Grenzen zu Springen jetzt Kurzarbeits-Betroffene als Erntehelfer ein?

Von Gil Bieler

25.3.2020

Normal stehen jedes Jahr rund 30'000 Erntehelfer aus dem Ausland auf Schweizer Bauernbetrieben im Einsatz. Wegen des Coronavirus befürchten die Landwirte einen Engpass – und hoffen nun auf Kurzarbeits-Betroffene.

Im Zuge der Coronavirus-Krise hat der Bundesrat die Grenzen mehr oder weniger dichtgemacht. Das betrifft auch die Erntehelfer: Neu brauchen sie eine Aufenthaltsbewilligung, wenn sie in die Schweiz einreisen wollen. Ein Arbeitsvertrag allein reicht nicht mehr.

Das sei zwar eine zusätzliche Hürde, aber zu bewältigen, sagt Sandra Helfenstein, Sprecherin des Schweizer Bauernverbands. Doch: «Aufgrund der unsicheren Situation haben manche Erntehelfer Angst, für die Arbeit ins Ausland zu gehen», wie sie auf Anfrage von «Bluewin» weiter ausführt.

Auch die Bauern seien beunruhigt, ob sie rechtzeitig genügend Helfer fänden. Über das ganze Jahr benötigen die Schweizer Landwirte rund 30'000 Erntehelfer aus dem Ausland. Viele davon kämen aus Osteuropa, Portugal oder Spanien. Nun klärt der Bauernverband ab, wie viele Helfer kurzfristig noch fehlen. Denn bei Gemüse- und Obstbauern steht in den nächsten Wochen die Erntezeit an.

Würden Sie als Erntehelfer arbeiten?

Bund zeigt sich kulant

Weil die neuen Einreisebeschränkungen per sofort in Kraft traten, kam der Bund den Bauern entgegen: Mit einer achttägigen Übergangsfrist wurde sichergestellt, dass auch Erntehelfer einreisen dürfen, die «nur» über einen Arbeitsvertrag verfügen.



Und auch danach werde die Einreise nicht einfach gestoppt, wie Lukas Rieder, Sprecher des Staatssekretariats für Migration, auf Anfrage erklärt: «Es muss einfach vor der Einreise eine Zusicherung der Aufenthaltsbewilligung oder eine Meldebestätigung beantragt werden.» Für Arbeitskräfte in der Landwirtschaft würden diese weiterhin ausgestellt, «da es im öffentlichen Interesse der Schweiz liegt».

Es könnte aber auch sein, dass Arbeitskräfte aus dem Inland in die Bresche springen: Beim Bauernverband hätten sich zahlreiche Leute gemeldet, die wegen der Corona-Krise derzeit keine Arbeit hätten, sagt Helfenstein. «Jetzt wollen wir sehen, wie viele von ihnen sich auch tatsächlich anmelden.»

Der Bauernverband hat deshalb zusammen mit Partnerorganisationen Onlineportale aufgeschaltet, mit denen die Vermittlung von Erntehelfern erleichtert werden soll. Auf Agrix.ch und Agrarjobs.ch können Landwirte laut einer heute versandten Mitteilung ihre offenen Stellen ausschreiben und Interessenten nach Jobeinsätzen suchen. Auch Dienste, die bisher kostenpflichtig gewesen seien, könne man nun gratis nutzen.

Mindestlohn: 3'300 Franken im Monat

Doch die Arbeit auf dem Feld ist nicht zu unterschätzen: «Es ist streng und eintönig», sagt die Verbandssprecherin. Der Mindestlohn für Erntehelfer beträgt 3'300 Franken im Monat. Von den Behörden erwartet der Bauernverband nun klare und verbindliche Angaben, unter welchen Bedingungen man Kurzarbeit-Betroffene anstellen könne. «Dazu haben wir bisher Widersprüchliches gehört.»



Der Bauernverband habe beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) auch einen Antrag deponiert, dass Erntehelfer 100 Prozent ihres Lohnes erhalten sollten – statt der 80 Prozent, die bei Kurzarbeit üblich sind. «Ein solcher Zustupf wäre eine kleine, zusätzliche Motivation», sagt Helfenstein.

Und sie ist überzeugt, dass sich das doppelt rechnen würde: Der Erntehelfer erhalte mehr Geld, als wenn er daheim sitze. Und die Arbeitslosenkasse müsste einzig die Differenz zwischen dem Erntehelfer-Lohn und dem normalen Lohn bezahlen. Eine Antwort des Seco stehe noch aus.

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