Indoktrination von Reisenden? «Hilft, Regime zu erhalten»: Opfer kritisieren Nordkorea-Tourismus

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29.6.2019

Eine Reise nach Nordkorea? Nichts als reine Indoktrinierung der Touristen durch das Regime, sagen übergelaufene Kritiker. Reiseveranstalter  argumentieren dagegen.

Zuerst war es ein exotisches Ziel für Abenteuerlustige. Mehr und mehr jedoch wird Nordkorea auch für Ottonormaltouristen zur begehrten Reisedestination. Das abgeschottete Land lockt westliche Reisende vor allem aufgrund des Gänsehautfaktors – viele wollen wissen, wie es hinter den Kulissen von Kim Jong-Uns Regime aussieht.

Genau das wird nun von nordkoreanischen Überläufern harsch kritisiert. Geflohene Kritiker und Opfer des Regimes fordern Touristen auf, sich von Nordkorea fernzuhalten. Das Hauptargument jener, deren Familien und Freunde inhaftiert sind: Pjöngjang will durch die Öffnung für den Tourismus nicht nur harte Devisen einnehmen, sondern auch die Besucher indoktrinieren.

100'000 Touristen im vergangenen Jahr

Angesichts der begrenzten touristischen Infrastruktur, etwa hinsichtlich von Hotels und Restaurants, kündigten die nordkoreanischen Behörden im März eine Touristen-Maximalzahl an: Nur 1'000 Personen dürfen pro Tag die Grenze überqueren.

Die überwiegende Mehrheit der Besucher kommt aus dem benachbarten China. Insgesamt reisten im vergangenen Jahr rund 100'000 Touristen nach Nordkorea – fast ausschliesslich in Gruppen, denen vom Regime ausgewählte Orte gezeigt werden. Dazu gehört etwa der riesige Kim-Il-Sung-Platz, der normalerweise voller Soldaten im Fernsehen zu sehen ist.

Ebenfalls beliebt: der Turm von Juche sowie eine Nachbildung der Berghütte, in der Kim Jong-Il, der Vater des jetzigen Diktators, geboren sein soll. Eine weitere Attraktion sind die Massenveranstaltungen, bei denen Tausende von Kindern choreographierte Tänze aufführen, natürlich zum Lob der Nation und ihrer Führer. Das Reisen als Tourist ist mit Auflagen verbunden, da spezielle Reiseleiter jeden Schritt begleiten.

Kritik am Tourismus

Die Einschränkungen halten die Touristen nicht vom Besuch ab. Kritiker versuchen es nun mit Appellen: «Touristen sollten keinen Fuss nach Nordkorea setzen», sagte etwa Gyungbae Ju im Gespräch mit der «Deutschen Welle» (DW). «Jeder, der nach Nordkorea reist, wird vom Regime manipuliert.»

Weiter sagt der in Südkorea lebende Überläufer: «Wenn man keine Chance hat zu sehen, wie miserabel das Leben der gewöhnlichen Menschen ist, könnte man denken, dass Nordkorea ein sicherer und glücklicher Ort ist.» Und fügt an: «Er ist aber weder sicher noch glücklich.» 

Ju, dessen Vater und Schwester inhaftiert sind, erklärt: «Besuchern Nordkoreas wird von der Grösse der Familie Kim erzählt. Ich weiss das, weil es genau das ist, was mir in der Schule beigebracht wurde. Aber es ist eine Lüge.»

Auch Kwangil Heo, 1985 aus Nordkorea geflohen, nennt gegenüber DW zwei Hauptgründe, warum Nordkorea mehr ausländische Touristen anziehen will: einerseits aus Propagandagründen, andererseits um harte Devisen einzufahren. «Seitdem die Vereinten Nationen Sanktionen eingeführt haben, ist der Tourismus eine der wenigen Möglichkeiten, wie sie noch Geld verdienen können.»

«Das Geld, das Touristen ausgeben, fliesst direkt in Kims Regime und wird verwendet, um die Loyalität der politischen Fraktionen und Militärführer zu kaufen. Der Tourismus hilft, das nordkoreanische Regime am Leben zu erhalten», sagt Heo. Er glaubt, dass auch der Tourismus unter die Sanktionen fallen sollte.

Argumente pro Tourismus

Anders sehen das naturgemäss die Reiseveranstalter: «Der Tourismus unterstützt das nordkoreanische Regime nicht», sagt Simon Cockerell, Manager eines nordkoreanischen Reisebüros, gegenüber DW. Auch gehe das Geld aus dem Tourismussektor nicht an die Regierung – Hotels, Restaurants und andere Reisepartner müssten alle Kosten selbst tragen.

«Die meisten Nordkoreaner haben nie die Möglichkeit, mit einem Ausländer zu interagieren», argumentiert er. «Das sind Menschen, deren einziges Verständnis von Ausländern das ist, was ihnen von ihrer eigenen Regierung gesagt wird. Wenn sie Ausländer treffen, wird ihnen eine ganz andere Perspektive eröffnet.»

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