Ein Jahr nach Epsteins Tod Wie geht es in dem Skandal weiter?

Von Christina Horsten und Silvia Kusidlo, dpa/uri

10.8.2020

Jeffrey Epstein auf einer Aufnahme des New York State Sex Offender Registry. (Archiv)
Jeffrey Epstein auf einer Aufnahme des New York State Sex Offender Registry. (Archiv)
Keystone

Vor einem Jahr starb der verurteilte Sexualstraftäter Jeffrey Epstein in seiner Gefängniszelle. Doch der Skandal ist noch lange nicht vorbei – zu viele Prominente suchten die Nähe des schwerreichen Finanziers.

Es war eine denkwürdige Nacht im Metropolitan Correctional Center von New York: Zwei Wärter waren in dem Hochsicherheitsgefängnis eigentlich damit beauftragt, auf den kurz zuvor festgenommenen US-Unternehmer Jeffrey Epstein aufzupassen, dem Sexualverbrechen vorgeworfen wurden. Sie schauten aber nicht wie vorgeschrieben jede halbe Stunde nach dem berühmt-berüchtigten Insassen, sondern sassen etwa an ihren Arbeitsplätzen oder surften im Internet.

Anschliessend – so später die Anklage – fälschten die beiden Männer Dokumente, um ihr Fehlverhalten zu überdecken. Am nächsten Tag, dem 10. August vor einem Jahr, wurde Epstein tot in der Zelle entdeckt. Die US-Behörden gehen von einem Suizid des 66-Jährigen aus, auch wenn sich rund um den Tod des früheren Unternehmers seitdem immer neue Verschwörungstheorien ranken. US-Justizminister William Barr beklagte direkt nach dem Vorfall «schwere Unregelmässigkeiten» in der Haftanstalt und kündigte umfangreiche Untersuchungen an.

Für Epsteins Opfer und für die New Yorker Staatsanwaltschaft bedeutete der Tod des Angeklagten zwar einen herben Rückschlag – das Ende des Skandals rund um den schwerreichen Finanzier aber noch lange nicht. Schon damals hatte Justizminister Barr angekündigt: «Die Opfer verdienen Gerechtigkeit, und sie werden sie bekommen.» Auch die Anwälte der Opfer kündigten an, weitermachen zu wollen.

Symbol einer Elite, die mit allem durchkommt

Dutzende minderjährige Mädchen soll Epstein laut Staatsanwaltschaft missbraucht und einen Missbrauchsring aufgebaut haben. Der Ex-Investmentbanker wurde zum Symbol einer wohlhabenden Elite, die mit allem durchkommt. Schon 2008 hatte er in Florida vor Gericht gestanden. Doch obwohl 24 Mädchen Vorwürfe gegen ihn erhoben, kam Epstein durch einen Deal mit der Staatsanwaltschaft mit einer Haftstrafe davon, die viele für einen Skandal hielten. Nach 13 Monaten, in denen er tagsüber ins Büro durfte, war er wieder frei.

Der verurteilte Sexualstraftäter Jeffrey Epstein hat über viele Jahre auch minderjährige Frauen missbraucht. In der Dokumentation «Surviving Jeffrey Epstein» klagen die Opfer den Investmentbanker post mortem an.
Der verurteilte Sexualstraftäter Jeffrey Epstein hat über viele Jahre auch minderjährige Frauen missbraucht. In der Dokumentation «Surviving Jeffrey Epstein» klagen die Opfer den Investmentbanker post mortem an.
Crime + Investigation / A+E Networks

Danach suchte Epstein weiter das Rampenlicht. Zu seinen prominentesten Bekannten gehörten der britische Prinz Andrew sowie der frühere US-Präsident Bill Clinton und der jetzige, Donald Trump. Epstein flog mit seinem Jet umher, nach Florida in seine Villa in Palm Beach und auf seine private Karibikinsel Little St. James. Seine Boeing 727 bekam den Spitznamen «Lolita Express», Little St. James wurde «Insel der Pädophilen» genannt.

Die Generalstaatsanwaltschaft der amerikanischen Jungferninseln wirft der Nachlassverwaltung des Geschäftsmanns in einer Zivilklage sogar vor, dass er bis mindestens 2018 auf der Insel Mädchen und junge Frauen missbraucht habe. Oft soll Epsteins Freundin Ghislaine Maxwell mit dabei gewesen sein – und die steht nun im Fokus der Ermittlungen.

