Experte zur Credit Suisse«Auch die Bankkunden können sich nun etwas entspannen»
Von Uz Rieger
27.10.2022
Kahlschlag beim Personal, Konzernumbau und saudische Investoren: Mit einem Massnahmen-Paket will die Credit Suisse aus der Krise kommen. Der Berner Wirtschaftsrechtsexperte Peter V. Kunz erklärt, was davon zu halten ist.
Von Uz Rieger
27.10.2022, 15:53
Von Uz Rieger
Reichen die angekündigten Massnahmen, um die CS aus der Krise zu führen?
Das ist aktuell noch völlig offen. Positiv am Massnahmenpaket ist, dass es Probleme an verschiedenen Fronten bereinigen will, insbesondere beim Verlust und beim Kapital.
Für die Krisenlösung bei der CS ganz wichtig: die Reputation. Für die Lösung beim grössten Problem der Credit Suisse sind zwei Dinge erforderlich: Keine weiteren Skandale in der Zukunft und dass die aktuellen Rechtstreitigkeiten möglichst bald bereinigt werden.
Sind die geplanten Kosteneinsparungen überhaupt realistisch?
Zur Person
zVg
Wirtschaftsrechtsprofessor Peter V. Kunz ist geschäftsführender Direktor am Institut für Wirtschaftsrecht der Universität Bern und war von 2015 bis 2020 Dekan der juristischen Fakultät.
Im Prinzip ja. Man muss sich aber bewusst sein, dass Kosteneinsparungen auch ein Schnitt ins eigene Fleisch sein können. Wenn es um Restrukturierungen geht und man Geschäftsbereiche veräussert, etwa beim Investmentbanking, dann kann das durchaus Sinn machen. Wenn die Einsparungen aber in erster Linie beim Personal stattfinden, muss man sich bewusst sein, dass man auch zu tief schneiden kann. Das kann die Mitarbeitenden demotivieren und auch tatsächlich ihre Qualität in Frage stellen.
Was bedeutet der Personal-Kahlschlag für die Bank?
Das ist der auffälligste Bereich der Massnahmen überhaupt. Ich habe zwar mit Personalabbau gerechnet, aber nicht in dieser Höhe und auch nicht mit dieser Geschwindigkeit. Fast 10'000 Angestellte, fast ein Fünftel sollen gehen – das ist enorm hoch und nicht durch natürliche Abgänge zu erreichen.
Es kommt dabei darauf an, wo das Personal eingespart wird: Handelt es sich etwa um das Investmentbanking in New York, hat das sicher weniger emotionale Folgen. Die Medien und das Publikum interessieren sich dann weniger dafür.
Sollte es aber tatsächlich einen starken Personalabbau in der Schweiz geben – was ich aber nicht glaube – dann hätte das für die CS zwei Folgen: Sie will nämlich auf der einen Seite das Schweizer Bankgeschäft als strategischen Punkt stärken und dafür braucht sie gutes Personal. Wollte man also hierzulande abbauen, würde man auch die eigene Strategie untergraben.
Zweitens würde man dann wahrscheinlich an politischem Goodwill verlieren. Schliesslich ist die CS ist nicht irgendeine Bank, sondern systemrelevant und too big to fail. In dem Fall ist es wichtig, dass man die Sympathien der Politiker und der Aufsichtsbehörden hat. Käme es zu einer grossen Arbeitslosigkeit beim Bankenpersonal in der Schweiz, dann würde das wohl zu einem weiteren Goodwill-Verlust führen, der sich sicher nicht positiv auf das regulatorische Umfeld in der Schweiz auswirken dürfte.
Was wird mit dem radikalen Umbau des Investmentbankings angestrebt?
