre Standardlektüre. 2018 veröffentlichte Marley (heute 14) ihr erstes eigenes Buch.
Bild: www.instagram.com/iammarleydias
Nicht nur für «Entertainment Weekly» gehört sie zu den besten Darstellerinnen ihres Alters: Marsai Martin spielt eine Hauptrolle in der Sitcom «Black-ish». Dem nicht genug startet im April mit «Little» in den USA ein Film, für den sie die Idee einreichte und als ausführende Produzentin tätig war – im Alter von 14 Jahren.
Bild: www.instagram/marsaimartin
Sie ist nicht nur unter Teenies gefragt: Millie Bobby Brown schaffte es sogar schon auf die «Time 100 List» der einflussreichsten Personen der Welt – neben Donald Trump, Elon Musk und Oprah Winfrey. Die 15-Jährige Unicef-Botschafterin ist das Gesicht der Netflix-Serie «Stranger Things», modelt und zählt 18,4 Millionen Instagram-Abonnenten.
Bild: Vittorio Zunino Celotto/Getty Images for Moncler
Mit ihrem Debüt in «12 Years A Slave» (2013) dürfte sich Storm Reid unter Gleichaltrigen kaum einen Namen gemacht haben – dafür ist das oscarprämierte Drama zu schwere Kost. Unter den Filmschaffenden Hollywoods fand die heute 15-Jährige allerdings viele Fans. So ergatterte sie sich zuletzt grosse Rollen, unter anderem in Disneys «Das Zeiträtsel».
Bild: Chris Jackson/Getty Images for Disney
Lisa und Lena Mantler aus Stuttgart sind 16 Jahre alt und bei Teenagern weltweit wahrscheinlich die bekanntesten Deutschen überhaupt. Über die Plattform TikTok verbreiten die beiden seit 2015 Lipsync-Videos von internationalen Pophits. Über 14 Millionen Instagram-Abonnenten, diverse Werbedeals und eine Modemarke sind ein mehr als gutes Nebengeschäft.
Bild: Andreas Rentz/Getty Images
Danielle Bregoli aus Florida legte 2017 bei der US-Talk-Show «D. Phil» einen rotzfrechen Auftritt hin, an den man sich noch lange per Memes und YouTube-Videos erinnern sollte. Mittlerweile ist sie mit gerade mal 16 Jahren unter dem Künstlernamen Bhad Bhabie Top-100-Rapperin, Reality-Show-Star und Gründerin einer Make-up-Firma.
Bild: www.instagram/bhadbarbie
Die Schwedin Greta Thunberg startete im August 2018 alleine einen «Schulstreik für das Klima». Hunderttausende machen es ihr nunmehr nach und ziehen unter dem Motto «Fridays for Future» jeden Freitag durch Gross- und Kleinstädte, von Washington bis Wellington. Die 16-Jährige wurde kürzlich für den Friedensnobelpreis nominiert.
Bild: Adam Berry/Getty Images
Umweltschutz steht im Indonesien gewiss nicht ganz oben auf der politischen Agenda. Trotzdem wurde für die beliebte Urlaubsinsel Bali 2017 ein Plastiktütenverbot erwirkt. Antreiber des Ganzen waren die Geschwister Melati (17) and Isabel (16) Wijsen, die seit 2013 unter dem Motto «Bye Bye Plastic Bags» Reden halten und Gleichgesinnte versammeln.
Bild: Andreas Rentz/Getty Images
Eine Ohr-OP im Kindesalter weckte Krtin Nithiyanandams Interesse an Medizin und Naturwissenschaften. Seitdem scheint der Brite nicht zu stoppen zu sein. Mit 15 entdeckte er einen Antikörper, der Alzheimer-Erkrankungen früh erkennt, danach ein Bioplastik, das Wasser von Giftstoffen befreien kann. Aktuell, 17 Jahre alt, forscht er an Brustkrebs.
Bild: Krtin Nithiyanandam/Wikimedia/CC BY-SA 4.0
Dave Grohl höchstpersönlich verglich Billie Eilish kürzlich mit seiner ehemaligen Band Nirvana. Die 17-jährige Kalifornierin spielt freilich keinen angestaubten Grunge. Ihre Verschmelzung aus Pop, Elektro und HipHop löse bei seinen Töchtern und Gleichgesinnten allerdings einen ähnlichen Hype aus, wie er es vor fast 30 Jahren selbst erlebte.
