SexualstrafrechtJüngere wünschen sich eine klare «Ja-heisst-Ja»-Regel
sda/toko
12.4.2022 - 10:12
Das Nötigungsprinzip im Sexualstrafrecht wird revidiert. Vor allem jüngere Menschen finden laut einer Umfrage: Die Zustimmungslösung schützt am besten vor sexualisierter Gewalt.
12.04.2022, 10:12
12.04.2022, 11:33
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Fast die Hälfte der Befragten einer Amnesty-Umfrage haben sich bezüglich des revidierten Sexualstrafrechts für die Zustimmungslösung ausgesprochen. Somit waren sie anderer Meinung als die Rechtskommission des Ständerates.
Das Sexualstrafrecht wird revidiert. Amnesty International Schweiz hat am Dienstag die Resultate ihrer Umfrage «Wahrnehmung sexuelle Beziehungen und Gewalt» präsentiert. Ob die Zustimmungslösung, also die «Nur-Ja-heisst-Ja»-Lösung oder die Ablehnungslösung, die «Nein-heisst-Nein»-Lösung, Personen am besten vor sexualisierter Gewalt schützen, hat das Meinungsforschungsinstitut gfs.bern im Auftrag von Amnesty International Schweiz eruiert. Dazu wurden rund 1000 Personen online befragt.
Die Zustimmungslösung war insbesondere für jüngere Menschen das richtige Prinzip. So waren 50 Prozent der befragten 18- bis 39-Jährigen der Meinung, dass diese am besten gegen sexualisierte Gewalt schützt. Auch 40- bis 64-Jährige (45 Prozent) und über 65-jährige Personen (40 Prozent) sagten, dass eine klare Zustimmung am ehesten zu einvernehmlichem Sex führt.
27 Prozent aller Befragten sprachen sich für die Ablehnungslösung aus. Dieser Meinung war Mitte Februar auch die Kommission für Rechtsfragen des Ständerats. Ihr zufolge sollen bei der Revision des Sexualstrafrechts die Tatbestände der sexuellen Nötigung und der Vergewaltigung basierend auf der «Nein-heisst-Nein»-Lösung ausgestaltet werden. Der Erlassentwurf und ein Bericht seien dem Ständerat und dem Bundesrat zur Stellungnahme unterbreitet worden. Es sei vorgesehen, den Entwurf in der Sommersession im Ständerat als Erstrat zu beraten, hiess es in der Medienmitteilung vom Februar. Die Zustimmungslösung war damit vorerst vom Tisch.
Weiter ging die Umfrage der Frage nach, welche konkreten Massnahmen nötig wären, um gegen sexualisierte Gewalt in der Schweiz vorzugehen. Als «absolut nötig» empfand die Mehrheit, dass Tatpersonen konsequent zur Rechenschaft gezogen werden und Opfern vor Gericht Gehör verschafft wird. Zudem sollen Sexualität und Konsens bereits in der Schule Thema sein.
Die Umfrage zeigte aber auch, dass gut ein Drittel der Befragten es eher schwierig fanden, einzuschätzen, was ihr Gegenüber will. 14 Prozent stellten nicht immer sicher, dass ihr Gegenüber mit jeder sexuellen Handlung einverstanden war.
Unterschiede zwischen Männern und Frauen
«Männer sehen bei verschiedensten Verhaltensweisen viel eher Spielraum für Zustimmung, als das bei Frauen der Fall ist», schrieb gfs.bern. Für praktisch alle Befragten lag eine Einwilligung klar dann vor, wenn das Gegenüber Ja zum Geschlechtsverkehr gesagt hatte.
Rund ein Drittel der befragten Männer und rund ein Fünftel der Frauen interpretierten es als Einwilligung, wenn das Gegenüber nicht Nein gesagt hatte. 34 Prozent der Männer und 12 Prozent der Frauen gaben zudem an, dass es eine Einwilligung zum Geschlechtsverkehr sei, wenn das Gegenüber nachgegeben hat, nachdem es überredet worden war.
Unterschied zwischen Zustimmungs- und Ablehnungslösung
Zurzeit gilt im Sexualstrafrecht das Nötigungsprinzip. Ein sexueller Übergriff sei nur dann strafbar, wenn der Täter eine Person weiblichen Geschlechts zur Duldung des Beischlafs nötigt, hiess es in den Erläuterungen der Umfrage. Namentlich müsse der Täter sie beispielsweise bedrohen oder Gewalt anwenden.
Als zeitgemässere Lösung soll im revidierten Sexualstrafrecht entweder die Zustimmungslösung oder die Ablehnungslösung gelten. Bei der Zustimmungslösung brauche es die verbale oder nonverbale Zustimmung aller beteiligten Personen. Ohne diese sei Geschlechtsverkehr als Vergewaltigung strafbar, schrieb das Forschungsinstitut.
Bei der Ablehnungslösung sei Geschlechtsverkehr laut den Erläuterungen von gfs.bern dann strafbar, wenn die Ablehnung zum Geschlechtsverkehr eindeutig zum Ausdruck gebracht werde und von der anderen Person ignoriert werde.