Untersuchungsbericht ICE entgleiste in Basel wegen Stellfehler der Weichen

SDA/uri

16.9.2019 - 12:18

Eine versehentlich unter dem fahrenden Zug umgestellte Weiche hat am 17. Februar in Basel einen ICE entweichen lassen. 

Der am Montag publizierte Untersuchungsbericht der Sust bestätigt diese schon früh vermutete Unfallursache. Der gut 350 Meter lange Zug mit 240 Passagieren war von Berlin nach Basel SBB unterwegs und hatte gerade die Rheinbrücke überquert, als um 20:44 Uhr der hintere Zugteil auf ein anderes Gleis geführt wurde als jenes, auf welchem der vordere fuhr.

Der erste Wagen nach dem Triebkopf schleifte in der Folge quer zwischen den Gleisen über den Schotter mit, dies bei rund 50 km/h Fahrtempo. Mangels Rückspiegel bemerkte der Lokführer das Malheur erst, als der Fahrwiderstand anstieg, weil wegen steigenden Gleisabstands eine weitere Achse entgleiste und der Zug zu rütteln begann. Da hielt er den ICE sofort an, der nur 20 Meter vor einer Tunnel-Trennwand zum Stillstand kam. Der Zug blieb zusammengekoppelt, und kein Wagen kippte.

Beim spektakulären Unfall verletzte sich eine Person an der Hand, als sie die Glasscheibe zum Knopf für die Not-Türöffnung einschlug, wie dem Bericht der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust) zu entnehmen ist. Das entgleiste Drehgestell demolierte auf einer Strecke von rund 900 Metern Weichen, Gleise und Sicherungseinrichtungen. Auch der ICE wurde stark beschädigt; er musste aufgetrennt weggefahren werden.

Unfallort mehrfacher Grenzfall

Der Unfallort liegt direkt neben der Autobahn A2 zwischen einem Wohnquartier in Basels Osten und einem Spitalareal. Just in jenem Abschnitt wechseln Zuständigkeiten zwischen deutschen und Schweizer Bahnpartnern sowie auch die Mobilfunknetze – der Badische Bahnhof in Basel ist deutsches Hoheitsgebiet auf Schweizer Boden.

Die Entgleisungsstelle liegt im betrieblichen Verantwortungsgebiet der DB Netz AG; die Zugspitze kam indes in jenem der SBB-Infrastruktur zum Stillstand. Die betreffende Weiche wurde durch die DB Netz bedient, dies vom Badischen Bahnhof Basel aus. Die Infrastruktur hingegen gehört bei beiden Stellen der SBB.

Hintergrund des Unfalls ist ein zweiter Zug, der kurz nach dem entgleisten ebenfalls aus dem Badischen Bahnhof zum Bahnhof SBB losfuhr. Der entgleiste ICE war mit 63 Minuten Verspätung unterwegs. Verspätungen aus dem deutschen Netz sind in Basel nicht selten; teils gewährleisten dann Ersatzzüge den Schweizer Taktfahrplan.

Keine Absicht

Laut Sust-Bericht wurde um 20:46 Uhr im Stellwerk eine Bedienung des Störungsdruckers mittels «Fahrstrassenhilfsauflösetaste» registriert. Die programmierte Fahrstrasse für den zweiten Zug wurde damit zwar zulässigerweise hilfsausgelöst, jedoch wurde so auch die Fahrstrasse des ersten Zugs während dessen Durchfahrt bei der Weiche verändert, was «nicht zulässig, aber auch nicht gewollt» gewesen sei.

«Denkbar» sei, schreibt die Sust weiter, dass sich der Fahrdienstleiter beim Eingeben der Fahrstrasse für den zweiten Zug «vertippt» hatte und das falsche Zielgleis mittels Hilfsauslösung korrigieren wollte, das Stellwerk dann aber statt der Umfahrzug- die Regelzug-Fahrstrasse vorzeitig eingestellt hat.

Nichts deute darauf hin, dass bei der Weichenumstellung «die Technik nicht wie vorgesehen funktioniert hätte», hält der Bericht fest. Das hintere Drehgestell des ersten Wagens habe die Weiche «in einer Zwischenstellung befahren» und sei so entgleist.

Gemäss Untersuchungsbericht decken sich Betriebsführungsbereiche und GSM-R-Funkbereiche nicht, was die Kommunikation zwischen Zügen nach Basel SBB und der zuständigen Fahrdienstleitung im Badischen Bahnhof verunmögliche. So konnte der Fahrdienstleiter dem Lokführer nicht mehr per Funk zum Anhalten auffordern, wie die Sust moniert. Die Funkumschaltungsstellen seien zu überdenken und allenfalls anzupassen.

BAV soll Deutschland kontaktieren

Die Sust notiert mit dem Untertitel «Sicherheitsdefizit», dass für eine Konstellation wie bei dieser Entgleisung die Schweizer Anforderungen an Stellwerke strenger seien als die deutschen. So gebe es «kein Erfordernis, vor dem erneuten Einstellen dieser Zugfahrstrasse beispielsweise eine Sperrzeit abzuwarten oder eine zweite Bedienhandlung auszuführen». Für die Risikoabsicherung gebe es nur gerade eine schriftliche Vorgabe an den Fahrdienstleiter.

Solche Anforderungen festzulegen liege in der Kompetenz des deutschen Eisenbahn-Bundesamtes (EBA). Diesem gegenüber könne die Sust keine Sicherheitsempfehlung aussprechen. Sie rät daher dem Bundesamt für Verkehr (BAV), ihre Feststellungen und Erkenntnisse dem EBA zur Kenntnis zu bringen und dieses um eine Stellungnahme zu bitten.

Sust-Untersuchungsberichte sollen Unfälle verhüten helfen. Gemäss Eisenbahngesetz sei die Klärung von Schuld und Haftung nicht ihre Aufgabe.

Bilder aus der Schweiz
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SDA/uri