Konkurse häufen sichWieso sterben so viele Schweizer Traditionsbetriebe aus?
Samuel Walder
28.10.2024
Immer öfter geraten Schweizer Traditionsunternehmen und KMU in finanzielle Schieflage. Im ersten Halbjahr 2024 verzeichneten die Insolvenzen einen deutlichen Anstieg – besonders betroffen sind die Automobil- und Immobilienbranche. Ein Experte schätzt ein.
Samuel Walder
28.10.2024, 07:54
28.10.2024, 10:49
Samuel Walder
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Die Zahl der Insolvenzen in der Schweiz stieg im ersten Halbjahr 2024 um 7 % im Vergleich zum Vorjahr, wobei besonders Autozuliefer- und Immobilienbranchen betroffen sind.
Regionale Unterschiede zeigen eine starke Zunahme der Konkurse in Zentralschweiz und Ostschweiz.
Ökonom und KMU-Experte Felix Horlacher erklärt, welche möglichen Gründe es für eine Schliessung gibt.
Es scheint, als würden immer häufiger Traditionsfirmen und KMU in der Schweiz in Konkurs gehen. Das belegen auch die Zahlen und Experten. Doch wieso sterben so viele Firmen aus?
Der Bund und das KMU-Portal des Seco informieren über die Insolvenzzahlen der Unternehmen in der Schweiz im ersten halben Jahr 2024. Die Zahl der Insolvenzverfahren in der Schweiz schwächt sich nicht ab. Im ersten Halbjahr 2024 gaben 3006 Unternehmen ihr Geschäft auf, wie die Wirtschaftsberatung Dun & Bradstreet mitteilt, schreibt das KMU-Portal. Dies bedeute eine Zunahme um 7 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Auto- und Immobilienbranchen leiden am meisten
Vor allem in der Zentralschweiz (384, +27 Prozent), der Ostschweiz (336, +12 Prozent) und im Kanton Zürich (552, +10 Prozent) wurde ein besonders hoher Anstieg der Löschungen im Handelsregister beobachtet.
Die Genferseeregion und die Nordwestschweiz weisen ihrerseits mit 7 Prozent einen moderateren Anstieg der Konkurse auf (694 respektive 397 Fälle). Im Tessin hat sich die Situation nur wenig verändert (179, +2 Prozent), während der Espace Mittelland die einzige Region ist, in der die Insolvenzverfahren rückläufig waren (464, –11 Prozent).
Im ersten Halbjahr 2024 waren Firmen im Autogewerbe (+43 Prozent) und der Immobilienbranche (+38 Prozent) stark von Insolvenzen betroffen. Herstellung und persönliche Dienstleistungen verzeichneten ebenfalls einen Anstieg von je 16 Prozent bei den Konkursen.
Wie so oft gibt es nicht nur einen Grund für das Sterben der Traditionsfirmen. KMU-Experte und Ökonom Felix Horlacher sagt: «Es gibt Branchen, die es heutzutage schwieriger haben als früher. Ein weiterer Faktor ist aber auch die Digitalisierung.» Meistens sind es verschiedene Faktoren, die ein Unternehmen in die Knie zwingen. Horlacher beobachtet die Branchen ständig und bestätigt, dass es eine leichte Zunahme von Schliessungen gegeben hat. Dennnoch wurden auch neue Unternehmen gegründet.
«Je nach Branche oder Industrie können die Gründe variieren. Zum Beispiel beim Exportgeschäft ist der Wechselkurs ein Faktor, der einem Unternehmen schaden kann», sagt Horlacher. Die Digitalisierung ist ein wichtiger Faktor, der zwischen Konkurs oder steigenden Zahlen entscheiden könne.
Wer früh in die Digitalisierung investiert hat, könne so Kosten sparen und allenfalls in der Dienstleistungsbranche die Preise senken. «Das macht ein Unternehmen für Kundinnen und Kunden attraktiver», sagt Horlacher. Zum Besipiel können interne Abläufe durch die Digitalisierung vereinfacht werden. Auch Kunden gegenüber ist die Digitalisierung wichtig. Zum Beispiel können so digitale Quittungen oder Garantien Papier sparen. Den Wettbewerb unter den Unternehmen dürfe man auch nicht unterschätzen.
Der Krieg in der Ukraine kann für das Aussterben verantwortlich sein
Ein weiterer Grund könnte auch der Krieg in der Ukraine und im Nahen Osten sein. «Die Schweizer Wirtschaft ist durch die Kriege hauptsächlich bei den Energiepreisen betroffen. Es hat sich zwar jetzt mittlerweile wieder eingependelt. Das wird aber bestimmt gewisse Unternehmen viel Geld kosten», sagt Horlacher. Stelle man sich ein Stahlwerk vor, können höhere Strom- oder Energiekosten schnell für das Ende eines Unternehmens sorgen.
Horlacher glaubt, dass der Industriesektor stärker von Schliessungen betroffen sei als der Dienstleistungssektor.
Ein weiterer Grund ist der Wettbewerb. Gewisse Bereiche müssen sich überlegen, ob sie nicht die Strategie oder gar die Ausrichtung ihres Geschäfts überdenken müssen. «Ein Schweizer Unternehmen, das zum Beispiel Textil herstellt, hat keine Chance, gegen die grossen Firmen anzukommen», erklärt Horlacher. Die grossen Textilunternehmen produzieren in Asien. Der Markt ist ausgeschöpft und die Herstellung in Asien deutlich günstiger. «Ein Schweizer Textilunternehmen kann also gar nicht mithalten», sagt Horlacher.
Für den Experten müsse eine Schliessung aber nicht gleich etwas Negatives bedeuten. «Wenn ein Unternehmen schliesst, die Branche aber gut ausgelastet ist, muss das der Wirtschaft aber nicht gleich schaden.» Es entstehe eine natürliche Durchmischung der Arbeitskräfte und andere Unternehmen könnten unter Umständen neuen Aufschwung erhalten. Es sei vielleicht etwas zynisch, aber der Wettbewerb sei gross und nur so könnten andere Unternehmen in derselben Branche vielleicht sogar neuen Aufwind erhalten.