Zum Sterben schöne Fotos? Gefährliche Selfie-Hotspots in aller Welt

dpa/dmu

20.1.2024 - 20:03

Der steile Weg zum Harihar Fort in Indien zieht besonders in der Regenzeit viele Menschen an.
Der steile Weg zum Harihar Fort in Indien zieht besonders in der Regenzeit viele Menschen an.
Facebook/The Great Chhatrapati Shivaji Maharaj

Es ist die Jagd nach dem perfekten Bild. Dafür übersteigen Menschen Grenzen oder posieren zu nah an Abgründen. Manchmal mit fatalen Folgen. Eine Auswahl an gefährlichen Fotospots rund um den Globus.

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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Für das perfekte Foto riskieren Menschen bisweilen ihr Leben.
  • Der Drang nach spektakulären Motiven führt nicht nur zu gefährlichen Situationen, sondern auch immer wieder zu tragischen Todesfällen.
  • Von den steilen Klippen in Norwegen über die Iguazu-Wasserfälle in Südamerika bis hin zur berüchtigten «Train Street» in Vietnam und dem Harihar Fort in Indien: Eine Auswahl von Orten aus aller Welt, an denen das Fotografieren besonders gefährlich ist.

Von den steilen Klippen in Norwegen über die Iguazu-Wasserfälle zwischen Brasilien und Argentinien bis hin zur berüchtigten «Train Street» in Vietnam: Vor atemberaubendem Hintergrund können Menschen beim Schnappschuss ihre eigene Sicherheit vergessen.

Der Drang nach spektakulären Motiven führt nicht nur zu gefährlichen Situationen, sondern auch immer wieder zu tragischen Todesfällen. Eine Auswahl von Orten aus aller Welt, an denen das Fotografieren mit Risiko einhergeht:

Harihar Fort in Indien

Ein beliebter Selfie-Ort in Indien ist ein steiler Weg zum Harihar Fort im Bundesstaat Maharashtra. Der Aufstieg reizt viele gerade in der Regenzeit, wenn die Steinstufen, die hier direkt in den fast 80 Grad senkrechten Felsen gehauen sind, rutschig sind und der Wind stark bläst. Wegen des Risikos und Adrenalinschubs, kommentieren einige Menschen auf der Plattform «Trip Advisor». «Der Abstieg ist schwieriger als der Aufstieg, weil wir dann sehen können, wohin wir fallen, wenn wir ausrutschen», schreibt einer der Nutzer. Akshay Sunil Patil, der ganz in der Nähe lebt, sagt, dass er Abenteuersport und «aufregende Orte» wie Harihar Fort liebe. Angst habe er dabei nicht.

Die Steinstufen zum Harihar Fort sind in den fast 80 Grad senkrechten Felsen gehauen.
Die Steinstufen zum Harihar Fort sind in den fast 80 Grad senkrechten Felsen gehauen.
Facebook/Architecture & Design

In Indien sterben einer Studie zufolge viele Menschen beim Versuch, Selfies zu machen. Forscher der indischen Universitätskrankenhaus-Kette AIIMS berichteten 2018 auf Grundlage einer weltweiten Zeitungsauswertung, es habe zwischen Oktober 2011 und November 2017 weltweit 259 Todesfälle beim Selbstfotografieren gegeben – etwa die Hälfte davon in Indien.

Klettersteig in Österreich

Der Klettersteig am Donnerkogel mit der spektakulären Himmelsleiter lockt jedes Jahr Tausende von manchmal schlecht ausgerüsteten Menschen an. «Die Leute wissen nicht, worauf sie sich einlassen. Es ist ein Wahnsinn», sagt der Ausbildungsleiter der Alpinpolizei Oberösterreich, Kurt Arnold. Der Steig im Salzkammergut gilt auch für erfahrene Alpinisten als schwer, auf der rund 40 Meter langen Himmelsleiter schwebt jeder rund 100 Meter über einer Schlucht.

