Persönliche WahlschlappeDarum ist Höcke trotz AfD-Sieg ein Verlierer
tbz
2.9.2024
Höcke verpasst Direktmandat: Über Landesliste im Landtag
Erfurt, 02.09.2024: Sieg und Niederlage zugleich: Während die AfD die Landtagswahl in Thüringen klar gewinnt, verpasst Parteichef Björn Höcke ein Direktmandat.
Er verliert in seinem Wahlkreis in Ostthüringen gegen den CDU-Bildungspolitiker Christian Tischner.
Über die Landesliste zieht Höcke dennoch in den Landtag ein.
Höcke hatte lange nach einem aussichtsreichen Wahlkreis gesucht, nachdem er bei der Landtagswahl vor fünf Jahren gegen die CDU verloren hatte.
Die Wahlkreissuche des AfD-Rechtsaussen hatte auch den Hintergrund, dass er bei einem Scheitern als Direktkandidat hätte Gefahr laufen können, bei guten AfD-Ergebnissen in vielen anderen Wahlkreisen als Spitzenkandidat nicht in den Landtag einzuziehen.
02.09.2024
Die rechtsextreme AfD erzielt bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen Erfolge. Spitzenkandidat Björn Höcke verliert aber im eigenen Wahlkreis und kann sich nur durch einen Trick im Landtag halten.
tbz
02.09.2024, 15:07
02.09.2024, 15:38
Tobias Benz
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Die vom deutschen Verfassungsschutz als «gesichert rechtsextremistisch» eingestufte AfD ist bei den Landtagswahlen in Thüringen stärkste Partei.
Spitzenkandidat Björn Höcke verpasst den Einzug in das Landesparlament aber als Direktkandidat.
Nur durch einen parteiinternen Trick zieht der rechtsextreme Politiker trotzdem in den Landtag ein.
Die AfD sieht das Wahlergebnis als Regierungsauftrag, keine andere Partei will aber mit den Rechtsextremen zusammenarbeiten.
Weltweit dominiert die Landtagswahl in Thüringen am Montag die Schlagzeilen. Die «New York Times» warnt vor «besorgniserregenden Zeichen für die Demokratie in Deutschland», britische Medien ziehen Vergleiche zum Zweiten Weltkrieg und in Italien ist von einem «Erdbeben, das die Geschichte verändert», zu lesen.
Doch während die Welt leer schluckt und sich Björn Höcke, Partei- und Fraktionsvorsitzender der AfD in Thüringen, auf einer Wahlparty in Erfurt feiern lässt, muss der rechtsextreme Politiker am Wochenende eigentlich eine persönliche Wahlschlappe einstecken. In seinem eigenen Wahlkreis scheitert Höcke nämlich an CDU-Kandidat Christian Tischner.
Parteiinterner Landtag-Trick
Dabei hatte Höcke sehr lange nach einem aussichtsreichen Wahlkreis gesucht, der ihn wählen würde – nachdem er bereits bei der Landtagswahl vor fünf Jahren im Thüringer Eichsfeld gegen die CDU verloren hatte. Doch auch in seinem neuen Wahlkreis, Greiz II, verliert Höcke (38,9 Prozent) als Direktkandidat für den Landtag. Die meisten Stimmen erhält Christian Tischner von der CDU (43,0 Prozent).
Verlierer Höcke sah die persönliche Niederlage offenbar bereits kommen. Nur durch einen scheinbar vorbereiteten, parteiinternen Trick sichert er sich trotz Wahlschlappe den Einzug in den Landtag.
In den beiden von der AfD dominierten Wahlkreisen Wartburgkreis I und Wartburgkreis II stellte die rechtsextreme Partei nämlich keine Direktkandidaten. Gemäss der «Bild» wären diese zwar vorhanden gewesen, Höcke soll als Landeschef der AfD aber die für die Kandidatur notwendige Unterschrift für die beiden Anwärter verweigert haben.
Der Grund: Im Falle der befürchteten Niederlage in seinem eigenen Wahlkreis würde sich Höcke sein Landtagsmandat über die Landesliste sichern können.
Und so kam es dann auch. Die AfD gewann am Wochenende 31 Direktmandate, Anspruch hat sie aber auf 32 Sitze. Hätte die AfD also im Wartburgkreis Kandidaten gestellt, wäre Höcke nach seiner Niederlage im Wahlkreis Greiz II aus dem Landtag geflogen.
Erfolgreich, aber einsam
Nebst der persönlichen Wahlschlappe zeichnet sich für Höcke auch bei der Regierungsbildung eine Niederlage ab. Die AfD sieht das Wahlergebnis zwar als Regierungsauftrag und ist laut Höcke bereit, «Regierungsverantwortung zu übernehmen», und nach Beratung zu Gesprächen einzuladen. Das Ergebnis ist allerdings absehbar: Von den anderen im Landtag vertretenen Parteien will keine mit den Rechtsextremen zusammenarbeiten.
Auch das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) nicht, eine im Januar neu gegründete Partei, die bei den Landtagswahlen in Thüringen sogleich mehr als 15 und in Sachsen knapp 12 Prozent der Stimmen erreichte. Das BSW, das derzeit noch ein vollständiges Parteiprogramm erarbeitet, weist inhaltlich durchaus Gemeinsamkeiten mit der AfD auf.
Da die meisten Gründungsmitglieder inklusive der Namensgeberin aber zuvor der Partei Die Linke angehörten, ist eine Koalition mit der AfD nur sehr schwer vorstellbar.
Das bestätigte auch Wagenknecht selbst: «Höcke vertritt ein völkisches Weltbild, das ist also meilenweit von uns entfernt», sagte die Politikerin am Wahlabend der ARD. «Wir haben immer gesagt, mit Herrn Höcke können wir nicht zusammenarbeiten.»
Auch die CDU/CSU sieht ganz klar von einer Zusammenarbeit ab. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte nach den Wahlen in Thüringen: «Das ist schon eine Zäsur. Auch wenn sich das durch Umfragen angedeutet hat: Wenn das Wahlergebnis real wird, dann spürt man erst mal, was sich in Deutschland verändert hat.»
Dass die Union mit der Linken oder dem BSW zusammenarbeite, sei normalerweise völlig unvorstellbar, so Söder weiter. «Nur: Das Unvorstellbare ist gestern demokratische Realität geworden.»
Ramelow: Demokraten dürfen sich nicht von AfD erpressen lassen
In Thüringen regieren Linke, SPD und Grüne ohne absolute Mehrheit im Landtag miteinander. Der bislang einzige Regierungschef der Linken, Ministerpräsident Bodo Ramelow, dürfte vor der Abwahl stehen.