Bild: Kenneth Cappello / Universal Music
Transsexualität ist ein Thema, das lange verschwiegen, nicht erst genommen oder lediglich belächelt wurde. Aktivistinnen wie Jazz Jennings (18) arbeiten dagegen an. Erst über YouTube, dann über den US-Sender TLC erzählt sie ihre Geschichte und die anderer Transgender-Menschen. 2016 veröffentlichte sie ihr erstes Buch.
Bild: www.instagram.com/jazzjennings_
Boulder, Colorado, wo Xiuhtezcatl Martínez herkommt, ist ein Mekka für linke und grüne Aktivisten. Der 18-Jährige saugte den Spirit seiner Umgebung geradezu auf, führt aufwendige Klagen gegen den Staat und verbreitete seine Botschaften in Schriften, einem Buch und Raptexten.
Bild: W-film / fechnerMEDIA
Bei Kiernan Shipka war es kein schlechtes Omen, bereits im Alter von sechs Jahren vor der Kamera gestanden zu haben. Sie spielte in 60 Folgen Don Drapers Tochter Sally Beth in «Mad Men», blieb mit Fernseh- und Kinofilmen am Ball und verkörpert mit 19 Jahren nun die Titelfigur der Netflix-Serie «Sabrina».
Bild: Samuel de Roman/Getty Images for Netflix
Adut Akech und ihre Familie durften vor gut zehn Jahren ein neues Leben beginnen. Mit neuen Möglichkeiten. Als Flüchtlinge aus dem Süd-Sudan landeten sie in Australien. Bereits mit 13 rissen sich dort Modelagenturen um sie. Heute, 19 Jahre jung, blickte sie bereits von mehreren «Vogue»-Covern und präsentiert Prada, Versace und viele, viele mehr.
Bild: John Phillips/Getty Images for The Business of Fashion
Mit sechs Jahren begann Skeku Kanneh-Mason (19) das Cellospielen, was ihn über ein Stipendium auf die Royal Academy of Music führte. Mit 17 bekam er einen Plattenvertrag, das Debüt voller klassischer Musik chartete auf Platz elf im Vereinigten Königreich. Grösster Auftritt bisher: 2018 auf der Hochzeit von Prinz Harry und seiner Meghan.
Bild: Lars Borges/Kensington Palace via Getty Images
or neun Millionen Instagram-Abonnenten kann man protzig zeigen, was sich mit plötzlichem Reichtum einer jungen Filmkarriere alles kaufen lässt. Joey Kings Ding ist das nicht (nur). Die 19-Jährige aus der «Fargo»-Serie und «The Kissing Booth» nutzt die Bühne, um sich etwa lautstark gegen übermässigen Waffenbesitz und Menschenhandel auszusprechen.
Bild: Netflix / Marcos Cruz
Fast 200'000 Unterschriften sammelte Amika George für ihr Ansinnen, ärmeren Mitbürgerinnen in Grossbritannien kostenlos Zugang zu Monatshygiene-Artikel zu verschaffen. Teils hochrangige Politiker setzen sich nun dafür ein. Trotzdem geht der Kampf der 19-Jährigen weiter: «Wenn wir Veränderungen haben wollen, müssen wir diese selbst liefern.»
Bild: www.freeperiod.org
Schon früh wusste Muzoon Almellehan, dass Bildung der Schlüssel von so vielem ist. So habe sie bei ihrer Flucht aus Syrien 2014 einzig ihre Schulbücher bei sich gehabt. Nun bemüht sich die 19-Jährige vom britischen Newcastle aus als Unicef-Botschafterin um das Recht auf Schulbildung in ihrem Geburtsland und anderen Krisenherden wie dem Tschad.
Bild: Carlos Alvarez/Getty Images
Millionen von Kindern kennen Jace Norman als Kid Danger aus der Nickelodeon-Serie «Henry Danger». Nicht mehr als ein Sprungbrett für den 19-Jährigen. Mit seiner eigenen Social-Media-Firma berät er unter anderem Medienschlachtschiff Viacom. Auch als Serien-Produzent tritt er demnächst in Erscheinung.
Bild: www.instagram/jacenorman
Aufgewachsen in Pakistan unter der Herrschaft der Taliban kämpfte Malala Yousafzai bereits früh für das Recht auf Bildung. Unter anderem schrieb sie einen Blog für die «BBC». Malala überlebte mehrere Attentate, das erste 2012 trotz eines Schusstreffers ins Gesicht. Sie steckte nie zurück und wurde 2014 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
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