Credit Suisse vor GerichtWas Kokain, Koffer voll Geld und die Mafia am Paradeplatz suchen
aka
7.2.2022
Die CS ist die erste grosse Bank in der Schweiz, die wegen Geldwäscherei angeklagt ist. Ab heute läuft der Monster-Prozess. Es geht um Drogen und die Mafia.
aka
07.02.2022, 15:45
07.02.2022, 15:57
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Die Szene könnte aus einem Film stammen: Bulgarische Mafia-Mitglieder spazieren mehrere Male in den Hauptsitz der Credit Suisse am Zürcher Paradeplatz. Sie übergeben der Bank Koffer voller Bargeld. Darin liegen gebrauchte Euros, lose und in kleinen Scheinen. Es ist Drogengeld.
Die zuständige CS-Kundenbetreuerin nimmt das Geld entgegen. Das schreibt die Bundesanwaltschaft in der 600 Seiten dicken Anklageschrift gegen die CS, aus der Radio SRF zitiert.
Klingt unglaublich. Wie geht es weiter?
Ab heute läuft ein Prozess gegen die CS vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona. Die CS ist die erste grosse Bank in der Schweiz, die wegen Geldwäscherei angeklagt ist. Der Prozess ist auf 20 Verhandlungstage angesetzt.
Warum wurde die CS bei den Koffern voll Geld nicht stutzig?
Das ist die grosse Frage. Neben den beiden bulgarischen Bandenmitgliedern sitzt in Bellinzona deshalb auch die Kundenbetreuerin auf der Anklagebank, die bei der CS für reiche Kunden aus Osteuropa zuständig war.
Die Bundesanwaltschaft wirft der CS «ein Kontrollversagen auf allen Ebenen» vor. Nur so sei diese Geldwäsche erst möglich gewesen. Die CS habe zudem ihre Kund*innen und deren Transaktionen nicht gut überprüft und ihre Kundenberater*innen zu wenig unterstützt, so die Bundesanwaltschaft.
Es handelte sich beim gewaschenen Geld nicht um verschleierte Banktransaktionen, sondern auch um persönlich überreichte Koffer voller Geld. Ein Teil davon war Falschgeld.
Was sagt die CS zu den Vorwürfen?
Die Bank weist alle Vorwürfe zurück. Die CS zeigt sich auch von der Unschuld ihrer ehemaligen Mitarbeiterin überzeugt. Man habe das «bankinterne Abwehrdispositiv zur Geldwäschereibekämpfung (…) in den vergangenen zwölf und mehr Jahren, und insbesondere in jüngerer Zeit (…) massiv ausgebaut und verstärkt», sagt ein Sprecher zur Onlineplattform Insideparadeplatz. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Und die bulgarische Mafia?
Es geht um ein kriminelles Netzwerk aus Bulgarien. Deren Boss, ein ehemaliger bulgarischer Ringer, soll in seiner Heimat einen Mafia-Clan aufgebaut und tonnenweise Kokain nach Europa importiert haben. So soll er – auch bei der CS in Zürich – Millionen gewaschen haben.
Kurz vor Erhebung der Anklage hat die Bundesanwaltschaft auf ein Verfahren gegen den Mafiaboss verzichtet. In Bellinzona sitzen nun stattdessen zwei seiner Clan-Mitglieder. Die Schweizer Strafbehörden fürchteten, so schreibt es der Blick, des Anführers nicht habhaft werden zu können. Dieser soll des Weiteren interne Widersacher per Auftragskiller aus dem Weg geräumt haben.
Wie viel Geld wurde in Zürich gewaschen?
Je nach Darstellung sollen rund 55 Millionen Franken in den Finanzkreislauf zurücktransferiert und gewaschen worden sein. Dies geschah in den Jahren 2004 bis 2007.
Ist das nicht alles bald verjährt?
Der Straftatbestand der qualifizierten Geldwäscherei verjährt nach 15 Jahren, also im Laufe des Jahres 2022. Der Prozess beginnt erst heute, weil die Untersuchung dafür lange dauerte. Vom Beginn bis zur Erhebung der Anklage vergingen über zwölf Jahre. Und ganze drei Bundesanwälte bissen sich laut «Blick» daran die Zähne aus.
Wie lautet das geforderte Strafmass?
Sollte die CS verurteilt werden, drohen ihr als Maximalstrafe 5 Millionen Franken Busse. Höher ist dagegen die Ersatzforderung der Bundesanwaltschaft. Sie verlangt eine Zahlung von über 42 Millionen Franken.
Was bedeutet das für das Image der Grossbank?
Das ohnehin schon angeschlagene Image der CS dürfte mit diesem Riesenprozess weiter leiden. Zuletzt musste die Bank Milliardenverluste verzeichnen. Und erst vor rund drei Wochen musste zudem der CS-Verwaltungsratspräsident António Horta-Osório nach einem Verstoss gegen die Quarantäneregeln seinen Posten räumen.
Wirtschaftsexperte Martin Spieler sagte damals zu blue News: «In jüngster Zeit hatte die Bank mit einem beträchtlichen Glaubwürdigkeitsproblem zu kämpfen. Wegen diverser Verlustgeschäfte verloren Aktionäre das Vertrauen in die Bank.»
Und Mathias Binswanger, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Nordwestschweiz, ergänzte: «Solange Topmanager und Verwaltungsräte dermassen gut abgesichert und bezahlt sind, ist Überheblichkeit eigentlich kein Wunder, sondern der Normalfall.»