Packt Maxwell vor Gericht aus?

Nachdem sie zunächst aus der Öffentlichkeit verschwunden schien, wurde die 58-Jährige Anfang Juli im US-Bundesstaat New Hampshire festgenommen und der Beihilfe zu Epsteins Machenschaften angeklagt. Maxwell wies die Vorwürfe zurück, muss aber bis zum Prozessbeginn, der vorläufig auf den 12. Juli 2021 festgelegt wurde, im Gefängnis bleiben.

Sie stammt aus Grossbritannien und ist das neunte Kind des Medienzaren Robert Maxwell und der französischstämmigen Holocaust-Forscherin Elisabeth Meynard. Geboren in Frankreich und aufgewachsen in der Nähe des englischen Oxford, siedelte die gut vernetzte Ghislaine Maxwell nach dem Tod ihres Vaters in die USA über, wo sie Epstein auf einer Party kennenlernte. Anfangs waren sie für einige Jahre ein Liebespaar, später sprach er von seiner «besten Freundin».

Mit Spannung erwartet wird nun, ob Maxwell vor Gericht auspackt – und dabei vielleicht sich selbst einen Vorteil verschaffen, aber viele Prominente schwer belasten könnte. US-Präsident Trump gab bei einer Pressekonferenz jüngst frei heraus zu, dass er Maxwell «im Laufe der Jahre viele Male» getroffen habe – und wünschte ihr «alles Gute».

Besonders pikant ist ein jetzt kursierendes Video mit einem Interview Trumps von 2015. Darin bezeichnet er Epsteins Karibikinsel als «Kloake» und fordert die Reporter auf, doch mal Prinz Andrew (60) dazu zu befragen. Der Royal – von der britschen Presse früher oft als «Randy Andy» (etwa: geiler Andy) und Party-Prinz verspottet – hatte Epstein über Maxwell kennen gelernt und soll in den Skandal verwickelt sein. Die Amerikanerin Virginia Roberts Giuffre behauptet, dass Andrew sie als Minderjährige mehrfach missbraucht habe.

Foto zeigt Maxwell auf dem Thron der Queen

Ende Juli wurden zudem Gerichtsunterlagen einer Zivilklage Giuffres aus dem Jahr 2015 veröffentlicht. Darin beschuldigt sie Maxwell, ebenfalls mit minderjährigen Frauen Sex gehabt zu haben. Auch Giuffre soll sie für den Missbrauch gefügig gemacht haben: «Sie ist diejenige, die mich regelmässig missbraucht hat. Sie hat mich rekrutiert, mir gesagt, was ich tun soll, mich zur Sexsklavin ausgebildet, mich körperlich missbraucht, mich geistig missbraucht.»

Andrew wollte sich derweil mit einem BBC-Interview zur Wehr setzen, doch der 60-Jährige redete sich um Kopf und Kragen. Als Konsequenz gab der zweitälteste Sohn der Queen seine royalen Pflichten auf und zog sich zurück. Als im Juli seine Tochter Beatrice ihren Partner Edoardo Mapelli Mozzi heiratete, veröffentlichte der Palast Fotos vom Brautpaar, von Königin Elizabeth II. und deren Mann Prinz Philip – Beatrices Eltern fehlten. «Wo ist Papa?», fragte der «Sunday Mirror».

Andrew behauptet, von den Machenschaften seines Freundes Epstein nichts mitbekommen haben. Dabei hatte er den Geschäftsmann mehrmals auf dessen Anwesen besucht. Die US-Ermittler, die ihn – als Zeugen – verhören wollen, warfen dem Royal mehrfach Mangel an Kooperationsbereitschaft vor. Andrews Anwälte wiesen das zurück.

Wie eng die Freundschaft zwischen dem Prinzen und Maxwell war, zeigt ein Foto, das der «Telegraph» veröffentlichte. Das Bild soll auf einer von Andrew organisierten Privattour im Buckingham-Palast entstanden sein. Darauf ist dem Blatt zufolge Maxwell zu sehen, wie sie neben Schauspieler Kevin Spacey sitzt – auf dem Thron der Queen.

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