Banken-Experte Fusion von CS und UBS? «Das wird nicht passieren»

Von Gabriela Beck

13.3.2023

Für die skandalgebeutelte Credit Suisse ist die aktuelle Stimmung an den Finanzmärkten, wie hier an der Börse in Zürich, pures Gift.
Für die skandalgebeutelte Credit Suisse ist die aktuelle Stimmung an den Finanzmärkten, wie hier an der Börse in Zürich, pures Gift.
IMAGO/Peter Widmann

Die Aktie der Credit Suisse fällt auf ein neues Rekordtief. Bleibt der CS nun nichts anderes mehr übrig, als mit der zweiten Schweizer Grossbank UBS zu fusionieren? Banken-Professor Peter V. Kunz schätzt die Lage ein.

Von Gabriela Beck

Nach verschiedenen Skandalen, in die die Credit Suisse in den vergangenen Monaten verwickelt war, haben Investoren und Kunden zuhauf ihr Geld abgezogen. Die aktuellen Beben im US-Finanzsektor schüren zusätzliche Unsicherheit. Das Resultat: Die Aktien der angeschlagenen Credit Suisse befinden sich im freien Fall und stürzen erstmals unter die Marke von 2.20 Franken.

Wirtschaftsrechtsexperte Peter V. Kunz von der Universität Bern erklärt im Interview mit blue News, wie es nun mit der zweitgrössten Bank der Schweiz weitergehen könnte.

Herr Kunz, in den Medien wird gerade über eine Fusion der beiden Schweizer Grossbanken CS und UBS diskutiert. Wie wahrscheinlich ist dieses Szenario Ihrer Meinung nach?

Prof. Dr. Peter V. Kunz
Portrait - Prof. Peter V. Kunz, Institut fuer Wirtschaftsrecht - Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultaet, Universitaet Bern. © Manu Friederich
Manu Friederich / Universität Bern

Peter V. Kunz ist Geschäftsführender Direktor am Institut für Wirtschaftsrecht der Universität Bern. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören das Aktien- und Bankrecht.

In den letzten Jahren wurde immer wieder über eine solche Fusion spekuliert – verstärkt, seit die CS Probleme hat. Und wenig überraschend auch jetzt wieder, nach dem Kursabfall der CS. Diese Spekulationen mögen zwar lustig für die Journalisten und das Publikum sein, ich erachte es aber als höchst unwahrscheinlich, dass es wirklich so weit kommt.

Der Grund: Die Wettbewerbskommission in der Schweiz, die Weko, könnte die Marktbeherrschung durch einen dadurch entstehenden Banken-Moloch nicht genehmigen. Da bekämen wir kartellrechtliche Probleme. Aber auch die Schweizer Finanzmarktaufsichtsbehörde Finma würde Einspruch erheben.

Beide Banken sind systemrelevant, too big to fail. Wenn die heute fusionieren würden, dann wäre das neue Fusionsprodukt nicht nur too big to fail, sondern es wäre meines Erachtens too big to be rescued. Man könnte einen solchen Riesenmoloch schlicht und ergreifend nicht retten. Der wäre zu gross für die Volkswirtschaft. Und wenn ein Unternehmen too big to be rescued ist, dann darf man es nicht zulassen.

Vor diesem Hintergrund wäre eine Fusion überhaupt nur denkbar, wenn die UBS und CS ganz erheblich abgespeckt würden.

Wie könnte es denn dann mit der CS weitergehen?

Ich halte es für nicht ausgeschlossen, dass es eine Übernahme geben wird, aber nicht durch die UBS, sondern durch eine ausländische Bank. Wobei eine europäische Bank oder eine Bank aus dem arabischen Raum eher nicht infrage kämen. Ich könnte mir aber vorstellen, dass eine amerikanische Grossbank interessiert ist.

Im Moment ist der amerikanische Bankensektor selbst ziemlich in Aufruhr.

Ich denke nicht, dass die aktuelle Krise von heute Morgen wirklich eine Bankenkrise auslösen wird, weder in den USA noch global. Die ganze Fintech-Branche wird gerade etwas durcheinandergerüttelt und auch Bankinstitute, die damit zu tun haben. Das dauert vielleicht ein paar Tage und beruhigt sich dann wieder.

