Reportage aus Locarno Szenen wie aus einem Katastrophenfilm

Von Tessa Morgantini, Locarno

26.8.2023

Der Hagelsturm vom Freitagabend zerfetzte diesen Sonnenstoren in Locarno regelrecht. 
Der Hagelsturm vom Freitagabend zerfetzte diesen Sonnenstoren in Locarno regelrecht. 
Bild: blue News

Am Freitagabend verwüstete ein kurzer, aber intensiver Hagelsturm die Stadt Locarno und mehrere benachbarte Dörfer. Auch am Tag danach lässt das Erlebte die Menschen ratlos zurück – eine Reportage.

Von Tessa Morgantini, Locarno

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Am Freitagabend gegen 21.30 Uhr ging über Locarno und einigen benachbarten Orten ein heftiger Hagelsturm nieder.
  • Die Schäden dürften enorm sein: Zertrümmerte Autos, zerbrochene Fenster und Fensterläden an Häusern, abgebrochene Bäume und Überschwemmungen prägen das Ortsbild.
  • Auch am Samstag macht das Ausmass der Schäden die Einwohner*innen von Locarno sprachlos.
  • Mehr zu Wetter und Unwettern erfährst du in unserem Ticker.

Am Freitagabend weht in Locarno ein starker Wind, der die Blätter aufwirbelt. Gegen 21.30 Uhr setzt ein heftiges Gewitter ein und Hagelkörner prasseln ungestüm herab. Das Geräusch der Hagelkörner, die auf Balkone, Asphalt und Häuser einprasseln, macht Angst.

Einige Äste der Bäume werden abgerissen, die Strassen färben sich weiss wie nach Schneefall, während die Velofahrer*innen verzweifelt in die Pedale treten, um sich in Sicherheit zu bringen. Ihre Eile ist nicht verwunderlich: Die Körner sind fast so gross wie Feuerzeuge.

Zunächst sind wir alle schockiert von der Heftigkeit des Unwetters, dann setzt die Sorge um die Autos ein: Die Scheiben der im Freien parkieren Fahrzeuge werden beschädigt, gehen in manchen Fällen ganz kaputt, Massen von Eis und Wasser fluten die Sitze oder Kofferräume.

Ein Video aus einem Bus in der Gegend, dessen Dachfenster durch Hagel zerbrochen wurde und die Menschen an Bord versuchen, sich vor dem Eisregen zu schützen, der auf sie niederprasselt, verbreitet sich auf Whatsapp rasant.

Innerhalb von etwa 30 Minuten beruhigte sich die Lage, aber auch in dieser kurzen Zeit wurde Locarno – und nicht nur die Stadt – von einem regelrechten Tornado heimgesucht.

Karosserien voller Löcher, umgekippte Tische

Auf den Strassen der Stadt spielen sich Szenen wie aus einem Katastrophenfilm ab: Der Asphalt ist mit Blättern und abgebrochenen Ästen bedeckt, es gibt überschwemmte Gebiete und in den Ecken türmen sich noch die Hagelkörner. Alles liegt auf dem Boden: Teile von Häuserfassaden, zerbrochenes Glas, Hunderte von Tauben-Abschreckungen, die aus höheren Stockwerken gefallen sind.

Die Sirenen von Krankenwagen und Feuerwehren sind zu hören, gelegentlich fährt ein Abschleppwagen vorbei. Die Autos auf den Parkplätzen sind, eines nach dem anderen, unbrauchbar gemacht worden: Die Scheiben zerbrochen und die Karosserie voller Löcher und Beulen, die Rückspiegel zertrümmert.

Auf den Plätzen der Stadt wurden Tische und Bänke umgekippt. Der Wind hat es sogar geschafft, grosse Sonnenschirme mit Betonfüssen umzuwerfen. Leuchtreklamen sind beschädigt und strahlen traurig, auch zur Dekoration angebrachte Fahnen sind zerfetzt worden.

Der Tag danach zeigt das ganze Ausmass der Schäden

Am Samstagmorgen, dem Tag danach, bringt der Tag auch unzählige zerbrochene Fenster und Fensterläden ans Licht. Auf den Strassen türmen sich Dreck und Laub, die Maenschen schauen sich ratlos um. Viele sind damit beschäftigt, die Zufahrten vor ihren Häusern zu fegen.

Die Menschen diskutieren über den Zustand ihrer Autos oder über die Schäden in ihren Häusern. Auf der Strasse gibt es nur ein Thema. In einer Garage in Solduno sind die ausgestellten Fahrzeuge fast alle zerstört. 

In der Altstadt, in der Nähe der Kirche S. Antonio, ist der Pfarrer von Locarno damit beschäftigt, den Unrat mit einem Besen zu beseitigen. «So etwas habe ich hier noch nie gesehen, es ist erschreckend», sagt er zur Reporterin. «Noch nie hat es so viel Hagel gegeben, mit so grossen Hagelkörnern, und so vielen Dingen, die aufzuräumen sind. Glas und Autos wurden zerstört, ebenso wie die Gebäude in der Gemeinde», fasst er seine Eindrücke zusammen.

Schäden von enormem Ausmass

Das Ausmass der Schäden, das ist schon jetzt absehbar, Wird enorm sein. Fast jede und jeder, die in dieser Region leben, sind von Schäden betroffen. Die Pannendienste und Karosseriewerkstätte werden alle Hände voll zu tun haben, ebenso wie die Versicherungsgesellschaften.

Dieser aussergewöhnliche Hagelsturm markiert das Ende einer aussergewöhnlichen Hitzewelle, der längsten, die es in der Schweiz in der zweiten Augusthälfte je gegeben hat. Die Menschen haben sich auf kühleres Wetter gefreut, aber sicher nicht damit gerechnet, dass es auf diese verheerende Weise kommen würde.