Rekordtiefer Aktienwert, Spekulationsgeschäfte, Milliarden-Strafgelder, schlechte Zahlen, Entlassungen: Die Negativschlagzeilen rund um die CS reissen nicht ab. Wie geht es mit der zweitgrössten Schweizer Bank weiter?
Von Monique Misteli
28.09.2022, 15:54
28.09.2022, 17:10
Monique Misteli
3,74 Franken, so viel ist eine Aktie der Credit Suisse heute Morgen wert gewesen. Das ist ein neues Rekordtief und markiert einen Wertverlust von über 60 Prozent seit Jahresbeginn.
Dem aktuellen Kurssturz gehen die Negativschlagzeilen rund um die Führung der Bank, verlustreiche Spekulationsgeschäfte im Investmentbanking sowie Abschreibungen für die folgenden Rechtsstreitigkeiten und Gerüchte voraus.
Die Bank schloss das Jahr 2021 mit einem Reinverlust von 1,7 Milliarden Franken. Und im laufenden Jahr kommt es noch happiger: Bereits im zweiten Quartal schreibt die Grossbank einen Verlust von fast 1,5 Milliarden Franken.
Besonders die Vermutung über eine mögliche Kapitalerhöhung haben den jüngsten Kurszerfall nochmals befeuert. Das resultierte darin, dass die Bank an der Börse aktuell kaum mehr 10 Milliarden wert ist. Zum Vergleich: Die UBS ist fast das Fünffache wert.
Die Gerüchteküche brodelt
Kein Wunder also, brodelt die Gerüchteküche, wie es mit der zweitgrössten Bank der Schweiz weitergehen soll. Kapitalerhöhungen, Rettungsschirm, Umstrukturierung des Investmentbanking-Geschäfts, grössere Entlassungen?
Hans Geiger kennt die Credit Suisse gut aus der Zeit, wo er selbst noch in der Geschäftsleitung der Bank sass. «Die Credit Suisse hat versagt», sagt der emeritierte Bankenprofessor der Universität Zürich.
Damit meint er den Verwaltungsrat. Das Gremium ist gemäss dem Bankengesetz für die Oberleitung, Kontrolle und Aufsicht der Bank zuständig, also auch für die Strategie.
«Die Credit Suisse kann kein Investmentbanking, das fliegt ihr jetzt um die Ohren.»
Am spekulativen Investmentgeschäft festgehalten
Während andere Banken aus der Finanzkrise von 2008 gelernt haben und ihre Strategien, insbesondere die UBS, im Investmentbanking angepasst haben, habe die Credit Suisse einfach weiter am spekulativen Geschäft festgehalten und weitergemacht wie bis anhin. Investmentbanking sei ein amerikanisches Geschäft und für Schweizer Banken schwieriges Terrain, erklärt er und meint: «Die Credit Suisse kann kein Investmentbanking, das fliegt ihr jetzt um die Ohren.»
«Umsetzbarer» Notfallplan
Allzu düster will der Wirtschaftswissenschaftler die Zukunft der Grossbank trotzdem nicht malen. Laut dem Lagebericht, den die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma im Frühling 2022 publiziert hat, sei der Notfallplan der Credit Suisse «umsetzbar».
Die Finma prüft jährlich die Pläne der systemrelevanten Finanzinstitute UBS, Postfinance, Raiffeisen, Zürcher Kantonalbank und Credit Suisse. In den Notfallplänen müssen Banken aufzeigen, wie sie den Zugang zu Einlagen und zum Zahlungsverkehr ohne Unterbruch gewährleisten und in Krisenzeiten auch weiterführen können. Was genau in den jeweiligen Notfallplänen steht, ist nach aussen jedoch nicht bekannt.
Wegen dieser Beurteilung der Finma geht Geiger auch davon aus, dass die Credit Suisse keinen Rettungsschirm erhält. Vielmehr müssten Investoren Kapital einbringen. Nur ob die das wollen, sei fraglich. Deshalb bleibe nichts anderes übrig, als im Investmentbanking abzubauen, sagt Geiger und ergänzt: «Es kann doch nicht sein, dass der Staat helfen muss, nur weil die Führungsetage es verschlafen hat, ihre Strategie zu ändern.»
Weitreichende Strategieänderung angekündigt
Der Verwaltungsrat ist unter Zugzwang und scheint sich dessen bewusst. Deshalb hat er eine weitreichende Strategieänderung angekündigt, die mit den dritten Quartalszahlen am 27. Oktober kommuniziert werden soll.
Weil die Bank weiter an Wert verliert, veröffentlichte sie gestern eine Mitteilung in der Hoffnung, Anleger, aber auch Angestellte zu beruhigen. Man sei «mit der strategischen Überprüfung gut vorangekommen». Die Bank prüfe auch Veräusserungen und Verkäufe von Vermögenswerten. Inwiefern das spekulative Investmentbanking davon betroffen ist, ist noch offen. Geiger sagt, der Bank bleibe gar nichts anderes übrig, als dieses Geschäft in den USA abzustossen.
Geiger ist überzeugt, dass es die Credit Suisse weiterhin geben wird. Das Bankenwesen in der Schweiz funktioniere gut, so Geiger. Die Politik, die Schweizerische Nationalbank sowie die Finma hätten ihre Hausaufgaben gemacht und man würde dafür sorgen, dass die systemrelevanten Funktionen in der Schweizer Einheit unterbruchsfrei fortgeführt werden, so Geiger.