Der Klettersteig am Donnerkogel lockt jedes Jahr Tausende an.
Der Klettersteig am Donnerkogel lockt jedes Jahr Tausende an.
Imago

«An manchen Sommertagen stehen 50 Leute an der Einstiegsstelle», sagt Arnold. Einige hätten dem Alpinpolizisten zufolge nicht einmal die unbedingt nötige Klettersteigausrüstung dabei. Auf Instagram sind Posts zu finden, an denen sich Wagemutige aus Gründen der Selbstinszenierung mit nur einem Arm an eine Sprosse hängen. «Es gibt immer Nachahmer», kritisiert Arnold das Verhalten. Zuletzt starb ein Brite auf dem Steig, andere Touristen mussten erschöpft geborgen werden.

«Pedra do Telégrafo» in Rio

Die Millionenmetropole Rio de Janeiro ist nicht nur für ihre weltberühmten Strände bekannt, sondern auch für die unzähligen spektakulären Aussichtspunkte. Einer davon ist der Felsen von «Pedra do Telégrafo» – einer Klippe auf 350 Metern Höhe mit einem Ausblick auf die malerischen Küstenstrände, Bergketten und den atlantischen Regenwald. Touristen und Einheimische lassen sich hier an der Spitze des Felsens in scheinbar waghalsigen Posen ablichten: ob kopfüber mit den Fussspitzen hängend oder bei dem Versuch, einarmige Klimmzüge zu machen.

Touristen und Einheimische lassen sich an der Spitze des Felsens «Pedra do Telégrafo» in scheinbar waghalsigen Posen ablichten.
Touristen und Einheimische lassen sich an der Spitze des Felsens «Pedra do Telégrafo» in scheinbar waghalsigen Posen ablichten.
Facebook/Marcus Guilhem

Tatsächlich befindet sich der Felsen aber nur wenige Zentimeter über dem Boden und die Fotos erwecken nur aus bestimmten Blickwinkeln den Eindruck, die Person würde am Rande eines Abgrunds stehen. Dennoch gab es im September 2023 einen Vorfall, der tragisch hätte enden können: Zwei Männer gerieten aufgrund eines Fotos aneinander und stürzten eine kurze Strecke den Hügel hinunter. Nur weil einer von ihnen darum bat, den Streit zu beenden, konnte Schlimmeres verhindert werden.

In Rio kommt es bei dem Versuch, an felsigen Küsten, Hängen, Aussichtspunkten und Wasserfällen zu fotografieren, immer wieder zu Todesfällen. 2022 starben dabei im Bundesstaat einer Untersuchung der Feuerwehr zufolge 16 Menschen.

«Train Street» in Vietnam

Offiziell ist die berühmte «Train Street» in Vietnams Hauptstadt Hanoi seit Jahren für Besucher gesperrt. Dennoch überwinden Touristen immer wieder die Barrieren mit grossen Warnschildern, um an der fotogenen Zugtrasse – die zwischen engen Häuserblocks hindurchführt – Selfies zu schiessen. In der Vergangenheit gab es mehrmals Zwischenfälle: Einmal musste ein Zug eine Notbremsung machen, um nicht mit Besucherscharen zu kollidieren. 2022 war ein Urlauber aus Südkorea von einem langsam fahrenden Zug gestreift worden. Er hatte Glück und wurde nur leicht verletzt.

Obwohl die berühmte «Train Street» in Vietnams Hauptstadt Hanoi seit Jahren für Besucher gesperrt ist, überwinden Touristen immer wieder die Barrieren.
Obwohl die berühmte «Train Street» in Vietnams Hauptstadt Hanoi seit Jahren für Besucher gesperrt ist, überwinden Touristen immer wieder die Barrieren.
Imago

Ein Rückblick: Angezogen von spektakulären Fotos im Internet waren seit 2018 immer mehr Schaulustige angereist. Die «Train Street» wurde zum Instagram-Hotspot. Cafés und Souvenirstände öffneten, Anwohner bauten Essensstände auf, Restaurants stellten in der «zugfreien» Zeit sogar Tische direkt auf die Schienen. Schliesslich sperrten die Behörden die Sehenswürdigkeit wegen der grossen Gefahren. Die Zugtrasse stammt aus der französischen Kolonialzeit. Noch heute spielt sie eine wichtige Rolle für einheimische und ausländische Reisende. Wenn ein Zug kommt, werden die Barrieren kurzzeitig abgebaut.