Eine Übernahme der Credit Suisse geschieht aber nicht innerhalb von zwei, drei Tagen, es geht ja nicht um eine Notfusion. In einem solchen Fall hätte eine amerikanische Bank auch gar kein Interesse. Wir sprechen hier von einer geschäftsmässig begründeten Übernahme, die infrage kommen könnte, wenn eine amerikanische Bank am Vermögensverwaltungsgeschäft interessiert ist. Aber das nimmt Wochen und Monate in Anspruch.

Würde sich denn die CS auf ein solches «Angebot» einlassen?

Ich denke, die CS wäre nicht wirklich glücklich mit einer Übernahme, weil grosse Investoren aus dem arabischen Raum daran beteiligt sind. Schlussendlich ist es aber nicht so, dass die Credit Suisse wirklich etwas dazu zu sagen hätte, denn sie kann nicht darüber entscheiden, wer die Aktien kauft oder verkauft. Es wäre also durchaus möglich, dass eine amerikanische Bank – sagen wir – ein Angebot auf vier Franken pro Aktie macht. Und schlussendlich kann jeder Aktionär individuell entscheiden, ob er das Angebot annimmt.

Insofern denke ich, die CS würde das zwar nicht unbedingt wollen, aber anders als bei einer Fusion, bei der die Gesellschaft selber mitentscheidet, entscheidet bei einer Übernahme eben der Aktionär. Wenn man da als Investor genügend gelitten hat, kann man durchaus geneigt sein zu verkaufen.

Lassen Sie uns dennoch über eine Fusion von UBS und CS spekulieren. Was würde das für den Schweizer Finanzplatz, die Bankkunden und die Aktionäre bedeuten?

Ich denke, eine einzige Grossbank wäre für den Schweizer Finanzplatz kein wirkliches Problem. Das gibt es ja auch in anderen Ländern. Aber es wäre sicherlich für das Renommee des Finanzplatzes nicht gut. Das Image der Schweiz profitiert davon, dass wir eben zwei internationale Grossbanken haben.

Für die Bankkunden wäre das eine neutrale Situation. Es ginge ja wie gesagt nicht um eine Notfusion, denn das würde die UBS gar nicht mitmachen. Bankkunden, die sich zurzeit unsicher fühlen bei der Credit Suisse, wären vielleicht sogar froh, wenn sie ein neues, funktionierendes Produkt hätten.

Zu den Aktionären: Das ist vielleicht die schwierigste Prognose. Ich habe in den Kommentaren der Journalisten gelesen, die Aktionäre könnten die grossen Profiteure sein. Das kann aber niemand voraussagen, denn keiner weiss, unter welchen Konditionen eine solche Fusion stattfinden würde. Sie würde ganz bestimmt ein bisschen den Kurs nach oben treiben, weil die Nachfrage steigen würde. Ein grosser Gewinn wäre aber nicht zu erwarten, denn die Aktien der CS haben die letzten anderthalb Jahre einen riesigen Kurssturz erlebt. Um die Buchverluste der letzten zwei Jahre tatsächlich auszugleichen, müsste man einige Jahre dabeibleiben und darauf hoffen, dass die CS-Aktie wieder steigt.

Wäre eine Rettung durch den Staat eine Alternative?

In den Jahren 2009 und 2010 haben wir ein spezifisches System in der Schweiz geschaffen, das eine Rettung nicht notwendig macht. Wenn es ganz schlimm käme, würde es eine interne Aufspaltung geben. Ein Teil könnte in Konkurs gehen, aber die systemrelevanten Teile würden automatisch weiterbestehen. Kleinsparer in der Schweiz müssten keine Angst haben.

Als exzentrischer Professor wage ich sogar zu behaupten: Käme es zum Schlimmsten, würde die Schweizer Nationalbank die CS retten. Es ist nicht sehr realistisch zu glauben, dass die Schweizerische Eidgenossenschaft einen Bankenkonkurs zulassen würde.

Kann die CS Ihrer Meinung nach die Krise selber durchstehen?

Davon bin ich überzeugt. Wie gesagt, viele Leute überschätzen die Bedeutung der Aktien. Der Kurs ist unangenehm für die Aktionäre, die haben jetzt Stress, selbstverständlich. Aber schlussendlich sind sie mit dem Kauf von Aktien das Risiko eingegangen, dass diese auch mal abstürzen können.