Flugscham adé Die Luftfahrtbranche brummt wieder – und sucht Klima-Lösungen

uri

20.6.2023

Der extra-lange Airbus A321 XLR am 19. Juli 2023 auf der Paris Air Show in Le Bourget. Die Hersteller gehen davon aus, dass der Trend zu längeren Maschinen mit mehr Sitzen geht. 
Der extra-lange Airbus A321 XLR am 19. Juli 2023 auf der Paris Air Show in Le Bourget. Die Hersteller gehen davon aus, dass der Trend zu längeren Maschinen mit mehr Sitzen geht. 
Bild: KEYSTONE

Nach der Coronakrise geht es für die Luftfahrtbranche wieder steil aufwärts: Die Passagierzahlen werden sich in den nächsten 20 Jahren verdoppeln und damit auch die Grösse der Flotten. Problematisch wird dabei die Einhaltung der Klimaziele. 

uri

Keine Zeit? blue News fasst zusammen

  • Die Luftfahrtbranche hat die Coronakrise weitgehend überwunden: Airlines rechnen mit steigenden Passagierzahlen und Flugzeughersteller mit einer raschen Verdopplung der Flotten-Grössen.
  • Zugleich hat sich die Branche zum Ziel gesetzt, klimaneutral zu werden. Die Hoffnung liegt nun auf technischen Lösungen. 
  • Um den CO2-Ausstoss des Flugverkehrs angesichts der Klimakrise zu verringern, müssen laut Airbus bald drei Viertel der derzeitigen Flotte ersetzt werden.

Die Krise der Luftfahrt-Industrie flaut ab – genauso wie die Coronapandemie. Zur Erinnerung: Im April 2020 standen rund zwei Drittel der weltweiten kommerziellen Luftfahrtflotten still, der Passagierverkehr reduzierte sich um 90 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Auch bei den Flugzeugherstellern brachen die Zahlen dramatisch ein.

Davon ist heute nichts mehr zu spüren. Erst gestern meldete der weltgrösste Flugzeughersteller Airbus am ersten Tag der Paris Air Show einen Rekordauftrag. Die indische Billigfluggesellschaft Indigo bestellt 500 Maschinen aus der Modellfamilie A320neo, wie Vertreter beider Seiten mitteilten. Dies sei der grösste Einzelauftrag in der Geschichte der Luftfahrt.

Wie der US-Flugzeugbauer Boeing ebenfalls am Sonntag mitteilte – und seine Einschätzungen decken sich mit denen des Rivalen Airbus – bleiben die Zeiten rosarot für die Hersteller: Binnen zwei Jahrzehnten soll es zu einer Verdopplung der weltweiten Flugzeugflotte kommen. Im Jahr 2042 dürften bei den Airlines dann insgesamt etwa 48‘600 Maschinen im Einsatz sein. 

Neue Mittelschicht in China und Indien will fliegen

Technische Lösungen sind dringend gefragt, wenn die Luftfahrtbranche ihr anvisiertes Ziel, die Klimaneutralität bis 2050 erfüllen will. Bis dahin wird die Erdbevölkerung nämlich nicht weniger, sondern bedeutend öfter ins Flugzeug steigen.

Während die Flugbranche davon ausgeht, dass in diesem Jahr mehr als 4,4 Milliarden Passagiere rund um den Globus jetten – so viele wie vor der Pandemie – sollen es laut dem Dachverband der Fluggesellschaften IATA bereits 2040 doppelt so viele sein, berichtet SRF.

Grund für die Zunahme bei den Passagieren ist laut dem Luftfahrtexperten Stefan Eiselin nicht zuletzt der wirtschaftliche Aufschwung von Ländern wie China und Indien. Hier entstehe eine neue Mittelschicht, «die sich das Fliegen leisten kann und das immer mehr tut», sagte er dem Sender.

Um das notwendige und erklärte Netto-Null-Ziel hinsichtlich der Klimagas-Emissionen zu erfüllen, muss laut der IATA deshalb eine Kombination aus nachhaltigem Treibstoff, mehr Effizienz und dem Ausgleich von Emissionen greifen.

Wasserstoff und Elektro-Flugzeuge

Oder wie es Experte Eiselin gegenüber SRF formuliert: «Es kommt zwar spät, aber ich glaube, die Fluggesellschaften sind jetzt ernsthaft daran, das Problem zu lösen. Sie möchten letztlich auch ihr eigenes Geschäftsmodell erhalten.»

Eiselin erkennt dabei zwar die grosse Bedeutung von nachhaltigen Treibstoffen für die Ziele der Luftfahrtbranche an, sieht diese aber nur als Übergangslösung.

So biete Wasserstoff sich etwa nur auf lange Sicht und auch auf lange Distanz an. Für kurze Strecken unter eineinhalb Stunden und mit wenigen Passagieren könnten seiner Meinung nach künftig Elektro-Flugzeuge zum Einsatz kommen.

An die Technik glaubt Flugpionier André Borschberg, der im Jahr 2016 mit Bertrand Piccard in einem Solar-Flugzeug die Welt umrundet hat. Er arbeitet an einem Elektro-Flugzeug: «Nächstes Jahr wird unsere Technologie auf den Markt kommen. Die Flugzeughersteller suchen dringend Lösungen und wir glauben, dass unsere Technologie das leisten kann», zitiert ihn SRF.

Drei Viertel der derzeitigen Flotte müssen ersetzt werden

Die sogenannten hybriden Technologien sollten dabei bereits bis zum Jahr 2030 auf längeren Strecken zum Einsatz kommen und dann auch rund 30 Prozent Treibstoff einsparen – der bis dahin ohnehin teurer werden dürfte.

Nicht zuletzt für die grossen Flugzeughersteller tut sich hier ein gewinnträchtiges Feld auf: Neueste Maschinen mit verringertem Spritverbrauch stellen laut Airbus bislang nämlich lediglich ein Viertel der weltweiten Flotte dar.

Um den CO2-Ausstoss des Flugverkehrs angesichts der Klimakrise zu verringern, müssten zunächst drei Viertel der derzeitigen Flotte ersetzt werden, teilte das Unternehmen mit.

Und damit ist auch gewiss: Das Unterfangen wird nicht nur teuer, sondern auch noch dauern – die Zukunft des klimaneutralen Fliegens ist damit wohl noch deutlich von 2050 entfernt.

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