Iguazu-Wasserfälle in Südamerika

Die weltberühmten Iguazu-Wasserfälle an der Grenze zwischen Brasilien und Argentinien sind eines der gigantischsten Naturwunder der Welt. Schon von Weitem hört man das Grollen der 20 grösseren und über 250 kleineren Wasserfälle, die zu einer der wichtigsten Touristenattraktionen der Region gehören. Auf den Rundwegen warnen Hinweisschilder vor dem Klettern auf den Geländern. Doch einige Touristen scheint das für das vermeintlich perfekte Foto nicht abzuschrecken – 2022 mit fatalen Folgen.

Die Iguazu-Wasserfälle an der Grenze zwischen Brasilien und Argentinien sind eines der gigantischsten Naturwunder der Welt.
Die Iguazu-Wasserfälle an der Grenze zwischen Brasilien und Argentinien sind eines der gigantischsten Naturwunder der Welt.
Keystone

Ein Besucher setzte sich auf eines der Geländer, um ein Foto zu machen, wie Feuerwehrmann Walter Barreiro in einem Interview des argentinischen Nachrichtensenders «TN» erzählt. «Der Mann verlor das Gleichgewicht und fiel in den Fluss.» Die Wassermassen hätten ihn in Sekundenschnelle unter Wasser gezogen. Der durchschnittliche Wasserdurchfluss beträgt nach Angaben des Parks 1,8 Millionen Liter Wasser pro Sekunde.

Fjordlandschaften und Islands Naturspektakel

Die weite und spektakuläre Natur Skandinaviens zieht jedes Jahr Millionen Touristen an. Norwegens Fjordlandschaften und Hunderte Meter hohe Felskanten oder Islands Wasserfälle sind wie gemacht für die Jagd nach dem perfekten Schnappschuss. Wagemutige werden im hohen Norden zum Beispiel von hohen Klippen und Gesteinsformationen angezogen, etwa dem Preikestolen und dem Kjeragbolten in Norwegen oder der Steinbrücke im isländischen Arnarstapi. Gefahr droht auf dem Gestein vor allem immer dann, wenn es – wie so häufig in Skandinavien – regnet, stürmt oder schneit.

Auf Island erzählt man sich haarsträubende Geschichten von leichtsinnigen Touristen, die für Fotos über Absperrungen steigen und wahlweise zu nah an Abgründen, Schluchten, Wasserfällen, Geysiren oder gar Lavamassen posieren. So zum Beispiel im äusserst fotogenen Vulkangebiet auf der südwestisländischen Reykjanes-Halbinsel. Nach einem Ausbruch Ende 2023 musste ein Mann der Polizei zufolge mit einem Helikopter gerettet werden, nachdem er sich allein auf die lange und aufreibende Wanderung zum Eruptionsort gemacht hatte.

Der Preikestolen in Norwegen bietet eine Aussicht für spektakuläre Fotos.
Der Preikestolen in Norwegen bietet eine Aussicht für spektakuläre Fotos.
Imago

Bei einem vorherigen Ausbruch in dem Gebiet nahe Grindavík sorgten Fotos von Schaulustigen, die gar in die unmittelbare Nähe eines Kraters geklettert waren, dafür, dass die Behörden die Gegend vorübergehend für die Öffentlichkeit schlossen. Nach dem jüngsten Ausbruch vor wenigen Tagen baten die Behörden inständig darum, sich nicht dem Ausbruchsgebiet zu nähern.

Um Reisende für die Risiken der gewaltigen isländischen Natur zu sensibilisieren, hat die Tourismusbehörde Visit Iceland vor einigen Jahren eine besondere Kampagne gestartet: Touristen können den «Icelandic Pledge» abgeben, eine Art Online-Gelübde, keine Dummheiten während der Island-Reise zu begehen. In Regel Nummer Drei heisst es dabei: «Ich werde zum Sterben schöne Fotos machen, ohne für sie zu sterben.»