In der Fischzucht des bekannten Ausflugsziels Blausee im Berner Kandertal ist es laut den Betreibern in letzter Zeit wiederholt zu massiven Fischsterben gekommen. Sie vermuten, dass Tunnelschotter aus dem Lötschberg-Scheiteltunnel der Grund dafür ist.
Die Betreiber des Hotel-Restaurants mit Fischzucht hegen laut einer Mitteilung vom Mittwoch den «dringenden Verdacht», dass mit Giftstoffen belasteter Aushub aus dem alten Lötschbergtunnel für Grundwasserverschmutzungen verantwortlich ist. In diesem Tunnel werden seit 2018 die Fahrbahnen erneuert.
Zwischen Kandersteg BE und Goppenstein VS werden die Gleise samt Holzschwellen und Schotter durch eine feste Fahrbahn aus Beton ersetzt. 105 Millionen Franken lässt sich das Bahnunternehmen BLS diese Sanierung kosten, die bis 2022 läuft.
Der Aushub wird in einem Hartschotterwerk bei Mitholz zwischengelagert, wie die Tunnelbetreiberin BLS am Mittwoch auf Anfrage bestätigte. Mitholz ist ein Dorf beim Blausee. Die Betreiber der Blausee-Fischzucht sagen, der Aushub sei illegalerweise in diesem Schotter- und Kieswerk behandelt und deponiert worden.
Sie haben Mitte Juli Strafanzeige eingereicht. Die Anzeige ging bei der regionalen Staatsanwaltschaft Berner Oberland ein, wie Christof Scheurer, Informationsbeauftragter der bernischen Generalstaatsanwaltschaft, auf Anfrage bestätigte.
Die Berner Staatsanwaltschaft eröffnete laut Scheurer bereits vor Eingang der Strafanzeige der Blausee AG ein Strafverfahren. Es richtet sich gegen unbekannt. Eröffnet wurde es wegen des Verdachts auf Verstösse gegen das Gewässerschutz-, das Umweltschutz- und das kantonale Abfallgesetz.
Hinter der Blausee AG stehen der Swiss Economic Forum-Gründer Stefan Linder, Globetrotter-Chef André Lüthi und Ex-Nationalbankchef Philipp Hildebrand. Ein Fischsterben von Frühling 2018 führten sie noch auf einen enormen Polleneintrag im See respektive auf die Klimaerwärmung zurück.
BLS wartet auf Kanton Bern
Die Tamedia-Zeitungen widmeten der Strafanzeige der Blausee AG in ihren Ausgaben vom Mittwoch einen ausführlichen Bericht. Er entstand in Zusammenarbeit mit der Sendung «Rundschau» des Schweizer Fernsehens.
Laut dem Bericht ist der Altschotter aus dem Lötschberg-Scheiteltunnel mit Giftstoffen belastet. Die Fischzucht-Betreiber vermuteten gestützt auf Wasserproben, dass dieses Gift in die Fischzucht gelangt sein könnte.
Die BLS sagte am Mittwoch auf Anfrage, es arbeite mit einem vom Bund genehmigten Entsorgungskonzept. Dieses sei vom Totalunternehmer erstellt, von einem externen Ingenieurbüro geprüft und vom Bundesamt für Verkehr (BAV) genehmigt worden. Das externe Büro fungiert als Umweltbegleitung.
Gemäss diesem Konzept werde das Gleisaushubmaterial bei Mitholz zwischengelagert, bevor es zum Entsorgungs- respektive Wiederverwertungsstandort weitertransportiert werde.
Am 3. Juni sei die BLS von der Blausee AG über mögliche Grundwasserverschmutzungen als Folge von Ablagerungen informiert worden. Die BLS habe den Verdacht «sehr ernst» genommen und das BAV informiert. Am 6. Juli habe das Unternehmen beim Handelsgericht des Kantons Bern ein Gesuch um superprovisorische Massnahmen eingereicht.
Dies mit dem Ziel, die Ablagerungen bei Mitholz zu unterbinden. Das Gericht habe den Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass das Amt für Wasser und Abfall des Kantons Bern (AWA) bereits eigene Untersuchungen vorgenommen habe. Die BLS warte den Bericht des AWA ab.
Nur wenig stark verschmutztes Material
Laut BLS wurden 2013 auf der gesamten Tunnellänge im Abstand von 500 Metern Schotterproben entnommen. Resultat: Im Tunnel befindet sich überwiegend unverschmutzter und zu einem kleinen Teil schwach verschmutzter Gleisaushub. Im Bereich der Weichen – an drei Stellen – fanden sich kleine Mengen an stark verschmutztem Material.
Bis jetzt sei lediglich unverschmutztes und schwach verschmutztes Material aus dem Tunnel gebracht worden, schreibt die BLS weiter. Erneute Proben von 2020 hätten die Resultate von 2013 bestätigt.
Bei der von der BLS mit der Sanierung des Lötschberg-Scheiteltunnels beauftragten Firma handelt es sich um eine Arbeitsgemeinschaft unter der Führung der Tunnelbaufirma Marti. Diese reagierte am Mittwoch nicht auf Anfragen.
Die Firma Vigier Beton Berner Oberland, welche laut dem Zeitungsbericht das Aushubmaterial verarbeitet, sagte auf Anfrage, alle Behörden und Labors bestätigten, dass von der Zwischenlagerung in Mitholz keine Umweltbelastung ausgehe. «Wir wehren uns deshalb gegen die Vorwürfe».
Kein Kommentar der Berner Behörden
Im Bericht der Tamedia-Zeitungen steht auch, das bernische Amt für Wasser und Abfall habe einen Fehler in der Behandlung des Tunnel-Aushubs festgestellt. Dieser Aushub hätte vor einer Deponie in einer speziellen Anlage gewaschen werden müssen.
AWA-Vorsteher Jacques Ganguin wird im Artikel mit der Aussage zitiert, Feinteile aus dem Tunnel seien illegal abgelagert worden. Das AWA habe Mitte Juni einen Teil der Aktivitäten im Kieswerk Mitholz gestoppt.
Darauf angesprochen, sagte der Vorsteher der bernischen Bau- und Verkehrsdirektion, Regierungsrat Christoph Neuhaus, angesichts der von der Staatsanwaltschaft eingeleiteten Verfahrens könne er nichts sagen. Das AWA gehört zu seiner Direktion.