Das zentrale Ziel ist dort die Kosteneinsparung. Das Investmentbanking hat nicht zuletzt wegen hohen Lohn- und Boni-Zahlungen an die Investmentbanker sehr hohe Kosten mit sich gebracht. Zugleich waren die Erträge hier in den letzten Jahren nicht sehr gross. Die grossen Player kommen hier zudem fast ausschliesslich aus den USA. Es ist also ein schwieriger Geschäftsbereich und die CS reüssiert hier seit einigen Jahren nicht mehr. Es geht also um Kosteneinsparung und eine strategische Neuorientierung.
Anderseits musste man bei der CS auch zur Kenntnis nehmen, dass man als Schweizer Bank im Vermögensverwaltungsgeschäft tätig sein sollte und nicht unbedingt im Investmentbanking. Allerdings ist anzumerken, dass das Investmentbanking-Geschäft ja nicht gänzlich verkauft wird, wie man früher einmal gemeint hat. Einige wichtige Bereiche behält die Bank, um sie den eigenen Kunden weiterhin anbieten zu können. Allerdings ist das nur ein kleiner Teil.
Den grösseren Bereich, der beim Ertrag nicht aufgeht, veräussert die Bank und bedient sich dabei dem Kunstgriff, dass man mit der CS First Boston eine neue Einheit schafft. Es wird sich dabei um ein gemischtes Geschäft zwischen der CS und externen Investoren handeln.
Wie ist der Einstieg der Saudi National Bank bei der CS zu bewerten?
Dass eine Kapitalerhöhung kommt, war klar. Überraschend ist für mich aber die Höhe von vier Milliarden Franken. Vor dem Hintergrund muss man sehen, dass es nicht einfach ist, solches Kapital ohne weiteres zu finden. Es ist deshalb gut, dass man jemanden präsentieren kann, der Vertrauen in die CS hat und überhaupt 1,5 Milliarden Franken investieren will.
Beim Punkt, dass es sich um saudisches Geld handelt, «Blutgeld», wie es manchmal sogar heisst, muss man aufpassen, dass man nicht zu selbstgerecht agiert und meint, man könne auswählen, woher die Gelder kommen. Schliesslich ist die CS schon seit vielen Jahren – wie die meisten schweizerischen Börsengesellschaften auch – keine typisch schweizerische Unternehmung mehr, auch wenn der Sitz hier ist und die schweizerischen Aktivitäten sehr wichtig bleiben.
Die meisten dieser Unternehmen haben heute ausländische Investoren und dass jetzt ein saudischer Investor reinkommt, erachte ich unter dem Aspekt für unproblematisch. Ich denke auch nicht, dass sich die Beteiligung negativ auf die Geschäftstätigkeit der Bank auswirken wird. Es ist aber anzunehmen, dass die Saudi National Bank eine Vertretung im Verwaltungsrat erhalten wird.
Was die CS dabei natürlich auch weiss: Sie wird sicher in der Politik und den Medien für den Einstieg der Saudis kritisiert werden. Aber internationale Inverstoren gehören bei einer internationalen Bank auch dazu. Da kann man nicht allzu selektiv und selbstgerecht sagen: die nehmen wir und die nehmen wir nicht.
Was bedeutet der CS-Plan für den Finanzplatz Schweiz?
Der Personalabbau ist natürlich keine gute Nachricht und auch Aktionäre können sich über eine Verwässerung bei den Wertpapieren nicht freuen. Allerdings ist es gut für den Finanzplatz Schweiz, dass ein ausländischer Investor überhaupt Vertrauen in diese Schweizer Bank hat und der entscheidende Punkt dabei:
Es braucht keine staatliche Unterstützung. Schliesslich herrschte in den letzten paar Wochen die grosse Angst, dass der Bund oder die Schweizer Nationalbank plötzlich rettend eingreifen müssen. Nicht zuletzt können sich auch die Bankkunden nun etwas entspannen. Niemand muss Angst haben, dass die CS in Konkurs geht. Vor dem Hintergrund dürfte das alles eine Beruhigung mit sich bringen – all das ist positiv ist für den Finanzplatz Schweiz.