Klage gegen WM-Ausrichter Vagina-Kontrollen haben für Katar ein rechtliches Nachspiel

Von Philipp Dahm

24.10.2022

Klage: Der Hamad International Airport in Doha in Katar war Schauplatz einer Untersuchung tief unter der Gürtellinie. (Archivbild)
Klage: Der Hamad International Airport in Doha in Katar war Schauplatz einer Untersuchung tief unter der Gürtellinie. (Archivbild)
Bild: AP

Fünf Australierinnen gehen vor Gericht, nachdem sie auf dem Flughafen von Doha dazu gezwungen wurden, sich vaginal untersuchen zu lassen. Neben Qatar Airways wurde auch WM-Ausrichter Katar verzeigt.

Von Philipp Dahm

Die Passagiere des Fluges Qatar Airways QR 908 sind bereits an Bord. Um 20.30 Uhr soll der Airbus A388 abheben: Das Ziel Sydney soll am nächsten Tag um 18.25 Uhr erreicht werden. Doch es kommt anders.

Den Fluggästen wird an jenem 2. Oktober 2020 in Doha mitgeteilt, dass es eine Verzögerung gebe – und dass alle erwachsenen Frauen den Airbus verlassen müssen. «Es gab 13 von uns und wir alle mussten aussteigen» erinnert sich eine Betroffene im Gespräch mit dem australischen Sender ABC.

Qatar-Airways-Maschine in Riad in Saudi-Arabien: Auch die Fluggesellschaft wird sich vor Gericht verantworten müssen. (Archivbild)
Qatar-Airways-Maschine in Riad in Saudi-Arabien: Auch die Fluggesellschaft wird sich vor Gericht verantworten müssen. (Archivbild)
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«Niemand hat Englisch gesprochen und uns gesagt, was passiert. Es war angsteinflössend», berichtet die Zeugin. «Eine Mutter neben mir hat ihr schlafendes Kind im Flugzeug zurückgelassen.» Zwei Krankenwagen stehen am Flugfeld bereit. Die Frauen betreten die Ambulanzen einzeln, dann werden die Türen verschlossen.

«Sie haben nie irgendwas erklärt», erklärt eine andere Betroffene. Sie sei von einer Frau mit Maske empfangen worden. «Sie sagte mir, ich soll die Hosen herunterziehen und müsse meine Vagina untersuchen lassen.» Als die Passagierin das ablehnt, habe die Frau bloss gesagt: «Wir müssen sie sehen. Wir müssen sie sehen.»

«Ich bekam Panik»

Die Reisende bekommt Panik, springt aus einer Seitentür. «Ich konnte nirgendwo hin.» Dann lässt sie die Untersuchung über sich ergehen. «Ich bekam Panik. Alles wurde weiss und zitterig. Ich hatte sehr viel Angst zu diesem Zeitpunkt. Ich wusste nicht, worauf das hinauslaufen könnte.»

Eine andere Passagierin berichtet BBC, sie habe gedacht, das Flugzeug sei entführt worden und die Frauen würden freigelassen. Doch tatsächlich seien die Reisenden separiert worden, und ihnen wurde gesagt, sie könnten nicht zurück ins Flugzeug, wenn sie sich nicht untersuchen liessen. «Es gab eine Geiselsituation, aber nicht so, wie ich meinte.»

QR 908 kann schliesslich – mit drei Stunden Verspätung – abheben. In Australien – und weltweit – schlägt der Fall hohe Wellen. «Es ist etwas, von dem ich in meinem ganzen Leben noch nie in irgendeinem Kontext gehört haben», erregt sich stellvertretend die australische Frauen-Ministerin. Die Regierung habe ihre Ansichten Katar gegenüber sehr deutlich gemacht, versichert Marise Payne.

Behörden suchten nach Mutter eines ausgesetzten Babys

Der Grund für die Massnahme: Die Behörden entdecken auf dem Hamad International Airport ein Neugeborenes im Müll und beginnen umgehend mit der Suche nach den Eltern. Dazu werden Passagierinnen von zehn verschiedenen Flugzeugen untersucht, die in der Nähe positioniert sind.

Später wird sich herausstellen, dass eine Frau «aus einem asiatischen Land» für den Vorfall verantwortlich ist, die aus Katar geflohen ist. Der Mutter des verlassenen Kindes drohen 15 Jahre Haft, sofern sie ausgeliefert wird. Doch nachdem die weiblichen Reisenden aus Australien, Neuseeland und Grossbritannien auf die Barrikaden gehen, zieht die Sache weiter Kreise.

Der katarische Premier Chalid bin Chalifa bin Abdulasis Al Thani fühlt sich bald bemüssigt, zu sagen, das normale Procedere sei verletzt worden. Er entschuldige sich «ernsthaft für das, was einige weibliche Reisenden durchleiden» mussten. Gegen eine Reihe von Angestellten des Flughafens sei Anklage erhoben worden.

Folgen für Psyche

Doch das ist fünf Australierinnen nicht genug: Sie haben nun sowohl Qatar Airways als auch die staatliche Qatar Civil Aviation Authority angezeigt. Sie werfen den Angeklagten «illegalen physischen Kontakt« vor, der ihre mentale Gesundheit geschädigt habe, berichtet «New York Times». Das habe in Depression oder Posttraumatischem Stress-Syndrom gemündet.

«Dieser Tag hat mich als Person komplett verändert», sagt eine 33-jährige Krankenpflegerin dem US-Blatt. «Es scheint, als würden [die Kataris] einfach weitermachen, es tut ihnen nicht leid. Sie leben ihre Leben normal weiter, während wir alle hier ziemlich beeinträchtigt sind. Das ist wirklich unfair.»

Dass die Klage kurz vor Beginn der Fussball-Weltmeisterschaft in Katar eingereicht worden ist, ist für die Regierung in Doha höchst unangenehm. Das Emirat versichert laut «Guardian», die «Sicherheit» von Reisenden sei gewährleistet, führte diese Angabe aber nicht aus.

Damian Sturzaker, Anwalt der Klägerinnen, betont, er sei «stolz, an der Seite dieser Gruppe tapferer Frauen zu stehen, die es mit Katars Regierung aufnimmt, nachdem ihre Menschenrechte schwer verletzt worden sind».